# taz.de -- Berlinale-Standbild (Teil 7): Stehen, stehen, stehen … | |
> … und zwar nicht freiwillig in der Warteschlange: Unsere Autorin regt | |
> sich über willkürliche Schikanen der CineStar-Angestellten am | |
> Arbeitsplatz auf. | |
Bild: Am besten immer in Bewegung bleiben: Momentaufnahme auf der Berlinale 2018 | |
Was?? Sie wissen immer noch nicht, für welche Tickets Sie sich drei Tage | |
vor Ende der Berlinale schnell noch entscheiden sollen?? Da hätten wir eine | |
kleine Entscheidungshilfe parat: Kaufen sie für keinen Film Karten, der im | |
CineStar läuft. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat vor | |
Beginn der Berlinale in diesem Jahr die Arbeitsbedingungen der meisten | |
Berliner Spielstätten des Festivals überprüft. | |
Dabei lässt sie vor allem den Kinobetreiber CineStar durchfallen. In dessen | |
Kinos am Potsdamer Platz werden laut Verdi weder Gesundheitsschutz noch | |
demokratische Mitbestimmung besonders geschätzt – die Geschäftsführung | |
verweigere systematisch die Mitbestimmung der Betriebsräte und dränge diese | |
in permanente Rechtauseinandersetzungen bis hin zum Bundesarbeitsgericht. | |
Die Gewerkschaft kritisiert, dass die Mitarbeiter wegen personeller | |
Unterbesetzung überlastet seien und zwischen den Vorstellungen rennen | |
müssen, um die Kinos sauber zu bekommen. Das Schlimmste aber erinnert an | |
die Schilderungen von willkürlichen Schikanen am Arbeitsplatz, wie sie | |
Günter Wallraff in seinen berühmten Reportagen geschildert hat: Anders als | |
den Angestellten der Berlinale selbst sei es den Beschäftigten von CineStar | |
weder in der Gastronomie noch am Einlass erlaubt, sich während der | |
Arbeitszeit hinzusetzen. | |
## Stehen ist Folter | |
Nicht mal zwischen den Vorstellungen, wenn gerade gar kein Gast anwesend | |
sei. Von den Betriebsräten eingeforderte Stehhilfen und | |
Anti-Ermüdungsmatten seien von der Geschäftsführung in Lübeck abgelehnt | |
worden. | |
Jeder, der einmal in einem stehenden Beruf gearbeitet hat oder auch nur | |
jemanden kennt, der in einem stehenden Beruf arbeitet, weiß, wie zermürbend | |
stundenlanges Stehen sein kann. Es gibt kaum FriseurInnen, die als Teenager | |
diesen Beruf erlernt haben und ihn physisch durchhalten, bis sie 65 sind – | |
und FriseurInnen laufen wenigstens noch zwischen ihren KundInnen hin und | |
her und setzen sich hin und wieder auf eine Zigarette oder einen Kaffee vor | |
oder hinter den Laden. | |
Stehen kann Folter sein, wenn man dazu gezwungen wird – und nicht nur dann | |
und wann für ein paar Stunden freiwillig in der Warteschlange nach den | |
besten Tickets ansteht. Die Kinobetreiber von CineStar sollten gezwungen | |
werden, ihren Angestellten ab sofort goldene Regiesessel für den freien | |
Gebrauch hinzustellen. Und sie müssten ihnen Extraurlaub und eine | |
Dauerkarte für die nächste Berlinale spendieren. | |
22 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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