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# taz.de -- Olympische Spiele in Südkorea: Klatschen, tanzen, winken
> Das vereinte koreanische Eishockeyteam ist gegen die Schweiz chancenlos.
> Dafür gibt es eine Politsport-Inszenierung erster Güte.
Bild: Auch dabei: Cheerleader für das nordkoreanische Team
Gangneung taz | Der Norden marschierte eine halbe Stunde vorm ersten Bully
ins Eishockeystadion von Gangneung ein. Die etwa 250 Frauen in roten
Trainingsanzügen taten das zackig im Gleichschritt. Sie nahmen die Arena im
Sturm, könnte man sagen, ohne größeren Widerstand, denn die südkoreanischen
Fans, die schon da waren, jubelten den Nordkoreanerinnen zu, jedenfalls die
meisten, sie schwenkten ihre Fähnchen, die Vereinigungsflagge und die
südkoreanische Flagge, fifty-fifty verteilt.
Die freundlichen Okkupanten aus dem Norden hatten jeweils einen Beutel mit
Utensilien für ihre Winke-winke-Performance dabei. Begleitet wurde die
Jubeltruppe aus dem Reich des Kim Jong Un von etlichen Männern in langen
weißen Anoraks. Sie sollten offensichtlich auf das Cheerleader-Kollektiv
aufpassen. Die Delegation schnappte sich die besten Plätze in der gar nicht
mal ausverkauften Halle und zog fortan ihre Show ab. Sie klatschten und
tanzten und winkten und schunkelten. Natürlich immer im gleichen Rhythmus.
Sie animierten das Publikum mit Rufen wie „Korea, nur zusammen sind wir
stark“. Zum Spiel der Mannschaft da unten auf dem Spielfeld passte es so
gar nicht.
Das Team, in dem Spielerinnen aus beiden Koreas, aus dem autoritären
Operettenstaat und der wirtschaftsmächtigen Demokratie, im Sinne der
Völkerverständigung kurz vor den Winterspielen zusammengemixt worden waren,
hatte in der Partie gegen die Schweiz nicht den Hauch einer Chance. Das
vereinigte Korea ging unter. Mit 0:8. Nur einen Lattentreffer bekamen sie
hin. Ein böses Omen für den politischen Prozess der Annäherung? Wohl kaum,
denn es war nicht zu erwarten gewesen, dass die schlittschuhtechnisch und
auch sonst viel besseren Eidgenossinnen zurückstecken würden, nur weil es
hier um eine höhere Sache geht, um ganz große Weltpolitik, die in der
olympischen Welt des IOC nichts verloren hat. Eigentlich.
Thomas Bach machte indes munter mit bei der Politsport-Inszenierung, die
nicht selten auch propagandistische Züge trägt; zumindest der Norden gibt
in dieser Hinsicht die Schlagzahl vor. Bach ließ es sich nicht nehmen, an
diesem „sporthistorischen Ereignis“ teilzunehmen. Der Obersportler saß
gleich neben der nordkoreanischen Delegation mit Kim Yo Jong, der Schwester
von Atombomben-Kim, und Delegationschef Kim Yong Nam. Auch SPD-Altkanzler
Gerhard Schröder war mit seiner südkoreanischen Frau da.
Er hatte wohl auch ein Auge für Kims Schwester, denn die mausert sich in
Südkorea zum heimlichen Star der Spiele. Die südkoreanischen Medien widmen
sich ihr jedenfalls obsessiv. Das Land ist fasziniert von ihrem kühlen,
leicht herablassenden Charme. Man sieht sie im Fernsehen in Endlosschleifen
in ein Gebäude gehen. Oder sie tritt, zigmal wiederholt, in einen
Verhandlungsraum, wo sie dann Südkoreas Staatschef Moon Jae In die Hand
schüttelt. Besonders im Fokus: ein blaues Mäppchen, das sie trug und in dem
sich angeblich die Einladung an Moon befunden haben soll, doch bald mal in
den Norden zu Atombomben-Kim zu kommen.
