# taz.de -- Cannabis-Export aus Israel: Millionen fürs highlige Land | |
> Kiffen ist kosher und Gras gut für den Kibbutz. Cannabis könnte daher zu | |
> einem der wichtigsten Exportprodukte des Landes werden. | |
Bild: Cannabispflanzen von einer Plantage in Safed | |
Es ist sechs Uhr abends und die Sonne steht tief im Garten der Familie | |
Shmulewitz im noblen Tel Aviver Vorort Tsahala. Auf Liegestühlen am | |
Swimmingpool sitzen Omri Shmulewitz, mit Seidenhemd und Afro, und sein | |
Vater Ascher Shmulewitz, mit Seidenhemd und Glatze. Vor einer Stunde sind | |
die beiden von einer langen Arbeitswoche in L.A., New York und Toronto | |
zurückgekehrt. Die israelische Cannabis-Industrie ist eng verbunden mit | |
Nordamerika. Und seit dem 1. Januar dieses Jahres darf mit [1][Kalifornien | |
nun bereits in sechs US-Staaten legal Cannabis erworben werden]. | |
„Das ist unsere Chance“, sagt Shmulewitz Senior. Der Millionär und | |
promovierte Arzt ist Vorsitzender von Therapix, einer der Pharmagrößen, die | |
den internationalen Markt rund um die Therapie mit Cannabis mittlerweile in | |
Schwung bringen. Und sich eines Milliardengeschäfts mit den USA sicher | |
sind. | |
In Israel ist das Rauschkraut schon seit über einem Jahrzehnt für den | |
medizinischen Gebrauch legal. Rund 25.000 Menschen erhalten hier Öle und | |
Knospen auf Rezept gegen Schmerzen, Schlaflosigkeit, Epilepsie und | |
posttraumatische Belastungsstörungen. Therapix konzentriert sich auf die | |
medizinische Anwendung von Cannabis zur Behandlung von Alzheimer und | |
Tourette. | |
Seit März letzten Jahres können auch [2][in Deutschland schwerkranke | |
Patienten Cannabis-Arzneimittel auf Rezept erhalten.] Die Kosten für die | |
Therapie werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. 13.000 | |
Menschen, deutlich mehr als erwartet, haben in den ersten 10 Monaten einen | |
solchen Antrag eingereicht – und der deutsche Hanfverband klagt schon über | |
Lieferengpässe. Stück für Stück öffnet sich der Türspalt. Im Gegensatz zu | |
Israel ist es jedoch noch ungleich schwerer, ein solches Rezept zu | |
erhalten. | |
## Ein erster Schritt hin zu Dekriminalisierung | |
Im Heiligen Land ist der Marihuana-Enthusiasmus schon auf seinem Höhepunkt. | |
Laut einer Studie der Vereinten Nationen haben 2016 ganze 27 Prozent der | |
Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren Marihuana konsumiert, ob nun privat | |
oder medizinisch. Sie machen Israel damit zur weltweiten Nummer eins, | |
gefolgt von Island (18 Prozent) und den USA (16 Prozent). Im März 2017 | |
machte die Regierung unter Netanjahu daher [3][den ersten Schritt hin zu | |
einer Dekriminalisierung]: Der Freizeitgebrauch ist derzeit zwar noch | |
illegal, wird jedoch seitdem nur noch bei „Konsum an öffentlichen Plätzen“ | |
mit einer Geldstrafe geahndet. | |
„In Israel hat eben die ganze Erkenntnis begonnen“, erzählt Ascher. „Das | |
ist der Hauptgrund, warum wir immer noch mit vorne dabei sind.“ 1964 | |
identifizierte Professor Raphael Mechoulam vom renommierten | |
Weizmann-Institut als erster Wissenschaftler die Zusammensetzung von THC – | |
der Anteil der Hanfpflanze, der für das High verantwortlich ist. Der | |
mittlerweile 86-jährige Wissenschaftler forscht noch immer in seinem Labor | |
in Jerusalem. Unzählige Wirkarten der Pflanze sind uns noch nicht bekannt; | |
rund 400 unerforschte Komponenten schlummern noch in den milchigen | |
Harzdrüsen. | |
Auf die Erkenntnisse stützen sich auch Start-ups wie Entou von Shmulewitz | |
Junior. Er entwickelte ein Präparat, das ergänzend zur täglichen | |
Cannabis-Therapie eingenommen werden soll, um die Gewöhnung zu verhindern: | |
„Viele Menschen, die regelmäßig Marihuana konsumieren, brauchen nach | |
einiger Zeit immer größere Mengen, um den gewünschten Effekt – ein High | |
oder eine Schmerzlinderung – zu erzielen“, erklärt der 32-Jährige. In der | |
Wissenschaft diskutiert man derzeit auch eine antipsychotische Wirkung und | |
den Einsatz der Hanfpflanze in der Psychotherapie. Omris Vater zeigt sich | |
zufrieden: „Die Forschung zerlegt die Pflanze jetzt sorgfältig in ihre | |
Bestandteile. Das dauert seine Zeit. Aber man macht keinen moralischen | |
Unterschied mehr zwischen Cannabis und einer, sagen wir, Karotte.“ | |
## Wirtschaftliche Chance des Jahrzehnts | |
Therapix und Entou sind dabei nur zwei Größen, die den israelischen Markt | |
rund um Cannabis in Schwung bringen. Die israelische Regierung betrachtet | |
es längst als die wirtschaftliche Chance des Jahrzehnts. Erst zu Beginn | |
