# taz.de -- Für lau ins Theater: Im Studium ist Theater inbegriffen | |
> Hannover führt eine Theater-Flatrate für Studierende gegen einen kleinen | |
> Aufschlag beim Semesterbeitrag ein. Das Modell hat sich bereits in | |
> anderen Städten bewährt. | |
Bild: In Hannover für Geschichtsstudenten zu empfehlen: Das Stück „Chaostag… | |
BREMEN taz | Als Lockangebot, Geschenk – ja, auch Zwangsbeglückung kommt | |
das Frühlingsschnäppchen für die 40.000 hannoverschen Studierenden daher. | |
An der Leibniz Universität, der Hochschule, der Hochschule für Musik, | |
Theater und Medien sowie an der Medizinischen Hochschule müssen sie pro | |
Semester pauschal 50 Cent mehr Semesterbeitrag bezahlen, die direkt ans | |
Schauspiel Hannover gehen – und dürfen dafür ab dem 1. März alle | |
Eigenproduktionen des Theaters so oft für lau besuchen, wie sie wollen. | |
Einzige Voraussetzung für die Nutzung der Flatrate ist, sich einmal an der | |
Theaterkasse zu registrieren und sich eine Kundennummer zuweisen zu lassen. | |
Ab zwei Tage vor jeder gewünschten Vorstellung werden Restplätze | |
freigeschaltet und es ist möglich, gegen Vorlage von Semesterticket, | |
Personalausweis und Kundennummer persönlich eine kostenloses Karte | |
abzuholen. | |
Jahre haben die Verhandlungen dafür gedauert. Den finanziell darbenden | |
Akademikern in spe kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, ist die Absicht der | |
Asten als Projektpartner. Die werben nun mit Flyern, Plakaten und über ihre | |
Online-Kanäle für das Angebot. | |
Die Leitung des Sprechtheaters sieht das als Marketingmaßnahme zur | |
Publikumsakquise. Dass es in Hannovers Schauspiel – wie in fast allen | |
Stadt- und Staatstheatern – eine Besucherlücke im Bereich der 18- bis | |
40-Jährigen gebe, sei lange bekannt, sagt Nadja Diwolt, Assistentin des | |
Intendanten. „Bei einer kürzlich durchgeführten Untersuchung kam zudem | |
heraus, dass die Studierenden uns gar nicht kennen.“ | |
Auf Nachfrage wären auch Vorurteile vom hochpreisigen Kulturgenuss zutage | |
getreten. Die Frage, was wohl ein Studententicket koste, tippten die | |
meisten Studierenden auf 14 bis 16 Euro. Tatsächlich liegt der Preis seit | |
Jahren bei acht Euro. Um die finanzielle Hemmschwelle nun komplett zu | |
eliminieren und damit zukünftiges Stammpublikum anzufixen, wurde die | |
Flatrate eingeführt, zunächst befristet bis Ende 2018. | |
Die Erfahrungen würden wissenschaftlich ausgewertet, erklärt | |
Verwaltungsdirektor Jürgen Braasch. „Wir rechnen mit einem erhöhten | |
Publikumszuspruch und finanziell mit einem Minus.“ Bisher hätte man pro | |
Saison etwa 6.500 Studierende, vier Prozent der Besucher, als Ticketkäufer | |
begrüßen können und damit 52.000 Euro eingenommen. Jetzt gibt es pauschal | |
nur einmal 40.000 Euro im Jahr. | |
Deswegen hat sich auch die Staatsoper geweigert, mitzumachen. Etwa fünf | |
Prozent ihrer Besucher, gut 10.000, sind jährlich Studententicketkäufer, | |
was Einnahmen von 80.000 Euro ermöglicht. Auf die will die Opernleitung | |
nicht verzichten. | |
Die Flatrate selbst ist keine hannoversche Erfindung, sondern bundesweit | |
längst praktizierte Realität. In Mainz wurde damit bereits 2011 | |
experimentiert, 2013 folgten Bochum, Dortmund und Karlsruhe, ein Jahr | |
später auch Wuppertal, Krefeld/Mönchengladbach und Gießen. Inzwischen gilt | |
die Studentenflatrate auch in Chemnitz, Rüsselsheim, Ingolstadt, Detmold | |
und Essen. Zumeist ist es ein Euro, um den die zwischen 300 und 450 Euro | |
