# taz.de -- Fahrrad- und Autofahrer im Konflikt: Das Auto ist eine Waffe | |
> Radverkehr wird in Deutschland vor allem als Verkehrshindernis für Autos | |
> gesehen. Strafanzeigen wegen Nötigung verlaufen häufig im Sand. | |
Bild: So ist man als Radfahrer auf jeden Fall gut zu sehen. Ob das Autfahrer vo… | |
Endlich gerät eine rabiate Autofahrerin mal an die Falsche. Endlich bleibt | |
es mal nicht bei einem Wortgefecht, nachdem das Auto wieder als Waffe | |
eingesetzt wurde. Endlich hat dieses gefährliche | |
Zeigen-wer-der-Chef-auf-der-Straße-ist mal Konsequenzen. So denkt man, wenn | |
man über den Vorfall in Berlin-Karow liest. | |
Eine Polizistin, die als solche nicht zu erkennen ist, wird dort von einer | |
Autofahrerin angebrüllt, geschnitten und zur Vollbremsung gezwungen, weil | |
sie auf der Fahrbahn statt auf dem nicht benutzungspflichtigen Radweg | |
fährt. So weit ist das leider absolut nichts Besonderes. Das passiert jeden | |
Tag unzählige Male, nicht nur in Berlin. | |
Ich kann von einem bis hierher identischen Vorfall berichten, der sich am | |
Montag in Osnabrück zugetragen hat. Ich war der Radfahrer. Auch ich war | |
trotz Radweg auf der Fahrbahn unterwegs, weil das mit 30 km/h einfach | |
sicherer ist – beziehungsweise sein sollte. Wenn sich alle an die | |
Verkehrsregeln halten. Es gibt aber Ausnahmen. Meiner gestrigen Ausnahme | |
habe ich an der nächsten Ampel die Beifahrertür aufgerissen und die Sache | |
kurz geschildert. Eine Ampelphase hat zur Einsicht leider nicht gereicht. | |
In Berlin-Karow endete es für die Radfahrerin leider anders. Auch hier | |
fehlte die Einsicht der Autofahrerin – auch dann noch, als die radelnde | |
Polizistin ihren Dienstausweis an die Scheibe drückte. Auf die Nötigung des | |
Schneidens folgte eine Sachbeschädigung. Die Autofahrerin stieg aus dem | |
Wagen und warf das Fahrrad zur Seite, das die Polizistin vor das Auto | |
gelegt hatte. Und schließlich folgte eine Körperverletzung. Nichts anderes | |
ist es, wenn das Auto dafür eingesetzt wird, die Radfahrerin aus dem Weg zu | |
schieben. | |
## Anzeige wegen Nötigung | |
Es gibt Zeugen für diesen Vorfall, die Polizistin erstattet Anzeige. Schon | |
dieser Schritt ist vielen Opfern von Nötigung im Straßenverkehr einer zu | |
viel, weil eben viel im Sande verläuft. | |
Zu Recht kann man hier nun aber erwarten, dass der Autofahrerin der | |
Führerschein abgenommen wird. Wer sich im Straßenverkehr so verhält, ist | |
nicht geeignet, ein motorisiertes Fahrzeug zu führen. | |
Umso mehr überrascht es, dass das Verfahren gegen die Autofahrerin nach | |
einem Jahr eingestellt wird. Oder ist das in einem Land gar nicht | |
überraschend, in dem so ziemlich alles erst mal nur durch die | |
Windschutzscheibe gesehen wird? Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass „die | |
Schuld als gering anzusehen wäre und ein öffentliches Interesse an der | |
Strafverfolgung nicht“ bestünde. | |
Wie bitte? Die Sitten da draußen auf den Straßen werden immer rauer, | |
RadfahrerInnen fühlen sich bedrängt, müssen sich ihre sicheren Wege immer | |
wieder neu suchen, um unversehrt anzukommen, und dann soll kein | |
öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen? | |
Nein, die Schuld bei einer solchen Nötigung ist nicht als gering anzusehen. | |
Es ist ein Verstoß gegen Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung, dem | |
Fundament unseres Verkehrssystems: „Die Teilnahme am Straßenverkehr | |
erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“ | |
Das Signal, das die Staatsanwaltschaft hier aussendet, ist fatal. Die | |
Unversehrtheit von RadfahrerInnen scheint nur am Rande wahrgenommen zu | |
werden. Nach dem Motto: Erst wenn es kracht, wurde die Macht der | |
Pferdestärken missbraucht. Das Gegenteil ist aber der Fall. Das Schneiden | |
von RadfahrerInnen ist tägliche Praxis, ein strukturelles Problem in einem | |
Land, in dem der Radverkehr immer noch viel zu oft als Verkehrshindernis | |
für Autos gesehen wird. Dabei muss es gar nicht zum Unfall kommen – die | |
bloße Nötigung reicht aus, das Klima auf den Straßen weiter zu vergiften. | |
21 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Daniel Doerk | |
## TAGS | |
Fahrrad | |
Straßenverkehr | |
Autofahrer | |
Verkehr | |
Handy | |
Selbstfahrendes Auto | |
Fahrrad | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Wir retten die Welt: Rolletarier, vereinigt euch! | |
Der Kampf um die Straße zwischen Auto und Rad eskaliert. Gut so. Wenn | |
Richtiges eine Chance haben soll, muss Falsches weichen. | |
Telefonieren am Steuer: Legal aber verhängnisvoll | |
Eine 25-Jährige telefonierte mit Headset beim Fahren – ganz legal. Sie | |
überfuhr einen Radfahrer, der starb. Nun wurde sie zu einer | |
Bewährungsstrafe verurteilt. | |
Kommentar Tödliche Fahrradunfälle: Technik rettet Leben | |
Videokameras serienmäßig in Lastwagen einzubauen würde tödliche Unfälle mit | |
Radfahrern verhindern. Die Systeme gibt es schon längst. | |
Berliner Radfahrerin von Lkw überrollt: Was tun gegen den toten Winkel | |
In Schöneberg stirbt eine Radfahrerin, nachdem sie von einem Lkw beim | |
Abbiegen erfasst wurde. Selbst die Transportbranche fordert | |
Abbiegeassistenten. |