| # taz.de -- Sulfat im Wasser: Da ist was im Fluss | |
| > Seit Jahren steigt die Sulfatbelastung der Spree, schuld ist der | |
| > Braunkohleabbau. Dessen Betreiber sollen nun zahlen – Frankfurt (Oder) | |
| > macht es vor. | |
| Bild: Hier ist zu viel Sulfat drin: harmlos aussehendes Trinkwasser | |
| Was Bergschäden sind, muss man Menschen aus dem Ruhrgebiet oder dem | |
| Saarland nicht erklären. In Berlin, wo niemand in der Erde nach Wertvollem | |
| schürft, dürfte der Begriff nicht so vielen vertraut sein. Es handelt sich | |
| um Risse in Gebäuden, Setzungen, eindringendes Wasser, lauter Dinge, die | |
| passieren, wenn im Untergrund über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte | |
| Hohlräume geschaffen wurden und das darüberliegende Gestein absackt. | |
| Dass die FWA, die Wasser- und Abwassergesellschaft der Stadt Frankfurt | |
| (Oder), nun plant, Investitionen in Millionenhöhe aus Ersatzleistungen für | |
| einen Bergschaden zu finanzieren, hört sich da erst einmal seltsam an, ist | |
| aber im Grunde naheliegend – genauso wie die Tatsache, dass Berlin im | |
| Zweifelsfall dasselbe versuchen könnte. Aber der Reihe nach. | |
| Seit Jahren steigt die Belastung der Spree mit Sulfat. Der Grund: Schwefel, | |
| der im Boden meist in mineralischer Form gebunden ist, kommt im | |
| Braunkohletagebau der Brandenburger und sächsischen Lausitz mit Sauerstoff | |
| in Kontakt. Das so entstehende Sulfat gelangt in den Fluss, wenn | |
| Grundwasser aus aktiven Gruben abgepumpt wird oder sich – im Fall | |
| aufgegebener und gefluteter Standorte – über den Kontakt mit | |
| Oberflächenwasser seinen Weg sucht. | |
| Sulfat ist nicht hochgiftig, aber in höheren Konzentrationen gilt es als | |
| gesundheitliches Risiko. Sehr jungen, sehr alten oder sehr empfindlichen | |
| Menschen kann das Salz auf die Verdauung schlagen. Daher gibt es einen | |
| gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser, dieser liegt bei 250 mg/l. | |
| Das Problem in unserer Region: Sowohl Berliner- als auch FrankfurterInnen | |
| trinken Spreewasser – jedenfalls indirekt. In Form des sogenannten | |
| Uferfiltrats fördern es die Pumpen des Wasserwerks Friedrichshagen am | |
| Müggelsee. Und in Briesen, von wo aus Frankfurt (Oder) zu großen Teilen | |
| versorgt wird, müssen die Wasserwerker das geförderte Grundwasser in | |
| gleichen Teilen mit Spree-Uferfiltrat ergänzen, da der Ertrag sonst nicht | |
| ausreichen würde. | |
| ## Die LEAG soll zahlen | |
| Weil die Sulfatmengen im Frankfurter Trinkwasser sich bedenklich auf den | |
| Grenzwert zubewegen und keine Besserung in Sicht ist, zieht die FWA nun die | |
| Reißleine: Der Aufsichtsrat hat vor wenigen Wochen beschlossen, ein für das | |
| frühere Frankfurter Halbleiterwerk gebautes und kaum genutztes Wasserwerk | |
| bei Müllrose für die Versorgung Frankfurts auszubauen. Zusammen mit einer | |
| neuen Leitung in die Oderstadt soll die Investition rund zehn Millionen | |
| Euro kosten – zahlen sollen die Akteure des Lausitzer Braunkohlebergbaus. | |
| „Wir können nicht mehr warten“, sagte FWA-Geschäftsführer Gerd Weber der | |
| Märkischen Oderzeitung, „wir müssen jetzt handeln, um die | |
| Trinkwasserqualität sicherzustellen.“ Schon seit vier Jahren verhandle der | |
| Versorger ergebnislos mit dem Land Brandenburg, der Vattenfall-Nachfolgerin | |
| LEAG und dem bundeseigenen Bergbausanierer LMBV, berichtet das Blatt. | |
| Letzterer sei es, der sich querstelle und die Verantwortung von sich weise. | |
| Gegenüber der taz bestätigte Weber den Plan, ließ aber offen, für wie | |
| aussichtsreich er ihn hält: „Wir werden ganz konkret die Schäden auflisten, | |
| die uns durch den Bergbau entstanden sind, und dann sehen, wie die Politik | |
| und die Verursacher reagieren.“ Wenn die nicht zahlen, werden die | |
| FWA-KundInnen künftig tiefer in die Tasche greifen müssen. | |