Die Einladung wurde wohl doch mündlich ausgesprochen, aber egal, die
Aufregung ist groß, und so ein bisschen befinden sich die Koreaner im
Vereinigungstaumel. Da stört dann natürlich so ein politischer Hardliner
wie US-Vizepräsident Mike Pence, der in Südkorea als Partycrasher auftrat.
Gespräche oder gar ein Dinner mit den Nordkoreanern? Nicht mit Mike. Und
auch Japans Premier Shinzo Abe mahnte, man solle doch bedenken, dass es
noch den gefährlichen Atombomben-Kim und dessen
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom gebe.
Kim Changkeum kann dem Prozess der Annäherung indes einiges abgewinnen. Er
arbeitet für die linkslastige Zeitung Hankyoreh, die in Seoul erscheint. Er
sitzt beim Eishockeyspiel neben der taz und sagt: „Es müsste in Südkorea
mehr linke Zeitungen geben, weil die vielen konservativen in den
vergangenen Wochen eher gegen das vereinte Eishockeyteam geschossen haben.“
Aber langsam änderten auch die ihre Meinung, der Knackpunkt sei das
Testspiel gegen Schweden (1:3) gewesen.
Es sind eher die älteren Südkoreaner, sagt er, die die Vereinigung wollen,
„die jüngeren haben diese Perspektive aus den Augen verloren, sie werden
vom extrem kompetitiven Alltag in Südkorea aufgefressen. Sie denken
vielleicht daran, wie sie den nächsten 16-Stunden-Arbeitstag überstehen,
aber nicht, wann der Norden und der Süden zusammenkommen.“ Kim Changkeums
Vater ist Nordkoreaner, er hat also Verwandtschaft im Norden, doch er weiß
nichts von ihr. Wie das alles ausgeht? Er weiß es nicht. Der Schreiber hat
nur eine vage Hoffnung, die er zum Leitmotiv umformt: „Nur eine ungeteilte
Nation ist eine normale Nation.“
## „Zusammen sind wir stärker“
Reibungslos funktionierte auch die Vereinigung auf Schlittschuhen nicht.
Zum Team der Südkoreanerinnen waren 13 aus dem Norden dazugekommen, aber
nur drei von ihnen werden eingesetzt. Die Neuen wohnen separat, fahren im
eigenen Bus zu den Arenen, immerhin essen und trainieren sie gemeinsam. Sie
mussten feststellen, dass sie mehr trennt als nur eine etwas
„unterschiedliche Sport-Terminologie“, wie die Südkoreanerin Park Jong Ah
sagt.
Neben ihr sitzt ihre Kollegin aus dem Norden, Jong Su Huon, und die Presse
hört den beiden gebannt zu. Jong sagt, dass es ihr eine Ehre gewesen sei,
vor den politischen Führern Nordkoreas spielen zu dürfen. Was sonst. Aber
dann überrascht sie doch: „Es hat sich angefühlt, als ob ich im Himmel
spielen würde.“ Die Übersetzerin wird korrigiert. Neuer Anlauf also: „Es
hat sich angefühlt, als ob ich in meinem eigenen Land angetreten wäre.“
Vielleicht hatte sie wegen der Jubeltruppe Heimatgefühle. „Nichts hier hat
mich überrascht“, sagt sie dann. Gar nichts? Hm. Sie sagt das so cool und
ungerührt wie Kims Schwester, wenn sie in die Kameras schaut. Verdruckst
oder schüchtern sind sie nicht, die aus dem Norden. Sie machen sich nicht
klein.
Zum Schluss verkündet Jong noch eine Botschaft: „Zusammen sind wir stärker.
Es sollte nicht nur ein vereinigtes Team im Sport geben, sondern auch auf
anderen Gebieten.“ Ups, so politisch hätte sie eigentlich gar nicht werden
dürfen. Doch der Traum vom Wandel durch Annäherung könnte schnell wieder
vorbei sein. Das Team Korea wird aller Wahrscheinlichkeit nach ausscheiden.
Choi Ji Yeon, eine Spielerin aus dem Süden, vermutet, dass damit das Ende
der Sportdiplomatie besiegelt ist. „Ja, das war ein historisches Match“,
sagt sie, „aber es war wohl auch das letzte Turnier, wo so etwas möglich
war.“
11 Feb 2018
## AUTOREN
Markus Völker
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