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# taz.de -- Berlinale: „Adam“: Instantnudeln und Tinder
> Ein 20-Jähriger ringt mit sich und dem Schicksal seiner dementen Mutter:
> „Adam“ von der isländischen Regisseurin Maria Solrun.
Bild: Das Leben ist eine Zumutung: Still aus „Adam“
Es ist Sommer, und Adam, 20, ist allein. Wochenlang sitzt er in der
riesigen Altbauwohnung in Berlin-Neukölln, schaut aus dem Fenster und denkt
nach. Über das Leben. Über den Tod. Und über die Frage, ob er in den
natürlichen Kreislauf von Leben und Tod selbst eingreifen soll.
Adams Essen kommt aus dem Internet: Eine Riesenpackung Instantnudeln. Wenn
er gut drauf ist, übergießt er sie mit heißem Wasser, sonst ist er sie
einfach so, trocken, aus der Packung. Wird die Einsamkeit zu groß, versucht
er sein Glück auf Tinder. Oder er nimmt die Katze des Nachbarn mit in seine
Wohnung, bis ihn das schlechte Gewissen überkommt und er sie zurückbringt.
Adam vermisst seine Mutter, mit der er bis vor Kurzem zusammengelebt hat.
Um ihr nah zu sein, umklammert er eine Musikbox – wie ein Kind seinen
Teddy. Aus der Box schallt Techno. Den legte Adams Mutter auf, als es ihr
noch gut ging. Adam kann die Töne nicht hören, aber die Beats fühlen. Er
ist taubstumm.
Seine Mutter hat sich kaputtgefeiert, nun ist sie durch den vielen Alkohol
demenzkrank und in einem Pflegeheim. Als sie noch klar war, hat sie ihrem
Sohn das Versprechen abgerungen, ihr das Leben zu nehmen, sobald sie nur
noch vor sich hin vegetieren sollte. Nun ist es so weit, und Adam ist wie
gelähmt. Er verkriecht sich, denkt an Selbstmord.
## Unterschätzte Sektion
„Adam“ feierte soeben in der gemeinhin stark unterschätzten, als „Kinder-
und Jugendkino“ abgetanen Berlinale-Sektion Generation Premiere. Gedreht
hat den Film die isländische, in Berlin lebende Regisseurin Maria Solrun.
Mit einfachsten Mitteln: in ihrer eigenen Wohnung, größtenteils mit ihrem
eigenen Geld – und mit Freunden und Familie als Darstellern und Crew. Ihr
Sohn Magnus Mariuson spielt Adam; ihre Tochter hat die Musik gemacht.
Sicher ist es diese persönliche Note, die einen Teil des Charmes von „Adam“
ausmacht. Dass einem der Film so nahegeht, liegt aber sicher auch am
persönlichen Bezug Solruns zur Thematik: Ihre eigene Mutter war dement und
saß 14 Jahre im Rollstuhl, „Windeln tragend“, wie man dem Pressetext
entnehmen kann. Freunde hätten immer wieder gesagt, sie wären lieber tot
als in einem solchen Zustand. Das habe sie zu der Frage bewogen, was das
mit einem Kind macht, wenn ein Elternteil ihm die Pflicht auferlegt, ihn
von seinem Elend zu erlösen.
„Adam“ ist auch deshalb so berührend, weil der Film so leise und
unaufgeregt daherkommt. Da sind starke Bilder, wie zum Beispiel in der
Szene, als Adam seine Mutter aus dem Heim entführt und die vielen Treppen
zur Wohnung hochhievt – um sie wenig später schweren Herzens
zurückzubringen, weil sie desorientiert ist und weint.
Über große Strecken kommt der Film ohne Dialoge aus. Solrun erklärt, sie
möge „die Herausforderung eines Hauptdarstellers, der nicht viel spricht“.
In ihren Kurzfilmen spart sie Dialoge ganz aus. Adams Gedanken werden hier
allerdings teilweise durch ein Voice-over vermittelt.
Bemängeln könnte man die recht konventionelle Konfliktlösung: Adam findet
einen Ausweg in der – Überraschung – Liebe. Die ist dafür alles andere als
perfekt: Sein Tinder-Date Vanessa hätte ihn zunächst fast abserviert, weil
er verschwiegen hatte, dass er taubstumm ist. Dann ist sie auch noch
schwanger von einem anderen. Also Happy End ja, aber erträglich dosiert.
24 Feb 2018
## AUTOREN
Lea Wagner
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Demenz
Drama
Tinder
David Wagner
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Franz Rogowski
Ambient
Schwerpunkt Berlinale
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