# taz.de -- Konkurrenz beim SPD-Vorsitz: Flensburgs Chefin will kandidieren | |
> Die Oberbürgermeisterin Simone Lange will gegen Andrea Nahles ins Rennen | |
> gehen und der Basis eine Stimme geben. Die Parteilinke fordert eine | |
> Urwahl. | |
Bild: Vor lauter Nahles treten die SPD-Mitglieder in den Hintergrund. Jetzt abe… | |
BERLIN/FLENSBURG dpa | Die Pläne der SPD-Spitze zur raschen Übergabe des | |
Parteivorsitzes an Andrea [1][Nahles] stoßen intern zunehmend auf | |
Widerstand. Nachdem die Parteilinke eine Urwahl gefordert hatte, gibt es | |
jetzt auch rechtliche Bedenken gegen eine kommissarische Übernahme des | |
SPD-Vorsitzes durch Nahles. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone | |
Lange kündigte zudem am Montagabend überraschend ihre Kandidatur für den | |
SPD-Bundesvorsitz an. | |
„Ich werbe für eine Basiskandidatur und möchte den Mitgliedern wieder eine | |
Stimme geben und sie an diesem Entscheidungsprozess ernsthaft beteiligen“, | |
begründete die 41-Jährige ihren Schritt in einem Schreiben an den | |
Bundesvorstand, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Sie wolle den | |
Mitgliedern wieder das Gefühl geben, „dass sie es sind, die die Stimmung | |
und die Richtung der Partei bestimmen“, schrieb Lange, die seit 2003 | |
SPD-Mitglied und seit dem 15. Januar 2017 Oberbürgermeisterin in Flensburg | |
ist. | |
Präsidium und Vorstand der Sozialdemokraten wollen am Dienstagnachmittag | |
über das weitere Vorgehen beraten. Erwartet wird, dass der bisherige | |
Vorsitzende Martin Schulz dort seinen sofortigen Rückzug verkünden wird. | |
Die Spitzengremien könnten dann beschließen, Nahles zur kommissarischen | |
Parteichefin zu ernennen. Sie müsste dann binnen drei Monaten formal bei | |
einem Parteitag gewählt werden. Die Bundestagsfraktionschefin wäre die | |
erste Frau an der SPD-Spitze. | |
Dieser Plan stößt aber auch rechtlich auf Bedenken. Der Vorsitzende der | |
Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen in der | |
SPD zeigte sich irritiert. Es wundere ihn, dass Nahles „sofort, wenn auch | |
nur kommissarisch, den Parteivorsitz übernehmen will“, sagte Harald | |
Baumann-Hasske der Welt. „Dafür gibt es satzungsmäßig keine Grundlage, dies | |
ist in unseren Statuten nicht vorgesehen.“ | |
Nahles könnte „Entscheidungen von großer Tragweite“, etwa zu den | |
Parteifinanzen, „auf dieser Basis keinesfalls treffen“. Der Rechtsanwalt | |
sagte der Welt weiter: „Die SPD-Führung will jetzt Geschlossenheit erzeugen | |
und dabei auf die üblichen Vertretungsregelungen für den Vorsitzenden | |
verzichten, obwohl es sechs stellvertretende Vorsitzende gibt.“ | |
## In Berlin formiert sich Widerstand | |
Auch in der Berliner SPD formiert sich Medienberichten zufolge Widerstand. | |
Nach Informationen des rbb war der Landesvorstand am Montagabend nahezu | |
einhellig der Auffassung, dass zunächst einer der Stellvertreter von Schulz | |
die Partei führen sollte. Dies sei kein Votum gegen Nahles. Es sollten aber | |
vor einem möglichen Parteitag keine Tatsachen geschaffen werden, berichtete | |
auch die Berliner Morgenpost. | |
Schulz hatte zunächst angepeilt, sich erst nach dem SPD-Mitgliederentscheid | |
über den Eintritt in eine weitere große Koalition von der Parteispitze | |
zurückzuziehen und an Nahles zu übergeben. Nötig wird der schnellere | |
Wechsel, weil die Personalquerelen um Schulz drohen, die Befragung zu | |
überlagern. Schulz hatte nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit | |
der Union – entgegen vorheriger Aussagen – angekündigt, er wolle | |
Außenminister in einem schwarz-roten Kabinett werden und den Parteivorsitz | |
abgeben. Auf großen Druck hin erklärte er aber kurz darauf seinen Verzicht | |
auf den Ministerposten. | |
Der Parteienforscher Oskar Niedermayer hält es für „definitiv besser, wenn | |
erst mal einer der Stellvertreter kommissarisch die Amtsgeschäfte von | |
Martin Schulz übernehmen würde“. Der Frankfurter Rundschau sagte er, Schulz | |
und der Vorstand hätten viel von der Erneuerung der Partei gesprochen. | |
Dabei hätten sie immer wieder deutlich gemacht, dass es mehr | |
Mitwirkungsmöglichkeiten für die einzelnen Mitglieder geben solle – auch in | |
Personalfragen. „Jetzt wieder alles im kleinen Kreis auszumachen und einem | |
Parteitag die Lösung einfach nur vorzusetzen, das erzeugt großen Unmut an | |
der Basis. In Zeiten des Mitgliedervotums sei dies „brandgefährlich“, so | |
Niedermayer. | |
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer unterstützte die mögliche | |
Ernennung von Nahles. „Die SPD kann nicht führungslos bleiben. Es war | |
deshalb richtig, dass Martin Schulz den Vorschlag gemacht hat, dass Andrea | |
Nahles kommissarisch die Parteiführung übernimmt“, sagte Dreyer der | |
Deutschen Presse-Agentur. „Für ihre Bereitschaft, die SPD in dieser | |
schwierigen Zeit zu leiten, bin ich ihr dankbar, und ich bin sicher, dass | |
sie diese Aufgabe gut meistern wird.“ Die Parteitagsdelegierten würden dann | |
entscheiden, wer den SPD-Vorsitz dauerhaft übernimmt. Auch SPD-Vize-Chefin | |
Manuela Schwesig stärkte Nahles in der Rheinischen Post den Rücken. | |
Linken-Co-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sprach angesichts der | |
Personalie von einem „Offenbarungseid“. Sie kritisierte, die SPD brauche | |
keine „Weiter-so-Verwalterin, sondern eine inhaltliche Erneuerung“. Nahles | |
habe die faulen Kompromisse in den Koalitionsgesprächen mit ausgehandelt. | |
In der letzten Regierung habe sie als Ministerin zudem unter anderem dem | |
Boom von Leiharbeit und unsicheren Jobs zugesehen, sagte Wagenknecht der | |
Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie hielt Nahles zudem vor: „An den jüngsten | |
Personal-Chaostagen war sie an führender Stelle beteiligt.“ | |
13 Feb 2018 | |
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