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# taz.de -- Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt/M.: Die scheinbar Perfekte
> Die OB-Wahl in Frankfurt/Main steht am Sonntag an. Die CDU glaubt, in
> Bernadette Weyland eine gute Kandidatin für das Amt gefunden zu haben.
Bild: Perfekte Kandidatin? Dafür hat sich Bernadette Weyland schon zu viele Fe…
Frankfurt/Main taz | In der Frankfurter CDU war man sich sicher, mit
Finanzstaatssekretärin Bernadette Weyland, 60, die richtige Kandidatin
gefunden zu haben. Gilt es doch, am nächsten Sonntag [1][den amtierenden
Oberbürgermeister, Peter Feldmann, SPD, 59,] in der Wahl zum Frankfurter OB
zu schlagen.
Bernadette Weyland gibt sich gerne weltgewandt und liebt den öffentlichen
Auftritt. Sie schien das perfekte Gegenmodell zu Feldmann, der gelegentlich
mit der Hochkultur fremdelt und nach eigenem Bekunden lieber ein Fest der
Arbeiterwohlfahrt als eine Operngala besucht.
Vor sechs Jahren hatte sich Feldmann überraschend gegen einen prominenten
Kandidaten der CDU durchgesetzt, den damaligen hessischen Innenminister
Boris Rhein (inzwischen Wissenschaftsminister). Diesmal sollte es also in
Weyland die perfekte Kandidatin richten. Schließlich hatte die Partei bis
2012 noch jede OB-Direktwahl in Frankfurt gewonnen. Die Wahl schien
sozusagen gelaufen. Doch so einfach war die Sache dann leider doch nicht.
Denn die patente CDU-Bewerberin erwies sich als ziemlich pannenanfällig.
Beim Nominierungsparteitag im Februar 2017 legte Weyland mit 96 Prozent
Zustimmung zwar einen Traumstart hin. Doch die erste Euphorie war bald
verflogen. Allzu oft hat sich die CDU-Kandidatin in der Folge nicht nur mit
den politischen Gegnern angelegt.
Beim Bürgergespräch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beklagte sie vor
zwei Wochen einmal mehr die offene Drogenszene und „Sicherheitsmängel“ im
Frankfurter Bahnhofsviertel. Das Thema werde sie als Oberbürgermeisterin
zur „Chefsache“ machen, kündigte Weyland an; die fünf zuständigen
DezernentInnen der Stadtregierung werde sie einbestellen und zu einem
energischeren Vorgehen veranlassen, versprach sie.
## Fette Schlagzeilen
Ein klassisches Eigentor. Denn an der Spitze von vier der fünf benannten
Ressorts der Stadtregierung stehen CDU-PolitikerInnen. Zudem gilt Weyland
selbst nicht gerade als kompetent in Sachen Drogenszene. Das
veranschaulicht auch die folgende Episode: Bei einem Besuch im
Bahnhofsviertel war die Kandidatin im Dezember mit einem Drogenabhängigen
ins Gespräch gekommen. Zum Abschied drückte sie ihm fünf Euro in die Hand,
verbunden mit dem Appell: „Aber bitte keine Drogen kaufen, ja!“
Dem folgten weitere Pannen. Bei ihrem Besuch der lokalen Bild-Redaktion im
vergangenen November sorgte sie für fette Schlagzeilen. Ihr Vorschlag: Das
Waldstadion an die Frankfurter Eintracht verkaufen und den Kaufpreis, „50
bis 60 Millionen Euro“, an die Frankfurter Sportvereine verteilen!
Eine Schnapsidee, fand nicht nur die politische Konkurrenz. Das Stadion
steht mit einem geschätzten Wert von 160 Millionen Euro in den Büchern, der
von Weyland aufgerufene Kaufpreis hätte nicht einmal für die Schulden
ausgereicht, die das Objekt belasten. Die für den Sport und die
Liegenschaften zuständigen Dezernenten, beide CDU, kassierten den Vorschlag
der Kandidatin denn auch postwendend ein.
Beim Topthema des OB-Wahlkampfs, der Stadtentwicklung, verstrickte sich die
Kandidatin in krasse Widersprüche. Medienwirksam setzte sie sich vom
Vorhaben der Frankfurter schwarz-rot-grünen „Römerkoalition“ ab, rechts u…
links der Autobahn A5 einen neuen Stadtteil zu entwickeln. Dort soll
bezahlbarer Wohnraum entstehen.