letzten Jahres verkündete der Minister für Landwirtschaft, Uri Ariel, dass | |
die Regierung den Anbau der Pflanzen subventionieren werde. Und das | |
Gesundheitsministerium, das mittlerweile eine eigene Abteilung für die | |
Forschung an Cannabisprodukten hat, erhöhte die Anzahl der Lizenzen für | |
Ärzte, Patienten und Cannabisfarmer. | |
Laut dem Analyseunternehmen New Frontier Data aus Washington wird erwartet, | |
dass der US-Markt für Cannabis von 5,8 auf 20,6 Milliarden Dollar im Jahr | |
2020 anwachsen wird; auf globaler Ebene soll laut dem Forbes Magazin 2021 | |
die 30-Milliarden-Marke geknackt werden. Und die letzte große Hürde für | |
Israels Forscher und Farmer, um daran teilzuhaben, wird wahrscheinlich noch | |
in den nächsten Monaten überwunden werden: Der Gesetzentwurf, der auch den | |
Export legal machen würde, schaffte es 2017 durch den ersten von drei | |
Schritten in der Knesset. „So wie es jetzt aussieht, wird Export | |
voraussichtlich in diesem Jahr, 2018, endlich eine realistische Option | |
werden“, so Saul Kaye, CEO von iCan Israel-Cannabis. | |
Er prophezeit, dass die Heilpflanze damit in nicht allzu langer Zeit für | |
die israelische Wirtschaft so wichtig wird wie Technik und IT, die derzeit | |
40 Prozent der industriellen Exporte ausmachen. „Es ist ein relativ | |
sicheres Business. Diese Industrie ist nicht mehr wegzudenken“, erzählt der | |
Australier, den es vor über 20 Jahren nach Israel zog und dessen Firma | |
Cannabis-Start-ups durch Coaching und Finanzierung in der Anfangsphase | |
fördert. | |
## Marihuana als High-Tech-Produkt | |
Im März 2017 organisierte Kaye außerdem die CannaTech-Konferenz in Tel | |
Aviv; 800 Experten aus Forschung, Wirtschaft und Landwirtschaft kamen hier | |
aus über 35 Nationen zusammen. Israel sei seit eh und je eine Nation, in | |
der allgemein großer Wert auf Pioniergeist gelegt wird, betont Kaye. Das | |
gehöre zur jüdischen Erziehung. Die Forschung an Cannabis sei daher | |
einfacher in Israel als in den Staaten. Sogar das US-Institut für nationale | |
Gesundheit unterstützt Mechoulams Arbeit seit Jahrzehnten. | |
Das Land gilt seit Langem als die Start-up-Nation des Nahen Ostens und | |
[4][als globaler Trendsetter im Medizin- und Cybersektor]. Die Vermutung | |
liegt daher nahe, dass sich Marihuana in den Händen von Israelis in ein | |
High-Tech-Produkt verwandeln wird: „Die Pflanzen wachsen unter streng | |
regulierten Bedingungen. Jeder Stamm ist auf die jeweilige Therapie | |
ausgelegt, und im Gegensatz zu anderen Ländern betreiben wir genetische | |
Züchtung bereits seit über zehn Jahren“, erklärt Ami Cohen von Better | |
Growers. | |
Neben dem Agrarriesen Tikun Olam gehört Better Growers zu den größten | |
Produzenten von Cannabis im Heiligen Land. 1,5 Hektar Land werden bestellt; | |
in diesem Jahr soll die Farm wegen der steigenden Nachfrage noch weiter | |
wachsen. Cohen vermutet einen Grund für Israels Führungsrolle auch in | |
seiner traditionellen Expertise in der Landwirtschaft. Obwohl das Land zum | |
Großteil aus Wüste besteht, ist Israel landwirtschaftlicher Großproduzent. | |
„Zurzeit gibt es acht legale Anbauer für Cannabis in Israel. Es wurden | |
jedoch bereits 60 weitere Lizenzen erteilt“, erklärt der 31-Jährige. Unter | |
den neuen Betrieben fanden sich auch viele Kibbuzim wieder – dort hegt man | |
die Hoffnung, Marihuana könnte den sozialistischen Kollektivsiedlungen | |
wieder zu altem Glanz verhelfen. | |
Sicher schadet es auch nicht, dass das Rauschmittel im Judentum | |
mittlerweile toleriert werde, mutmaßt Cohen. 2013 erklärte der Rabbi Efraim | |
Zalmanovich medizinisches Cannabis als koscher, 2016 zertifizierte die | |
Orthodoxe Union eine Reihe Cannabisprodukte für den koscheren Konsum. | |
In der Wissenschaft wird diskutiert, ob die Marihuanapflanze und ihr | |
Gebrauch bereits in der jüdischen Bibel proklamiert werden. Bis heute gibt | |
es darüber keinen Konsens. Der Talmud gibt zumindest explizite Hinweise auf | |
die Hanfpflanze in der Textilproduktion. „Ob sie nun geraucht haben oder | |
nicht – es besteht zumindest eine historische und kulturelle Offenheit für | |
die Substanz“, sagt Omri Shmulewitz. „In Israel kann man kiffen und | |
gleichzeitig fromm sein“, bestätigt auch Cohen. „Ein perfektes Ökosystem | |
für Firmen wie uns. Hier finden wir alles, was wir brauchen.“ | |
13 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Franziska Knupper | |
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