# taz.de -- Namensänderung beim Heiraten: Die Namen sind nicht das Problem | |
> Eine Journalistin ärgert sich, dass junge Frauen bei der Hochzeit den | |
> Namen ihres Mannes annehmen. Doch genau das kann befreiend sein. | |
Bild: Wer braucht schon einen Trauschein? | |
„Behaltet eure Namen“, [1][fordert die Autorin Mareike Nieberding] auf Zeit | |
Online. Zehn Freundinnen von ihr haben im vergangenen Jahr geheiratet, | |
schreibt sie, „berufstätige, selbstbewusste, kritische junge Frauen“. | |
Sieben von ihnen haben den Nachnamen ihres Mannes angenommen. Nieberding | |
findet das falsch. „Denn Namen sind weder Schall noch Rauch. Namen sind | |
Geschichte, Erfolge, Traumata, Familie“ – und die sollten junge Frauen doch | |
bitte für sich selbst behalten, anstatt sich via Namensübernahme ihrem | |
Gatten unterzuordnen. | |
Auch ich bin Feministin wie Mareike Nieberding. Gerade deswegen habe ich | |
bei meiner Hochzeit den Namen meines Mannes angenommen. Und zwar aus | |
emanzipatorischen Gründen. | |
Die älteste Erinnerung in meinem Leben besteht nur aus einem Ton, kein | |
Bild. Es ist die Stimme meiner Mutter in rabenschwarzer Dunkelheit. Sie | |
schreit, mein Vater schlägt sie: „Hör bitte auf! Bitte!“ Sie muss 18 oder | |
19 Jahre alt gewesen sein. Ihr Gegenüber ist ein Mann, der fast zehn Jahre | |
älter ist als sie. | |
## Mein Vater widerspricht | |
Um meinen 30. Geburtstag herum schrieb ich diese Erinnerung als Blogbeitrag | |
auf. Kurz darauf klingelte mein Telefon, mein Vater war dran, mitten in der | |
Nacht. Er hatte den Beitrag gelesen und war wütend, weil er der Meinung | |
war, dass er meine Mutter nicht geschlagen habe. „Vielleicht mal eine | |
Ohrfeige, aber das war's!“ Ich rief meine Mutter an. Ich musste wissen, ob | |
mein Gehirn mich täuscht. Das hat es wohl nicht. Sie hatte sogar noch mehr | |
zu erzählen. | |
2015 habe ich geheiratet und den Nachnamen meines Mannes übernommen. Wir | |
waren seit vier Jahren zusammen, haben zusammen gewohnt, haben uns geliebt. | |
Mein Mann wünschte sich, dass ich seinen Nachnamen annehme: Schick. Ich tat | |
das, aber nicht als Geschenk an ihn. Ich habe es getan, weil ich nicht den | |
Namen meines gewalttätigen Vaters behalten wollte, der meine Mutter und | |
mich traumatisiert hat. Meinen Vater durfte ich mir nämlich nicht | |
aussuchen, seinen Namen auch nicht. Meinen neuen Namen hingegen schon. Ich | |
liebte den Mann der diesen Namen trug, entschied mich für ihn und für ein | |
Leben als Sibel Schick. | |
Es fiel mir anfangs nicht leicht mich an den neuen Nachnamen zu gewöhnen. | |
Aber selbst als die Beziehung zu meinem Mann scheiterte, nahm ich meinen | |
alten nicht zurück. Ich hatte keine Kraft für die Bürokratie, wollte aber | |
auch nicht zurück in die Namensfamilie meines Vaters. | |
Unsere Geburtsnamen sind nicht unsere eigenen, sondern die unserer Väter. | |
Sie definieren uns nicht als Individuen, sondern erinnern uns daran, dass | |
wir Teil einer traditionellen Familie sind, deren Anführer noch immer meist | |
der Namensgeber, also der Mann, ist. Die Familie ist der Kern des Systems, | |
die kleinste Einheit des Staates, ohne die der Staat nicht überleben kann. | |
Es sind die traditionellen Familien, die für billige Arbeitskräfte sorgen | |
und die Reproduktion sicherstellen. | |
## Warum wollen wir überhaupt heiraten? | |
Die Familie ist die Institution, in der wir als erstes lernen, wie | |
Machtverhältnisse funktionieren. Sie bereitet uns auf das „richtige Leben | |
da draußen“ vor, macht uns zu gehorsamen Erwachsenen. Gewalt beginnt in der | |
Familie. Wie viele von uns wehren sich dagegen? Wie viele trauen sich, die | |
Machtverhältnisse innerhalb der eigenen Familie infrage zu stellen, diese | |
bei Familientreffen zu thematisieren? | |
Stattdessen sitzen wir an dem Esstisch mit schicken Porzellantellern und | |
Kristallgläsern vor uns, gekränkt, halten es aus, dass der Vater wieder | |
pöbelt, der Onkel dumme Sprüche macht, bis endlich alles vorbei ist, und | |
wir wieder zurück in unser Leben kehren, wo wir das Erlernte reproduzieren | |
dürfen. | |
Das eigentliche Problem sind doch nicht die neuen Namen. Das eigentliche | |
Problem ist, dass wir überhaupt noch heiraten wollen. Dass wir die Idee so | |
sehr verinnerlicht haben, dass heiraten selbst unter jungen Großstädtern | |
wieder in ist. Die Statistik zeigt: Die Zahl der Eheschließungen [2][nimmt | |
in den letzten Jahren wieder zu]. Die überwiegende Mehrheit der Paare mit | |
Kind [3][ist verheiratet]. | |
Ehe und Familie gehören für viele immer noch untrennbar zusammen. Bist du | |
verheiratet, scheißegal ob du glücklich bist, dann hast du was im Leben | |
geschafft. Wenn eine Frau ihren Geburtsnamen behalten möchte, sollte sie | |
ihn behalten. Der Siegeszug der weiblichen Emanzipation ist das aber noch | |
längst nicht. | |
14 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2018-01/hochzeit-frauen-nachname-ehep… | |
[2] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Ehen… | |
[3] http://www.sueddeutsche.de/leben/acht-grafiken-zur-ehe-kann-heiraten-gut-ge… | |
## AUTOREN | |
Sibel Schick | |
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