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# taz.de -- Machtkampf in der SPD: Was wird aus Martin Schulz?
> Der Parteichef würde in einer Großen Koalition gerne Minister und
> Vizekanzler werden. Doch seine Gegner versuchen, ihn davon abzubringen.
Bild: Bin ich gemeint? SPD-Chef Schulz während der Koalitionsverhandlungen in …
Berlin taz | Martin Schulz braucht dringend Erfolge. Am Montagmittag
schreibt der Chef über einen Messenger-Dienst an die SPD-Mitglieder, dass
die Verhandlungen über das Europa-Kapitel im Koalitionsvertrag
abgeschlossen seien. „Wir haben jetzt eine echte Chance, zusammen gerade
auch mit Frankreich, Europa demokratischer, sozialer und handlungsfähiger
zu machen.“ Er selbst, fügt Schulz hinzu, würde sich sehr wünschen, die
Chance zu nutzen.
Es könnte seine letzte sein. Denn klar ist: Am Gelingen der Großen
Koalition hängt auch Schulz’ politische Zukunft. Bei Europa sind sich SPD
und Union einig, beim Wohnen und Mieten auch, bei der Rente, beim Digitalen
und sogar bei der heiklen Flüchtlingspolitik. Dennoch rangen die Verhandler
unter Kanzlerin Angela Merkel und Schulz am Montag weiter um strittige
Sätze im künftigen Koalitionsvertrag – ein Ergebnis wurde bis
Redaktionsschluss nicht verkündet. Bei der SPD wird dabei immer auch eine
Machtfrage mitverhandelt: Was wird aus Schulz?
Wenn die Einigung wie geplant am Dienstag steht, beginnt für ihn der
eigentliche Kampf. Dann muss er mit der SPD-Spitze die skeptischen
Mitglieder von der ungeliebten Koalition überzeugen. Jene sollen – wie 2013
– in einem Mitgliederentscheid das letzte Wort haben. Mehrere
Regionalkonferenzen in der Republik plant das Willy-Brandt-Haus,
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verspricht, Raum für „kontroverse
Diskussionen“ zu schaffen. Die Jusos und SPD-Linke mobilisieren geschickt
gegen das Regieren an Merkels Seite.
Schulz steckt in einem Dilemma. Eigentlich hatte er im Wahlkampf beteuert,
auf keinen Fall in ein Kabinett unter Merkel einzutreten. Doch das war
einmal. Intern hat Schulz [1][laut dem Spiegel] inzwischen klargemacht,
dass er ins Kabinett strebt. Die Frage sei nur, welches Ressort er
beanspruche.
## Schulz’ Ansehen hat gelitten
Mit diesem Kurs sind nicht alle in der SPD glücklich. Schulz’ Ansehen hat
arg gelitten. Die Sozialdemokraten sind in manchen Umfragen auf
katastrophale 17 bis 18 Prozent abgerutscht. Kritisch beäugen viele
Genossen Schulz’ manchmal erratische, manchmal nicht vorhandene Führung. Er
bejubelte die „hervorragenden“ Sondierungsergebnisse, war danach aber nicht
in der Lage, die Debatte seiner Stellvertreter über nötige Nachbesserungen
zu unterbinden. Auf dem Bonner Parteitag im Januar hielt er eine
mittelmäßige Rede und wurde einer furiosen Andrea Nahles gerettet. Und
vergangene Woche lobte Schulz die Einigung beim Familiennachzug für
Flüchtlinge, obwohl Experten von Pro Asyl einen „Durchmarsch der CSU“
attestierten. Die Liste der Ungereimtheiten ließe sich fortsetzen.
Eine Mehrheit der Deutschen lehnt nach einer Forsa-Umfrage einen Einzug von
Schulz als Minister ins Kabinett ab. 54 Prozent der Befragten seien gegen
ein Ministeramt für Schulz, 36 Prozent dafür, teilte das Institut am Montag
mit. Diejenigen in der SPD, die Schulz zum Verzicht bewegen wollen, haben
ein wichtiges Argument auf ihrer Seite: Glaubwürdigkeit. „Eine
180-Grad-Wende in dieser Frage würde die Glaubwürdigkeit von Martin Schulz
erschüttern“, gab Thüringens designierter SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee
vor knapp zwei Wochen in der Welt zu Protokoll. Schließlich müsste Schulz
sein Wahlkampfversprechen brechen.
Außerdem, heißt es, könne ein Parteichef schwerlich die Erneuerung der SPD
vorantreiben, wenn er als Minister um die Welt jette. In Bonn argumentierte
Exchef Rudolf Scharping am Rednerpult, die Delegierten sollten dafür
sorgen, dass Schulz seinen Job als Vorsitzender glaubwürdig machen könne.
„Andere können dann in der Regierung umsetzen, was die SPD will.“ Das war
deutlich.
Von manchen Strategen werden solche Argumente vorgeschoben. Schulz’
innerparteiliche Gegner sind daran interessiert, den angeschlagenen Chef
weiter zu schwächen. Ohne Ministeramt wäre Schulz in dieser Lesart nur noch
eine Art besserer Generalsekretär. Von dem wichtigen Regierungsgeschäft
ausgeschlossen, liefen die Absprachen zwischen Vizekanzler, Ministern und
der mächtigen Fraktionschefin Nahles an ihm vorbei. Die Frage wäre auch, ob
Schulz sich in einer solchen Konstellation lange an der Parteispitze halten
könnte – oder zum Chef auf Abruf mutierte.
## Gute Gründe für Schulz
All das weiß Schulz natürlich selbst. Das Modell, Ministeramt und
Parteivorsitz zu trennen, hat sich in der SPD nicht bewährt. Merkel, die
zwei Ämter in sich vereint, hält es für einen Fehler, dass Gerhard Schröder
2004 den Parteivorsitz an Franz Müntefering abtrat. Gut ein Jahr später war
er die Kanzlerschaft los. Auch der spätere Vizekanzler und Arbeitsminister
Müntefering und der neue SPD-Chef Kurt Beck kamen sich in die Quere, als es
um ein längeres Arbeitslosengeld I für Ältere ging. An solche Hakeleien
erinnern sich viele Genossen.
Das sind gute Gründe für Schulz, nach der Vizekanzlerschaft und dem
Kabinettsposten zu greifen. Das Amt des Außenministers wäre wie für ihn
gemacht. Als langjähriger EU-Parlamentspräsident verfügt er über beste
Kontakte in ganz Europa, das Thema liegt ihm wirklich am Herzen. Er pries
die Einigung in höchsten Tönen: Mit der Union vereinbart seien unter
anderem ein Ende des Spardiktats, mehr Mittel zum Kampf gegen
Jugendarbeitslosigkeit und stärkere Arbeitnehmerrechte für Europa. Warum
das nicht selbst umsetzen?
Ein Problem dabei: Sigmar Gabriel würde gerne das Amt, das er
geschäftsführend inne hat, behalten. Gabriel und Schulz verbindet eine
komplexe Beziehung, aus ihrer Freundschaft ist eine handfeste Konkurrenz
geworden. Bisher lässt Schulz nicht erkennen, wie er sich entscheidet.
Geplant ist, die Ressortverteilung am Ende der Koalitionsverhandlungen zu
beschließen – und sie den SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen. Die
Namen der Minister sollen aber nicht dabei sein. Schulz hat noch etwas
Zeit.
5 Feb 2018
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-verlaengerung-und-dann-wird-e…
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Lesestück Meinung und Analyse
SPD
Schwarz-rote Koalition
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Martin Schulz
Kevin Kühnert
SPD
Schwerpunkt Klimawandel
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