| Und Berlin? Hier ist die Lage noch nicht so dramatisch wie in Frankfurt, wo | |
| der Sulfatwert im Trinkwasser in den vergangenen Monaten bei bis zu 230 | |
| mg/l lag. Das Wasser aus dem Wasserwerk Friedrichshagen enthielt im | |
| Jahresmittel 2016 zwar schon 191 mg/l, aber noch bekommen die Berliner | |
| Wasserbetriebe (BWB) Spitzenbelastungen gut in den Griff, indem sie Wasser | |
| aus anderen Werken dazumischen. Ob das auf Dauer gut geht, ist die Frage – | |
| zumal ein Ende der Braunkohle nicht absehbar ist. | |
| Gerade erst hat sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer dafür | |
| ausgesprochen, dass die Kohleförderung und -verstromung noch Jahrzehnte | |
| dauern soll. „Irgendwann 2040 und später“ kann man seiner Meinung nach | |
| vielleicht auf den schmutzigen, aber billigen und heimischen Energieträger | |
| verzichten. | |
| ## Gefahr aus dem Ostsee | |
| Auch die rot-rote Brandenburger Landesregierung macht keine ernsthaften | |
| Anstalten, den Braunkohleausstieg einzuleiten. Aber die Sulfate gelangen ja | |
| sogar dort ins Wasser, wo gar nicht mehr gebaggert wird. Bei Cottbus soll | |
| in Kürze durch die Flutung eines stillgelegten Tagebaus der riesige | |
| „Ostsee“ entstehen – und auch diese Maßnahme wird sich über kurz oder l… | |
| im Spreewasser niederschlagen. | |
| Am 1. Februar trafen sich schon zum fünften Mal die zuständigen Berliner | |
| und Brandenburger Staatssekretäre zum „Sulfat-Dialog“. Die Ergebnisse, in | |
| wenigen Punkten zusammengefasst, lesen sich eher dürftig. Die | |
| „Immissionszielwerte“ – also die Werte, die man an festgelegten Punkten, | |
| etwa in Berlin-Rahnsdorf, misst – werden nicht angehoben, und man | |
| verspricht, gemeinsam alles zu tun, damit das auch künftig nicht nötig | |
| wird. | |
| Das kann so aussehen, dass man in der Lausitz während regenarmer Zeiten | |
| hoch belastetes Wasser in großen Speicherbecken parkt, bis mehr | |
| Niederschläge wieder für bessere Verdünnung sorgen. Oder aber durch die | |
| Ableitung von Wasser in die Neiße. Ursachenbekämpfung ist das nicht, nur | |
| eine Abmilderung der Symptome. | |
| Im Vorfeld der auch als „Sulfatgipfel“ bezeichneten Gespräche hatte das | |
| Bündnis Kohleausstieg Berlin vor einer Aufweichung der Zielwerte gewarnt – | |
| das ist nun auch nicht geschehen. Die AktivistInnen forderten aber auch vom | |
| Senat, auf finanziellen Ersatz zu drängen, wenn – wie jetzt im Fall von | |
| Frankfurt – teure Trinkwasser-Rettungsmaßnahmen fällig werden sollten. „D… | |
| Kosten müssen von der LEAG, dem eigentlichen Verursacher der | |
| Wasserverschmutzung, getragen werden“, so Kohleausstieg-Sprecher Oliver | |
| Powalla. Dabei müssten auch die von Vattenfall an deren Nachfolger LEAG | |
| gezahlten Tagebau-Sanierungsgelder in Höhe von 1,7 Milliarden Euro | |
| einbezogen werden. UmweltschützerInnen kritisieren schon länger, dass der | |
| Verbleib dieser Summe ungeklärt sei. | |
| Bei den Berliner Wasserbetrieben gibt man sich zuversichtlich, dass die | |
| Festschreibung der Zielwerte für eine Stabilisierung der Lage sorgen wird. | |
| „Am Pegel Rahnsdorf beträgt der Zielwert auch künftig 220 mg/l. Das heißt, | |
| wir können weiter Uferfiltrat in Friedrichshagen fördern“, so Sprecherin | |
| Astrid Hackenesch-Rump. „Damit können wir gut leben, aber das muss dann | |
| auch eingehalten werden.“ | |
| In jedem Fall kommt es auch darauf an, ob sich die klimatischen Bedingungen | |
| verändern. Das Jahr 2015 etwa fiel sehr trocken aus. Damals kletterte der | |
| Sulfatwert in Rahnsdorf auf einen Rekordwert von 320 mg/l. Mit dem | |
| Verdünnen kann es dann irgendwann schwierig werden. Insofern ist es mehr | |
| als nachvollziehbar, wenn die BWB-Sprecherin in Bezug auf den Frankfurter | |
| Bergschaden-Vorstoß diplomatisch formuliert: „Wir beobachten das | |
| aufmerksam.“ | |
| 8 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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