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# taz.de -- Sozialverbände zur Tafeldebatte: Lossystem statt Diskriminierung
> Wie reagieren Staat und Freiwillige auf die Konflikte bei der Essener
> Tafel? Mehrere Sozialverbände haben Lösungen für die Verteilung.
Bild: Kunden der Ulmer Tafel wählen ihre Lebensmittel aus
Berlin taz | Verdrängte Rentner, vermeintlich drängelnde Flüchtlinge und
Rassismus. In der Diskussion um die Essener Tafel gab es bisher viele
Anschuldigungen, aber wenig Vorschläge, wie die Verteilung der Lebensmittel
in Zukunft aussehen könnte.
Antworten auf diese Frage versuchten Vertreter von Sozialverbänden bei
einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag in Berlin zu geben. Die mehr
als 30 Organisationen – darunter so bekannte wie die Arbeiterwohlfahrt, der
Paritätische und der DGB – reagieren damit auf die Debatte um die Essener
Tafel. Im Januar hatte die dortige Leitung entschieden, aufgrund von
Streitigkeiten bei der Verteilung von Lebensmitteln in Zukunft nur noch
Bedürftige mit deutschem Pass aufzunehmen.
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, verwies auf
alternative Ansätze, wie andere Tafeln in Deutschland die Konflikte bei der
Essensausgabe handhaben, denn „Möglichkeiten gibt es viele“. So wäre zum
Beispiel ein Lossystem zur Zuteilung der Lebensmittel denkbar. Es sei
darüber hinaus auch möglich, Personengruppen zu unterschiedlichen Zeiten zu
bedienen. Besonders bedürftige Menschen wie Ältere oder Alleinerziehende
kämen bei diesem Modell zuerst zum Zug.
Für die Essener Entscheidung hat Schneider kein Verständnis und spricht von
„objektiver ethnischer Diskriminierung“. Eine generelle rassistische
Grundhaltung will er den dortigen Freiwilligen jedoch nicht attestieren.
Vielmehr offenbare sich darin „eine völlige Überforderung der Tafeln“.
Schneider zufolge gehen 1,5 Millionen Menschen regelmäßig zur Tafel – und
das „nicht aus Spaß“. Das Problem sei also nicht neu, sondern vielmehr
Resultat der verfehlten Sozialpolitik der vergangenen Jahre.
## Mehr Menschen brauchen Essensspenden
Laut Barbara Eschen, Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, ist die
Verschärfung der Konflikte bei der Essensverteilung ein Zeichen wachsender
Armut in Deutschland. Seit 15 Jahren seien immer mehr Leute auf
Essensspenden angewiesen.
Die Sozialverbände kritisieren fehlende Investitionen in den sozialen
Wohnungsbau sowie die zu niedrigen Regelsätze bei Sozialleistungen wie
Hartz IV. Diese sind laut Schneider „trickreich kleingerechnet“ und stünden
in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Bedürfnissen der Betroffenen.
Maßnahmen der Bundesregierung kämen oft nicht bei den Bedürftigen an. Dies
betreffe auch das Kindergeld, da eine Erhöhung bei Bezug von Hartz IV voll
angerechnet werde und betroffene Familien nicht mehr Geld erhalten.
Das Bündnis fordert daher eine Anhebung der Regelsätze um 30 Prozent auf
mindestens 529 Euro für alleinstehende Erwachsene und mehr Investitionen in
den sozialen Wohnungsbau. Zivilgesellschaftliches Engagement dürfe kein
Ersatz für staatliche Daseinsvorsorge sein. Die Sozialverbände fordern von
der neuen Regierung vielmehr einen Kurswechsel in Sachen
Armutsverhinderung. Laut Eschen darf der Koalitionsvertrag in dieser Frage
„nicht das letzte Wort gewesen sein“.
7 Mar 2018
## AUTOREN
Sebastian Kränzle
## TAGS
Tafel
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Jens Spahn
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