| # taz.de -- Tiefgekühlte Schätze im Permafrost: Analoges Archiv für digitale… | |
| > In der „Kohlengrube Nummer 3“ auf der Arktisinsel Spitzbergen entsteht | |
| > ein Datenarchiv. Die Daten sollen in 1.000 Jahren noch lesbar sein | |
| Bild: Eingang zum Archiv für genetische Ressourcen: In der Nachbarschaft der S… | |
| Stockholm taz | Eine Kopie der ersten Druckfassung von Dante Alighieris | |
| „Divina Commedia“, Dokumente aus der brasilianischen Fußballgeschichte und | |
| digitalisierte Versionen von Urkunden und Bildern aus den Beständen des | |
| norwegischen Nationalmuseums und des mexikanischen Nationalarchivs. In der | |
| kommenden Woche soll all das im Permafrostboden der norwegischen | |
| Arktisinsel Spitzbergen eingelagert werden. | |
| In 300 Meter Tiefe in einem speziell ausgebauten Stollen der 1996 | |
| stillgelegten „Kohlengrube Nummer 3“ war dort im vergangenen Jahr das World | |
| Arctic Archive feierlich eingeweiht worden. Bislang international weniger | |
| bekannt als die vor zehn Jahren in einem anderen Teil der Grube im gleichen | |
| Platåberget nahe der Inselhauptstadt Longyearbyen eröffnete Samenbank, das | |
| [1][Svalbard Global Seed Vault.] Sollen in diesem die genetischen | |
| Ressourcen von Nutzpflanzen aus aller Welt archiviert werden, sind es in | |
| dem neuen Lager – Daten. Die dahinterstehende Idee ist die gleiche: | |
| Sicherheitskopien für den Fall aufzubewahren, dass die Originale beschädigt | |
| oder unbrauchbar werden sollten. | |
| Saatgut wie Daten haben ein gemeinsames Problem: das Altern. Müssen | |
| gealterte Samen auch aus den Kühltruhen des Global Seed Vault regelmäßig | |
| ersetzt werden, um keimfähig zu bleiben, sollen die Daten im World Arctic | |
| Archive auch in 500 oder gar 1.000 Jahren noch lesbar sein. Dazu müssen sie | |
| erst einmal „in Form gebracht werden, denn es bringt ja gar nichts, | |
| Festplatten, DVDs oder andere digitale Lagerungsmedien einfach in Container | |
| zu packen und dort abzustellen“, betont Maria Borkenhagen, | |
| Informationschefin von „Piql“. | |
| Dieses [2][norwegische Unternehmen Piql] hat sich auf die | |
| Langzeitarchivierung digitaler Daten spezialisiert und betreibt jetzt | |
| zusammen mit einer norwegischen Staatsfirma das Datenarchiv auf | |
| Spitzbergen. „Die Herausforderung ist, dass global immer mehr Informationen | |
| digital gelagert werden, die Technologien zur Datenlagerung aber eine | |
| extrem kurze Lebensdauer haben“, sagt Borkenhagen. Nicht nur weil die | |
| Lagerungsmedien rasch altern, sondern es auch stetig neue Hardwarelösungen | |
| gebe, müssten wichtige Daten regelmäßig auf neue Datenträger überführt | |
| werden. Was nicht nur kostenintensiv sei, sondern auch das Risiko von | |
| Datenverlusten erhöhe. | |
| ## Umgewandelt in QR-Codes | |
| Die Lösung für digitale Datenlagerung, die Piql in Zusammenarbeit mit | |
| Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer-Institut entwickelt hat, ist | |
| analoge Speichertechnik: Film. „Film ist ein optisches Medium, also wandeln | |
| wir Dateien jeder Art von Daten, seien es Dokumente, PDFs oder JPGs, in | |
| hochauflösende QR-Codes um“, erläutert Piql-Direktor Rune Bjerkestrand die | |
| Methode: „Das visuelle Speichermedium Film wird so zu einem digitalen.“ | |
| [3][Zu Beginn jeder Filmrolle] befinden sich selbsterklärende Instruktionen | |
| sowohl in computerlesbarer, als auch in menschenlesbarer Fassung mit allen | |
| notwendigen Informationen für die Dekodierung der Daten. Deren jederzeitige | |
| Wiederherstellung soll damit möglich werden, Menschen also auch in ein paar | |
| hundert Jahren in der Lage sein, zu lesen und zu sehen, was hier archiviert | |
| wurde, sagt Bjerkestrand: „Im Prinzip genügen erst einmal eine Lichtquelle | |
| und ein Vergrößerungsglas.“ | |
| Das trockene und kalte unterirdische Grubenmilieu auf Spitzbergen sei ein | |
| perfekter Lagerplatz für die in speziellen Boxen gesicherten Filme, zählt | |
| der Piql-Chef weitere Vorteile auf. Alle Daten lagerten außerdem offline, | |
| sodass anders als bei Cloud-Lagerung nicht die Gefahr bestehe, dass sie | |
| gehackt, gelöscht oder geändert werden können. Die norwegische Souveränität | |
| über die 1.000 Kilometer vom Nordpol entfernt liegende Inselgruppe, die | |
| international als demilitarisiert anerkannt ist, verspreche darüber hinaus | |
| größtmögliche politische Stabilität. | |
| Und weil Piql auch ein kommerzieller Anbieter ist, der seinen Firmenkunden | |
| garantiert mit seiner „trueWORM“-Technik – „write once, read many“ – | |
| verlorene Originaldaten bei Bedarf in kürzest möglicher Frist | |
| wiederherzustellen und zu überspielen, träumt man auf Spitzbergen bereits, | |
| „die wichtigste Informationsbank der Welt“, so die Lokalzeitung | |
| Svalbardposten, könnte zu einem künftigen neuen Standbein für die | |
| Wirtschaft der Insel werden. | |
| 18 Feb 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.croptrust.org/our-work/svalbard-global-seed-vault/ | |
| [2] https://www.piql.com/de/arctic-world-archive-3/ | |
| [3] https://vimeo.com/230134781 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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