liegenden Semesterbeiträge dafür erhöht werden. | |
## Braunschweig feiert Erfolge mit der Flatrate | |
In Niedersachsen feiert Braunschweig große Erfolge mit der Flatrate. Wo sie | |
übrigens – wie an allen anderen Orten auch – für Oper, Schauspiel, Ballett | |
und Konzerte gilt. In der ersten Theaterflatrate-Saison 2016/17 kamen 8.600 | |
Studierende zu den Vorstellungen, in der Saison zuvor – ohne Flatrate – | |
waren es 1.700. Mit dabei sind die Technische Universität mit 20.000 | |
Studierenden, die HBK (1.000) und die Ostfalia (9.000). | |
Damit nicht alle nur umsonst ins Staatstheater strömen und auch freie | |
Theater, die von Eintrittsgeldern existenziell abhängig sind, davon | |
profitieren, verteilen die Asten der Löwenstadt die eingenommen 30.000 Euro | |
zu Teilen auch ans LOT-Theater und das Figurentheater Fadenschein, damit | |
die ebenfalls freien Eintritt anbieten können. Andernorts wird die | |
Befürchtung geäußert, das Flatrate-Dumping der hochsubventionierten Bühnen | |
wäre ein Vielfaltskiller für das örtliche Theaterangebot. | |
Erfolgreich funktioniert das Angebot auch in Osnabrück. Das Theater bekommt | |
jährlich je zwei Euro von 24.000 Studierenden. In der Spielzeit 2014/15, | |
vor der Einführung, besuchten 2.736 Studierende das Theater. „In der | |
Spielzeit 2016/17 wurden bereits 4.432 kostenlose Studententickets | |
ausgegeben“, erklärt Matthias Köhn, kaufmännischer Direktor der Bühne. | |
## In Bremerhaven profitieren 3.200 Studierende | |
Auch in Ministädten wird das praktiziert: In Bremerhaven profitierten 3.200 | |
Studierende seit dem Sommersemester 2014 davon. Zuvor wurden verkaufte | |
Studententickets gar nicht erfasst. Im ersten Flatrate-Semester wurden 435 | |
ausgegeben, inzwischen sind es 1.500 pro Spielzeit. | |
Seit 2014 bekommt die Landesbühne Nord von der Jade-Hochschule in | |
Wilhelmshaven 1.000 Euro pro Semester überwiesen, die sie dazu nutzt, allen | |
7.600 Studierenden freien Eintritt anzubieten. Das Angebot wird aber | |
jährlich nur 250 Mal genutzt – auch weil nur 1.300 der Studierenden in | |
Wilhelmshaven wohnen. | |
Und was wollen Studierende so sehen? Die Antworten sind erstaunlich | |
einheitlich: Am liebsten schauen sie Musicals, Komödien und | |
Schauspielklassiker. Nur in Braunschweig gibt es auch eine sehr große | |
Nachfrage nach Sinfoniekonzerten. | |
## Göttingen hat das Kulturticket seit 2012 | |
Zeitgenössische Werke, postdramatische Inszenierungsformate und Experimente | |
werden hingegen eher ignoriert. „Studierende suchen bekannte Namen, bei uns | |
gehen sie in ,Emilia Galotti’, ,Der Untertan’ und ,Ein Sommernachtstraum’, | |
auch die Familienstücke zu Weihnachten werden stark von Studierenden | |
frequentiert“, sagt Inge Matthes, Pressesprecherin des Deutschen Theaters | |
Göttingen. | |
Es profitierte als erstes niedersächsisches Theater von einer Flatrate. | |
Seit 2012 gibt es dort das Kulturticket, das für 29 Vereine und | |
Institutionen gilt und inzwischen 9,81 Euro pro Semester kostet. Zwei Euro | |
davon gehen an das Deutsche Theater – macht etwa 56.000 Euro pro Jahr. Vor | |
der Einführung des Kulturtickets wurden jährlich etwa 6.000 Studentenkarten | |
verkauft, seither sind es zwischen 9.500 und 12.000 kostenfreie Tickets pro | |
Saison. Für Nutzer und Anbieter: eine Win-win-Situation. | |
28 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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