| # taz.de -- Jugendliche in Grönland: Rauchen, Dosenschießen, Eisfischen | |
| > Wie leben Jugendliche in Grönland, wo selbst die Sonne keine Kompromisse | |
| > macht? Die Fotografin Verena Brüning ging auf die Suche. | |
| Bild: Bibi Mikaelsen beim Dosenschießen | |
| Qaammaqqivaar, das heißt sowohl Sonnenaufgang als auch | |
| Sonnenuntergang. So hat es ein Jugendlicher erklärt, als die Fotografin | |
| Verena Brüning fünf Wochen lang im Osten von Grönland war. Ein Wort, zwei | |
| Bedeutungen – „Das fand ich sehr bezeichnend für diese Generation, die | |
| irgendwie auf der einen und auf der anderen Seite steht.“ | |
| Qaammaqqivaar, so lautet deshalb auch der Titel ihrer Arbeit. Brüning | |
| reiste im März und April nach Grönland, trotz beginnenden Frühlings waren | |
| die Tage ähnlich kurz wie bei uns im Winter – gegen sechs Uhr abends wurde | |
| es dunkel. Zwischen Juni und August allerdings geht die sogenannte | |
| Mitternachtssonne nie unter. | |
| Hell, dunkel, drinnen, draußen, fremd, vertraut. Diese Gegensätze waren es, | |
| die Brüning anzogen. Vor Ort entschied sie, ihren Fokus nicht auf häufig | |
| thematisierte Probleme wie Alkoholismus, Gewalt und die hohe Suizidrate zu | |
| richten, sondern ihren Blick in eine mögliche Zukunft schweifen zu lassen | |
| und deren Protagonisten zu zeigen. | |
| Als „Generation in der Schwebe“ beschreibt die Fotografin die Jugendlichen, | |
| die im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen. Viele lehnen die Traditionen der | |
| Eltern ab, gleichzeitig sind die Familienbande sehr eng. Auf der einen | |
| Seite hören die Teenager westliche Musik und nutzen Facebook, „auf der | |
| anderen Seite leben sie dieses Leben, das unserem so unglaublich fremd ist. | |
| Das Spannende ist, zu sehen, wie sie damit umgehen.“ | |
| Damit die Rituale nicht in Vergessenheit geraten, organisiert die Schule | |
| etwa Ausflüge wie gemeinsames Eisfischen. Eine der Traditionen, die sich | |
| langsam auflösen. Denn ein Ende setzen nicht nur die sich ändernden | |
| klimatischen Bedingungen, sondern auch der Fakt, dass man vom Ertrag der | |
| Jagd nicht leben kann. Das größte Problem vor Ort: kaum Arbeitsplätze, | |
| wenige Perspektiven. Wer eine weiterführende Schule oder Universität | |
| besuchen will, muss seine Heimat verlassen. „Die meisten wollen nicht weg, | |
| aber auf meine Frage ‚Was willst du denn machen?‘ waren alle sehr ratlos.“ | |
| Vielleicht liegt es daran, dass sich selbst die Sprache in diesem Land | |
| nicht so recht festlegen kann. Viele Erwachsene sprechen dänisch – Grönland | |
| wurde erst 1979 autonom –, viele Kinder nicht. Englisch beherrschen längst | |
| noch nicht alle. Und die Ostgrönländer lernen die Amtssprache | |
| Westgrönländisch in der Schule, da Ostgrönländisch eine rein gesprochene | |
| Sprache ist – ohne Lexikon oder klare Definitionen. | |
| Qaammaqqivaar, behauptete schließlich jemand anderes, sei ein Ausdruck, der | |
| gar nicht existiert. Ein Wort, keine Bedeutung? Auf jeden Fall das: eine | |
| Sprache, ein Land, eine Generation in der Schwebe. | |
| 19 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Stegemann | |
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