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# taz.de -- Berlinale-Standbild (Teil 8): Schönste Liebesgeschichte der Welt
> Auf dem Filmfestival läuft der Dokumentarfilm „Djamila“. Anlass, um über
> Tschingis Aitmatows und seine Romanheldin nachzudenken.
Bild: Denkmal für Tschingis Aitmatow in Bishkekischkek, Hauptstadt Kirgisistans
Djamila heißt die schönste Kellnerin in Ostberlin. Sie hat in der Kneipe
„Torpedokäfer“ einmal eine Ausstellung gehabt – mit allen Liebesbriefen,
auf Bierdeckeln, Notizzetteln, Visitenkarten und Servietten, die Männer an
der Theke ihr zugesteckt hatten. Neuerdings gibt es auch noch ein
Bild-„Busenwunder“ namens Djamila Rowe.
Der jetzt auf der Berlinale im FORUM gezeigte Dokumentarfilm heißt
[1][„Djamila“] – und bezieht sich auf die schöne Kirgisin „Djamila“ …
1969 und 1994 verfilmten Revolutionsroman von Tschingis Aitmatow aus dem
Jahr 1958. Der französische KP-Surrealist Louis Aragon nannte ihn „die
schönste Liebesgeschichte der Welt“.
Der Ehemann der jungen Titelheldin ist an der Front. Sie kennt ihn kaum,
verliebt sich in einen stillen Außenseiter, genauer: in dessen „alles
umfassende Liebe zum Leben und zur Erde“. Das Liebespaar bricht mit den
Konventionen, sucht das Weite. Auch der Ehemann haut ab und wird
Kunstmaler.
Der Roman und die Filme sind heute noch in Kirgistan bekannt. DiLeider
völlig leidenschaftslose französische Regisseurin Aminatou Echard befragte
jetzt für ihre Super-8-Doku kirgisische Frauen, was sie von dieser 60 Jahre
alten Sowjet-Emanzipationsgeschichte halten.
## Titelheldin aus Sowjetzeiten
Der Filmkritiker Alexander Reich schreibt: „So vertraut den alten
Dorfbewohnerinnen die Titelheldin aus Sowjetzeiten ist; die wenigsten
scheinen von ihr je eine besonders hohe Meinung gehabt zu haben. Es gibt
Ausnahmen, aber die Freiheit einer selbstgewählten Liebesbeziehung scheint
für die meisten nicht erstrebenswert. ‚Anständige Mädchen werden in ihrer
Straße verheiratet‘, sagt eine Frau, eine andere wagt davon zu träumen,
eines Tages mal nach Hause zu kommen und dort von anderen erwartet zu
werden. Zu Wort kommen auch Jungs, für die Stolz jederzeit vor Liebe geht –
sie würden eine wie Djamila im Namen Allahs töten.
In der Delphi-Kino-Bar erfuhr ich: Ähnlich urteilten die Dörfler schon über
ein von den Deutschen 1941 als Partisanin gehängtes sowjetisches Mädchen
namens „Soja“ in einer Berlinale-Doku über diese Heldin der Sowjetunion,
deren kurzes Leben bereits 1944 verfilmt wurde. Nach dem Krieg schrieb ihre
Mutter Ljubow Kosmodemjanskaja ein Buch über „Soja und Schura“ (Schura war
ihr Sohn, der an der Front gefallen war). Die Bewohner des Dorfes
Petrischtschewo, wo Schura ermordet wurde, meinten: Sie wurde nicht
unschuldig hingerichtet, sie hat Scheunen von Bauern angezündet (die für
die Partisanen Kollaborateure der Deutschen waren).
2008 veröffentlichte die Komsomolskaja Prawda Meinungen russischer
Prominenter über eine Heiligsprechung der Nationalheldin. Die Geschichte
ist flexibel, deswegen gibt es immer wieder neue Filme.
Hier alle [2][Termine]
23 Feb 2018
## LINKS
[1] https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film…
[2] https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film…
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Russische Literatur
Schwerpunkt Berlinale
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Wim Wenders
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