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# taz.de -- Deutsche Erfolge bei Olympia: Goldiges Wunderland
> Doping war gestern. Neun Goldmedaillen versetzen deutsche Sportfans in
> einen Rausch. Das System Leistungssport ist immun gegen Krisen.
Bild: Und wieder Gold! Wir sind Wintersport
Mit Gold geht gerade irgendwie alles. Gold-Laura, Gold-Wellinger,
Rodel-Gold, Gold-Flut oder wie die Bild-Zeitung nach fünf Wettkampftagen
die olympische Lage aus nationaler Sicht zusammenfasste: „Goldschland“.
Und die Erfolgsmeldungen rissen am Donnerstag nicht ab. [1][Das „Goldpaar
auf Eis“ besserte in den Morgenstunden die deutsche Bilanz weiter auf.] Die
eingebürgerte Ukrainerin Aljona Savchenko und der eingebürgerte Franzose
Bruno Massot ließen nicht nur die Herzen der deutschen Sportfunktionäre
höher schlagen. Und am frühen Nachmittag fuhr die deutsche Rodelstaffel mit
Natalie Geisenberger, Johannes Ludwig und die Doppelsitzer Tobias
Wendl/Tobias Arlt die bereits eingeplante neunte Goldmedaille ein.
Deutschland ist – befeuert von den TV-Kommentatoren, die ihr teuer
erstandenes Produkt anpreisen – im Wintersporttaumel. Dass Dagmar Freitag,
die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, [2][just in dieser Zeit
im Deutschlandfunk daran erinnerte], es gäbe auch alternative Lesarten des
Medaillenspiegels, die Anzahl der gewonnenen Medaillen könnten etwa in
Bezug zur Größe der Gesamtbevölkerung gesetzt werden, zeigte nur eines:
SPD-Vertreter haben derzeit nicht gerade ein feines Näschen für Stimmungen
im Lande. Von der maßlosen Kommerzialisierung der Spiele, der
Korruptionsanfälligkeit ihrer Funktionäre und der Betrugsanfälligkeit der
Athleten mag derzeit niemand etwas wissen.
Dabei ist das Phänomen hinlänglich bekannt – es ist eine alte
Sepp-Blatter-Weisheit. Der frühere Fifa-Präsident sagte einst vor einem
WM-Turnier zu den großen Unruhen im Vorfeld: „Wenn der Ball rollt, wird das
aufhören.“
„Einfach wunderbar“, flötete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
bereits am ersten Wettkampftag in Pyeongchang nach dem Goldmedaillengewinn
von Andreas Wellinger im Skispringen. Seitdem ist Tag für Tag aus deutscher
Sicht alles einfach wunderbar. Und im heimischen Wunderland blühen in
dieser Stimmungslage wieder erstaunliche Träume auf.
Allen abgeschmetterten olympischen Bewerbungsversuchen zum Trotz schlug
Altbundeskanzler Gerhard Schröder eine erneute Olympiakandidatur
Deutschlands vor. Berlin soll wieder die Sommerspiele ausrichten. Und für
das Bewerbungsverfahren hat er, der vor Ort von der Vorgehensweise der
südkoreanischen Gastgeber ganz verzaubert ist, gleich einen Ratschlag
parat: Besser nicht die Bevölkerung darüber abstimmen lassen.
Was jedoch momentan ein wenig untergeht in der allgemeinen Euphorie der
Medaillenzähler: Vor vier Jahren bei den Winterspielen in Sotschi führten
die Deutschen den Medaillenspiel gar noch nach dem elften Wettkampftag an.
Weil dann in der zweiten Woche kaum noch etwas dazukam, tauchten in den
Bilanzen häufig Wörter wie Desaster, Fiasko und Enttäuschung auf.
## Leistungssport ist den Deutschen jede Menge Wert
In den Köpfen der Sportfunktionäre reifte die Grundüberzeugung heran, dass
es so nicht weitergehen kann mit Team Deutschland. Bestärkt von der
schlechten Medaillenausbeute soll nun eine Leistungssportreform auf den Weg
gebracht werden, um bei den großen internationalen Leistungsschauen wieder
nationale Stärke demonstrieren zu können.
Noch ist diese Reform nur ein Vorhaben, das von der nächsten
Bundesregierung umgesetzt werden soll. Deutlich mehr Mittel sollen
bereitgestellt werden, versicherte der noch amtierende Bundesinnenminister
Thomas de Maizière vor den Winterspielen.
Die schlechten Ergebnisse dienten bislang als Argument, dass wieder mehr
investiert werden muss. Sollte das deutsche Team bei den aktuellen
Winterspielen ihre Erfolgsserie in der zweiten Woche fortsetzen, muss aber
niemand mit Kürzungen rechnen. Denn was wäre das für ein Zeichen?
Goldmedaillengewinne mit zusammengestrichenen Budgets zu sanktionieren. Im
Gegenteil, Rodel-Bundestrainer Norbert Loch nutzte die Gunst der Stunde, um
auf die zu geringen Gehälter hinzuweisen. Deutsche Trainer würden zunehmend
von anderen Ländern abgeworben werden.
Die staatliche Subventionierung des Leistungssports in Deutschland hat sich
längst verselbstständigt. Unabhängig von Erfolgen wird der Etat immer
weiter aufgestockt. Insbesondere die medaillenstarken Sportarten werden mit
den Reformvorhaben davon profitieren. Der Leistungssport und ein guter Rang
in der Medaillenwertung ist nicht nur den Deutschen jede Menge Wert. Daran
werden verpasste Goldmedaillen oder Dopingskandale nichts ändern. Das
Leistungssportsystem ist immun gegen Krisen.
15 Feb 2018
## LINKS
[1] /Olympische-Winterspiele/!5485073
[2] http://www.deutschlandfunk.de/politische-medaillen-in-pyeongchang-die-sport…
## AUTOREN
Johannes Kopp
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Pyeongchang
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