| # taz.de -- Olympia 2022 ohne Nordkorea: Erscheinen ist Pflicht | |
| > Das Internationale Olympische Komitee suspendiert erstmals ein Land wegen | |
| > der Nicht-Teilnahme an den Spielen: Nordkorea. Recht so! | |
| Bild: Die Delegation Nordkoreas bei den olympischen Winterspielen 2018 in Pyeon… | |
| Bei den Spielen von Pyeongchang legte das Land, das sich euphemistisch | |
| [1][Demokratische Volksrepublik von Korea] nennt, kurz Nordkorea, bisweilen | |
| spektakuläre Auftritte hin. Beim Eishockey zum Beispiel marschierte eine | |
| 250 Frauen starke Formation aus dem Reich des Kim Jong-un in die Arena ein. | |
| Das erinnerte ein wenig an die Ouvertüre einer chinesischen Volksoper unter | |
| der Regie von Jiang Qing, Maos Frau. | |
| Die Darstellerinnen jubelten einem Team zu, das sich aus Spielerinnen aus | |
| dem Norden und dem Süden des geteilten Landes zusammensetzte. „Korea, nur | |
| zusammen sind wir stark“, wurde gerufen, und das klang, als würde der | |
| ideologische Beton, der in Pjöngjang angerührt wird und dort zu einem | |
| Monument der Weltferne aushärtet, ein wenig bröseliger. Man war gespannt, | |
| welche Inszenierung beim kommunistischen Nachbarn China anlässlich der | |
| Winterspiele von Peking im Februar zur Aufführung gelangt. | |
| Seit dieser Woche wissen wir: Nichts dergleichen wird geschehen. Das | |
| Internationale Olympische Komitee (IOC) hat das nordkoreanischen | |
| Olympiakomitee wegen der Nicht-Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen | |
| von Tokio suspendiert. Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der | |
| Olympischen Spiele. Seit 1999 gibt es eine entsprechende Regel ([2][27, | |
| §3]) in der Charta des IOC. | |
| Jedes NOC ist demnach verpflichtet, an den Spielen teilzunehmen und | |
| Athleten in die ausrichtende Stadt zu schicken. Nordkorea schob vor, seine | |
| Sportler vor den Folgen einer Corona-Infektion schützen zu wollen, dabei | |
| war das Hygienekonzept der Veranstalter in Tokio so strikt, dass man hätte | |
| denken können, es wäre im Hauptquartier von Kim Jong-un ersonnen worden. | |
| Beobachter mutmaßten vielmehr, dass es wieder einmal politische Gründe | |
| waren, die eine Rolle spielten. | |
| ## Im Schleudergang des Kalten Krieges | |
| Einerseits hatte Nordkorea wohl Angst vor Überläufern aus den eigenen | |
| Reihen, andererseits ist das Verhältnis beider Staaten von jeher belastet. | |
| Aber selbst wenn Kim Jong-un einen Ukas erlässt, hätten nordkoreanische | |
| Sportler theoretisch an den Spielen teilnehmen können. Das IOC ermöglicht | |
| das. Doch wie hätte das funktionieren sollen in einem autoritären Staat mit | |
| Dauerüberwachung? Da derartige individuelle Lösungen wohl nicht einmal in | |
| Erwägung gezogen wurden, ist der Ausschluss der Nordkoreaner nur | |
| konsequent. | |
| Vielleicht verfolgt das IOC auch einen erzieherischen Ansatz, denn gerade | |
| Nordkorea neigte in den vergangenen 60 Jahren dazu, die Teilnahme an den | |
| Spielen zu instrumentalisieren: Sie waren sommers 1984 in Los Angeles und | |
| 1988 in Seoul nicht dabei. Die Winterspiele besuchten sie noch seltener. | |
| Nur bei 8 der vergangenen 13 Ausgaben machten sie mit. | |
| Diese Art der Wankelmütigkeit möchte sich das IOC nicht mehr bieten lassen. | |
| Wer Mitglied ist, hat zu erscheinen, Punkt. Das ist etwas gebieterisch, | |
| aber das Olympiakomitee hat in der Vergangenheit auch einiges durchmachen | |
| müssen. Es befand sich im Schleudergang des Kalten Krieges – und hat davon | |
| noch immer ein Schwindelgefühl. Etliche Male wurden Olympische Spiele mit | |
| Boykotts überzogen. | |
| Aber auch das IOC schreckte nicht davor zurück, Länder oder Athleten | |
| auszuschließen. Die Kriegstreiber des Ersten Weltkrieges (Deutschland, | |
| Bulgarien, Österreich, Ungarn und die Türkei) durften 1920 nicht zu den | |
| Spielen, 1948 blieben Deutschland und Japan außen vor. 1963 sperrte das IOC | |
| Sportler, die an den „Games of the New Emerging Forces“ in Indonesien | |
| teilgenommen hatten (auch das NOC Indonesiens), später flogen die | |
| Apartheidstaaten Südafrika und Rhodesien raus. 2000 war Afghanistan wegen | |
| seiner Frauenpolitik weg vom Fenster, 2010 Kuwait wegen staatlicher | |
| Einmischung und später Russland wegen Dopings. | |
| So gesehen könnten Kims Körperkultler auf ewig gesperrt bleiben. | |
| 10 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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