Sie werde als OB auf die Bebauung westlich der A5 verzichten, erklärte
Weyland und überraschte damit auch ihre Parteifreunde. Mit dem
Richtungswechsel kamen selbst ihre Webmaster nicht mit. Im Internet
[2][(#OBernadette)] war Tage danach noch das ursprüngliche Konzept der
Koalition gepostet.
## Einstweilige Pensionierung für den Wahlkampf
Auch im Karneval hatte Weyland einen unfreiwilligen Auftritt. „Tochter,
seit wann sagst du Sie zu mir?“, ließ man die Kandidatin auf einem
Motivwagen in der Frankfurter Fassenacht fragen. Hintergrund: Ihre eigene
Tochter hatte unter dem Klarnamen Constanze Hemker ein dickes Lob in den
sozialen Netzwerken lanciert: „Hier braucht man ein Stadtoberhaupt, das
Ahnung von Finanzen hat, dafür sind Sie die Richtige!“, schrieb sie.
Als größte Hypothek erweist sich für Weyland ein profitabler Coup in
eigener Sache. Bei ihrer Nominierung vor einem Jahr hieß es, sie werde als
Staatssekretärin im Hessischen Finanzministerium zurücktreten und sich ganz
auf den Wahlkampf konzentrieren. Noch im Juli erklärte sie, sie werde ihr
Amt „aufgeben“.
Bei einem freiwilligen Ausscheiden hätten ihr weder Übergangsgelder noch
eine Pension zugestanden. Doch die vom CDU-Landesvorsitzenden Volker
Bouffier geführte Landesregierung versetzte die Staatssekretärin in den
einstweiligen Ruhestand. Pension und Übergangsgelder sind so gesichert.
Das ist bei politischen Beamten jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich.
Die Regelung ist aber eigentlich dafür gedacht, dass ein politisches oder
persönliches Zerwürfnis zwischen dem Dienstherrn und seinem Beamten das
Vertrauen belastet, etwa nach einem Regierungswechsel.
Der „goldene Handschlag“ als Gefälligkeit für eine wahlkämpfende
ParteifreundIn sei jedoch „rechtswidrig“, urteilte denn auch der
renommierte Rechtsprofessor Ulrich Battis im SWR-Fernsehmagazin „Report
Mainz“, das über eine ganze Reihe solcher Skandalfälle berichtete. Weyland
nennt ihre einstweilige Pensionierung dagegen einen ganz normalen Vorgang;
die ihr bis zum Wahltag zustehenden Übergangsgelder stifte sie sogar für
einen gemeinnützigen Zweck, versprach sie.
## Sie kämpft bis zuletzt
Ob die Finanzfachfrau dennoch die Wählerschaft überzeugen kann, wird sich
am Sonntagabend, nach Schließung der Wahllokale, zeigen. In der letzten
Wahlkampfperiode gibt sich Weyland noch nicht geschlagen: Sie kämpft bis
zuletzt um jede Stimme. In ihrem orangefarbenen Blazer wirbt sie an den
Infoständen, wo sie von ihren möglichen Wählerinnen und Wählern viel
Zuspruch erfährt.
Dennoch muss sie einiges aufholen. Peter Feldmann ist um einiges bekannter
als sie. Der Amtsinhaber warnt seine eigenen Leute vor allzu viel
Optimismus: „Ich bin sicher, diese OB-Wahl wird wie vor sechs Jahren nicht
im ersten Wahlgang entschieden“, sagte er der taz.
Für die CDU-Kandidatin muss das Ziel sein, die zweite Runde zu erreichen.
Das will allerdings auch das FDP-Mitglied Volker Stein, der hier als
unabhängiger Kandidat ohne Unterstützung seiner Partei antritt. Der
ehemalige Ordnungsdezernent der Stadt, der sich als Oberst der Reserve
gerne in der Uniform ablichten lässt, wird von den Rechtspopulisten der BFF
unterstützt. Er findet, dass in Frankfurt zu viele Migranten leben. Weiter
im Rennen sind Nargess Eskandari-Grünberg von den Grünen und die Linke
Janine Wissler.
21 Feb 2018
## LINKS
[1] /Frankfurts-OB-ueber-GroKo-Sondierungen/!5475373
[2] https://twitter.com/hashtag/OBernadette?src=hash
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Frankfurt/Main
Hessen
Stadtentwicklung
Frankfurt/Main
Öffentlicher Nahverkehr
SPD
Schwerpunkt Rassismus
Frankfurt am Main
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