# taz.de -- Olympische Winterspiele: Goldpärchen auf Eis | |
> Das deutsche Paar kämpft sich famos durchs Programm – und holt den | |
> Olympiasieg. Tränen fließen. Und: Das Große geht weiter. | |
Bild: Platz 1: Aljona Savchenko und Bruno Massot | |
GANGNEUNG taz | Nach vier Minuten und 35 Sekunden verstummte die Musik „la | |
terre vue du ciel“ von Armand Amar. Jubel brandete los. Aljona Savchenko | |
sank zu Boden, blieb auf dem kalten Eis liegen wie auf einer warmen Decke. | |
Sie suchte die Nähe zu ihrem Element, ein wenig erschöpft von der Kür, aber | |
auch zutiefst ergriffen von der eigenen Leistung. Neben ihr Bruno Massot, | |
dessen Gesicht glühte vor Glück. Das deutsche Paar hatte sich famos durchs | |
Programm gekämpft. „Wir wollten wie ein Tiger attackieren“, erklärte | |
Savchenko hinterher. | |
Alles hatte funktioniert: der dreifache Toeloop, die Sprungkombination mit | |
dem dreifachen Salchow als Entree, die Todesspirale, der geworfene | |
dreifache Flip und auch die Hebefigur Axel-Lasso. Da ist so ein bisschen | |
Theatralik schon mal angebracht. Und wer weiß? Vielleicht lassen sich die | |
Kampfrichter ja auch vom Zelebrieren der eigenen Leistung beeindrucken. Die | |
Jury bewertete ihre Show mit noch nie da gewesenen 159,31 Punkten. In der | |
Addition mit dem Ergebnis des leicht verpatzten Kurzprogramms standen | |
235,90 Punkte an der Anzeigetafel. Aber was war das wert? Drei Paare | |
mussten ja noch laufen in der Arena von Gangneung. | |
Die Deutschen zitterten und bangten. Aljona Savchenko, 34, und Bruno | |
Massot, 29, nach dem Kurzprogramm nur auf Platz vier, mussten im | |
sogenannten Green Room, der wie alles in der Halle violett ausstaffiert | |
war, mitansehen, wie die Konkurrenz versuchte, an ihnen vorbeizuziehen. | |
Zuerst die Kanadier Meagan Duhamel und Eric Radford, dann das chinesische | |
Paar Sui Wenjing und Han Cong. Und schließlich die Russen Jewgenia Tarasowa | |
und Wladimir Morossow. Aber nur die Chinesen kamen ihnen gefährlich nahe, | |
bis auf 0,43 Punkte. | |
Fassungslosigkeit im Green Room: Das deutsche Paar hatte es geschafft. | |
Olympiasieger von Pyeongchang. Tränen flossen. Eine Umarmungsorgie begann. | |
Für die Siegerehrung mussten beide ihre verheulten Gesichter mit | |
Feuchttüchern herrichten. Und vorm Podium war es dann der kräftige Bruno | |
Massot, der die kleine Aljona Savchenko wie ein Paket aufs oberste Stockerl | |
hob: Lieferung zugestellt. | |
## Kleine Rachegöttin auf Schlittschuhen | |
Massot als Glücksbote, das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn am Vortag | |
schien es noch, als scheitere der gebürtige Franzose an sich selbst. Er | |
hatte im Kurzprogramm den dreifachen Salchow nur zweifach gedreht und damit | |
die Mission Gold gefährdet. Er war untröstlich. „Ich habe vier Jahre | |
trainiert, und dann mache ich so einen lächerlichen Fehler“, hatte er | |
gesagt, damit aber seine Partnerin nicht besänftigen können. Die war sauer, | |
wollte sie doch nach zwei olympischen Bronzemedaillen endlich, endlich Gold | |
gewinnen. Und dann das! | |
Savchenko erinnerte sich wohl an ihren früheren Partner Robin Szolkowy, dem | |
sie Patzer auch nur schwer verzeihen konnte. Immer wieder trat sie als | |
Megaira in Erscheinung, als kleine Rachegöttin auf Schlittschuhen. Ob sie | |
