| # taz.de -- Schweizer Widersprüche: Uneins über Rechte von Papierlosen | |
| > Der Kanton Genf erleichtert es Menschen ohne Aufenthaltspapiere, einen | |
| > legalen Status zu erlangen. Auf Bundesebene drohen Verschärfungen. | |
| Bild: Schönes Leben am Genfersee? Genf lässt häufig nicht anerkannte Asylsuc… | |
| GENF taz | „Operation Papyrus“ – so heißt das Projekt, das den | |
| „Sans-Papiers“ im Westschweizer Kanton Genf einen neuen Weg eröffnen | |
| sollte: AusländerInnen ohne Aufenthaltspapiere können in dem bis Ende 2018 | |
| laufenden Pilotprojekt einen legalen Status erwerben. | |
| Doch solche Initiativen sehen sich mit zusehends gegensätzlicher | |
| überregionaler Politik konfrontiert: Am Mittwoch dieser Woche will der | |
| Nationalrat, das Berner Bundesparlament, landesweit gültige Verschärfungen | |
| für die „illegalen“ AusländerInnen beschließen. | |
| In der Schweiz leben je nach Schätzung zwischen 70.000 und 200.000 Menschen | |
| ohne gültige Aufenthaltspapiere. Zu den „Sans-Papiers“ gehören im | |
| Wesentlichen drei Gruppen: Einmal sind es einst von der Schweiz rekrutierte | |
| SaisonarbeiterInnen aus dem früheren Jugoslawien, deren Arbeits- und | |
| Aufenthaltsstatut aber Mitte der 90er Jahre abgeschafft wurde. | |
| Eine zweite Gruppe machen ArbeitsmigrantInnen aus, mehrheitlich Frauen, vor | |
| allem aus Lateinamerika, den Philippinen und Osteuropa. Die dritte Gruppe | |
| besteht aus Flüchtlingen und Asylsuchenden, deren Antrag abgelehnt oder gar | |
| nicht behandelt wurde. | |
| ## Nur ein Viertel von Genfs Papierlosen profitiert | |
| Allerdings: „Operation Papyrus“ gilt nur für die ersten beiden Gruppen und | |
| damit nur für etwa ein Viertel der rund 13.000 Sans-Papiers in Genf. Rund | |
| 1.100 dieser MigrantInnen haben nach einer Zwischenbilanz der Regierung von | |
| Ende Februar bislang einen sogenannten B-Ausländerausweis beantragt und | |
| erhalten. | |
| Damit sind sie zunächst zu einem einjährigen Aufenthalt und einem legalen | |
| Arbeitsverhältnis berechtigt. Dafür müssen die Sans-Papiers eine Reihe von | |
| Voraussetzungen erfüllen – finanziell unabhängig sein etwa. | |
| Bis Ende 2018 könnten noch weitere 2.000 Personen davon Gebrauch machen. | |
| Der Genfer Wirtschafts- und Sicherheitsminister Pierre Maudet von der | |
| freisinnigen FDP feiert die „Operation Papyrus“ auch als „erfolgreiche | |
| Maßnahme zur Bekämpfung der Schwarzarbeit“. | |
| ## „Nicht für Schwarze und Araber“ | |
| Doch für die rund 10.000 abgelehnten Flüchtlinge und Asylbewerber in Genf | |
| bringt das nichts. „Papyrus ist für die Latinos, aber nicht für die | |
| Schwarzen und die Araber“, [1][zitiert die Schweizer] WOZ deshalb die | |
| Kritik eines Genfer Aktivisten. | |
| Genf ist unter den 26 Kantonen einer, der am meisten abgewiesene | |
| Asylsuchende in ihre Herkunftsländer abschieben lässt – beziehungsweise im | |
| Rahmen des Dublin-Abkommens in jene Länder, in denen sie zuerst registriert | |
| wurden. | |
| Dennoch: im Vergleich etwa zum Kanton Zürich, wo 2017 gerade einmal zwei | |
| Sans-Papiers einen legalen Aufenthaltsstatus erhielten, ist das Genfer | |
| Projekt zumindest ein relativer Fortschritt. Basel, Bern und andere Kantone | |
| erwägen, das Modell zu übernehmen. | |
| ## Geplante Verschärfungen | |
| Doch alle relativen Verbesserungen auf kantonaler Ebene könnten bald | |
| zunichte gemacht werden. Am Mittwoch will der Nationalrat mit der Mehrheit | |
| aus rechtspopulistischer SVP, freisinniger FDP und christlicher CVP eine | |
| Gesetzesvorlage mit erheblichen Verschärfungen für Sans-Papiers | |
| beschließen: Ihr bisheriger Rechtsanspruch auf | |
| Sozialversicherungsleistungen soll wegfallen, sie können sich nicht mehr | |
| bei einer Krankenkasse versichern, ihre Vermieterinnen und Arbeitgeber | |
| sollen künftig härter bestraft werden und Schulen verpflichtet werden, | |
| papierlose SchülerInnen den Behörden zu melden. | |
| „Schäbig und pervers“ nennt der Genfer Minister Maudet diesen Vorschlag. | |
| Wenn die Schulen die Kinder von Sans-Papiers bei den Behörden meldeten, | |
| habe das „den schlimmstmöglichen Effekt: dass nämlich Kinder nicht mehr zur | |
| Schule gehen“. | |
| 6 Mar 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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