# taz.de -- Hamburger Symphoniker: Neuer Chefdirigent | |
> Mit Sylvain Cambreling übernimmt schon der zweite „Rentner“ in Folge das | |
> Chefdirigat der Hamburger Symphoniker. Seine Unaufgeregtheit könnte | |
> helfen. | |
Bild: Arbeitet mit den Ohren: Sylvain Cambreling | |
HAMBURG taz | Hamburgs drittbestes Orchester hat einen neuen | |
Chefdirigenten. Der Franzose Sylvain Cambreling wird ab Herbst die | |
Hamburger Symphoniker dirigieren, nach NDR-Elbphilharmonikern und | |
Philharmonischem Staatsorchester dritter Klangkörper am Platz. Er beerbt | |
Jeffrey Tate, der 2017 starb. | |
Interessant ist, dass Cambreling, bekannt für spannende Kooperationen mit | |
Regisseuren und brillante Kombinationen aus Klassik und Avantgarde, schon | |
der zweite Dirigent ist, der die Symphoniker im Rentenalter übernimmt. | |
Während Tate dort mit 66 Jahren angetreten war, ist Cambreling schon 69 und | |
hörte kürzlich „aus Altersgründen“ als Generalmusikdirektor der Stuttgar… | |
Oper auf. | |
Warum die Wahl auf einen betagten Dirigenten viel, sagen die Symphoniker | |
nicht. Es hätten sich „etliche Interessenten“ beworben, sagt Pressesprecher | |
Olaf Dittmann, „und mit Cambreling hat die Chemie am besten funktioniert“. | |
Das mag stimmen. Sein Gastauftritt im Oktober 2017, als er die Symphoniker | |
mit einem Tate gewidmeten Programm dirigierte, bekam gute Kritiken; die | |
Symphoniker schienen über sich selbst hinauszuwachsen. | |
Und wenn Cambreling, der Frankfurts Oper 1995 zum „Opernhaus des Jahres“ | |
machte, sagt, er freue sich auf den neuen Job, wirkt er kein bisschen müde. | |
Auch stört ihn nicht, dass er „nur“ das Residenzorchester der Laeiszhalle | |
übernimmt und nicht das der Elbphilharmonie. | |
Die Laeiszhalle habe eine „wunderbar warme Akustik“, sagte er bei seiner | |
Präsentation am Sonntag, und man spürte: Dieser Mann muss sich nicht mehr | |
profilieren, und vielleicht ist diese Gelassenheit, das „kontinuierliche | |
Arbeiten“; das er verspricht, genau richtig für die Symphoniker. | |
Denn auch wenn Cambreling es diplomatisch formuliert: Natürlich weiß er, | |
dass Posaunen, und Schlagwerk oft zu laut spielen. „Bei den tiefen Stimmen | |
muss man aufpassen“, sagt er. Die Musiker müssten „mit den Ohren arbeiten�… | |
– weshalb er die Posaunisten auffordere, gerade an lauten Stellen auf die | |
Piccolo-Flöten zu achten. | |
Cambreling weiß, wovon er spricht, hat er doch vor seiner | |
Dirigentenkarrieren Posaune und Bass studiert. Er weiß, was er will, „aber | |
es ist nicht mein Ziel, Macht auszuüben oder autoritär aufzutreten“. Die | |
fachliche Autorität erweise sich dann von selbst. | |
## Therapeutischer Effekt | |
Etwas konservativ klingt es allerdings, wenn er findet, Musik müsse vor | |
allem Emotionen transportieren. „Es ist wichtig, dass wir wieder lernen zu | |
fühlen: Was ist Wildheit, was ist Trauer, was ist Glück.“ Musik müsse | |
glücklich machen, „und sie hat einen therapeutischen Effekt – auch für | |
mich“, sagt er. | |
In solchen Momenten wirkt Cambreling weniger politisch als Vorgänger Tate, | |
der Benjamin Brittens „War Requiem“ zum Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten | |
Weltkriegs aufführte – und sich selbst trotzdem mangelndes politisches | |
Engagement vorwarf. | |
Cambreling fokussiert anders: „Natürlich hat Musik eine politische | |
Dimension“, sagt er. Menschen verändern könne man aber am ehesten durch | |
gemeinsame Momente der Harmonie. | |
19 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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