Bruno Massot nach dessen Fauxpas trösten wolle, wurde sie am Mittwoch | |
gefragt. Ihre leicht schnippische Antwort: Das müsse der schon selber | |
machen. Dann sagte sie: „Vielleicht wird morgen eine neue Geschichte | |
geschrieben, der Wettkampf ist ja noch nicht zu Ende.“ Man wolle | |
attackieren. Das klang nach Durchhalteparole, hatten die Chinesen doch nach | |
dem Kurzprogramm einen Vorsprung von sechs Punkten. Uneinholbar, oder? | |
Geknickt ging es ins Olympische Dorf, wo Trainer Alexander König am | |
Mittwochabend ein Meeting ansetzte, das anscheinend viel in Gang gesetzt | |
hat, jedenfalls erwachte Aljona Savchenko Donnerstag früh um 5.30 Uhr und | |
wusste sofort, dass „heute Geschichte geschrieben werden kann“. Etliche | |
Stunden später war klar, dass die gebürtige Ukrainerin richtig lag. Und | |
weil die Emotionen sie immer wieder aufs neue beutelten und schüttelten, | |
brach sie auch in der Mixed Zone vor der deutschen Presse in Tränen aus. | |
„Manche brauchen fünf Anläufe …, das ist meine Geschichte…“, sagte si… | |
kam nicht weiter, weil die Tränen wieder rannen. „Das ist mein Moment, das | |
ist mein Jahr.“ Erfüllungsgehilfe Massot stand daneben wie ein Kind, das zu | |
Weihnachten reich beschenkt wurde. „Wir haben bewiesen, dass wir | |
zurückkommen können“, assistierte er. | |
## Der erste Paarlauf-Olympiasieg seit 66 Jahren | |
Für Deutschland ist dieser Paarlauf-Olympiasieg der erste seit 66 Jahren, | |
seinerzeit hatten Ria Baran und Paul Falk in Oslo triumphiert. Coach König | |
war das schnuppe, er wunderte sich nur über das komische Glücksgefühl im | |
Hier und Jetzt: „Man hat gar keinen Boden unter den Füßen, man schwebt so | |
ein bisschen.“ Der Berliner hat das Paar in Oberstdorf trainiert. Sie haben | |
sich alle zusammenraufen müssen. „Vor dreieinhalb Jahren hätte ich gesagt: | |
Menschenskinder, wir schaffen es vielleicht nicht ganz bis nach oben. | |
Selbst wenn du zwei gute Athleten zusammentust, hast du nicht die Garantie, | |
dass es gleich gut wird. Das braucht seine Zeit.“ | |
Bruno Massot hat eine Extraportion Athletik in die neue Beziehung | |
eingebracht. König, früher selber Paarläufer, spricht von „neuen | |
Dimensionen“ in der Artistik. „Wie der Bruno die Aljona zum Beispiel beim | |
Twist oben raus schmettert, fast bis unters Hallendach, das ist | |
spektakulär.“ Aber mit reiner Kraft kommt man im Eiskunstlauf nicht weit, | |
weswegen sich das deutsche Paar von der britischen Eistanz-Legende | |
Christopher Dean beraten ließ. | |
Sie haben voneinander gelernt, sich im Lauf der Zeit immer besser | |
abgestimmt. Und Glück hatten sie auch: Nicht nur, dass Aljona Savchenkos | |
Knöchel hielt und bei Bruno Massot der Rücken, sie wurden auch von einer | |
wohlwollenden Jury ein wenig protegiert. Vergessen sind nun all die | |
versemmelten Deutschtests zur Einbürgerung des Franzosen und die jahrelange | |
Quälerei in der Eishalle. Ein Olympiasieg ist der Firniss über den Unbilden | |
der Vergangenheit. | |
„Ihre Power und seine Power haben eine Doppelpower ergeben, und deswegen | |
ist so etwas Großes entstanden“, sagt Coach Alexander König. Das Große geht | |
weiter. Das Paar will mehr. Ende März ist WM in Mailand. | |
15 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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