| # taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Irland: Wut im Bauch | |
| > Die Bevölkerung soll abstimmen, ob das Verbot der Abtreibung aus der | |
| > Verfassung gestrichen wird. Kaum ein Thema wird so heiß diskutiert. | |
| Bild: Eine Demonstrantin protestiert für das Recht auf Selbstbestimmung der Fr… | |
| Dublin taz | Wenn die Irinnen und Iren in diesen Tagen ihre Post aus dem | |
| Briefkasten holen, dürfte den meisten ein lächelndes Baby mit Down-Syndrom | |
| auf einer Broschüre entgegenblicken. Irische Abtreibungsgegner haben das | |
| Kind als Gesicht ihrer Kampagne gegen Abtreibungen ausgewählt. So emotional | |
| wie über kaum ein anderes Thema diskutieren die Iren gerade das | |
| Abtreibungsverbot auf der Insel. Denn bald soll die Bevölkerung darüber | |
| abstimmen, ob das Abtreibungsverbot aus der Verfassung gestrichen wird – 35 | |
| Jahre nachdem es per Volksentscheid eingeführt wurde. | |
| Der Termin für das Referendum ist für Ende Mai oder Anfang Juni vorgesehen. | |
| Bis dahin wird mit allen Mitteln gekämpft, etwa mit den genannten | |
| Broschüren, die an jeden Haushalt des Landes geschickt werden. „90 Prozent | |
| aller Babys mit Down-Syndrom werden in Großbritannien abgetrieben“, steht | |
| darauf geschrieben. Das ist freilich nur die halbe Wahrheit: Bis zu 40 | |
| Prozent der Schwangeren lassen den Test gar nicht erst machen, weil für sie | |
| eine Abtreibung ohnehin nicht infrage kommt. | |
| Das englische Abtreibungsrecht ist in der Praxis auch das irische | |
| Abtreibungsrecht – denn bisher hatte man das Problem einfach exportiert. | |
| Seit 1983 sind mehr als 160.000 Frauen aus Irland zum | |
| Schwangerschaftsabbruch nach England gefahren. Bei einem Abbruch in Irland | |
| würden der Frau sowie ihrem Arzt oder ihrer Ärztin 14 Jahre Gefängnis | |
| drohen. | |
| Der 8. Zusatzartikel zur Verfassung räumt dem Fötus nämlich dasselbe | |
| Lebensrecht wie der Schwangeren ein. Selbst bei akuter Lebensgefahr für die | |
| Frau darf die Schwangerschaft nicht abgebrochen werden, solange der Fötus | |
| eine Überlebenschance hat – und manchmal auch dann nicht, wenn er gar nicht | |
| lebensfähig ist. Die UN bezeichneten Irlands Umgang mit Frauen als „gemein, | |
| inhuman, entwürdigend“. | |
| Entsprechend lang ist die Liste der Tragödien, die sich aufgrund des | |
| Verbots abgespielt haben. Im November 2013 zum Beispiel starb die indische | |
| Zahnärztin Savita Halappanavar in der Universitätsklinik der westirischen | |
| Stadt Galway an einer Blutvergiftung, weil sich die Ärzte mit Hinweis auf | |
| das Abtreibungsverbot weigerten, den nicht lebensfähigen Fötus aus ihrer | |
| Gebärmutter zu entfernen. | |
| ## Die Mehrheit ist gegen das Verbot | |
| Eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung und im Parlament ist dafür, den | |
| Verfassungsparagrafen zu streichen. Doch dann muss die Regierung noch ein | |
| Gesetz verabschieden, in dem die Voraussetzungen für eine Abtreibung | |
| festgelegt werden. Der Gesetzestext soll vor dem Referendum bekannt gegeben | |
| werden. Das Konfliktpotenzial ist hoch. | |
| Die Bürgerversammlung, deren 99 Mitglieder einen Querschnitt der | |
| Bevölkerung repräsentieren sollen, hatte der Politik Ende vorigen Jahres | |
| vorgeschlagen, Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche auf Verlangen | |
| zu erlauben. Abtreibungsgegner warfen der Versammlung eine urbane, liberale | |
| Ausrichtung vor, da 8 von 26 ländlichen Grafschaften nicht repräsentiert | |
| waren. | |
| Doch ein parlamentarischer Ausschuss folgte dem Rat der Bürgerversammlung. | |
| Die Regierung will die 12-Wochen-Regelung nun gesetzlich festlegen. In | |
| bestimmten Fällen soll ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 22. Woche | |
| erlaubt sein. Da die Parteien ihren Abgeordneten und selbst den Ministern | |
| ein freies Votum zugestehen, bleibt die konkrete Gestaltung des Gesetzes | |
| jedoch ungewiss. | |
| Premierminister Leo Varadkar hat bisher nur gewarnt, dass die | |
| 12-Wochen-Regelung vom Parlament abgelehnt werden könnte, selbst wenn das | |
| Abtreibungsverbot gestrichen werde. „Die Regierung hat keine Mehrheit und | |
| kann nicht garantieren, dass die eigene Gesetzesvorlage von beiden Kammern | |
| angenommen wird“, sagte er. | |
| Oppositionsführer Micheál Martin erklärte dagegen vorigen Freitag | |
| überraschend seine Unterstützung für das Gesetz – und versetzte seine | |
| Partei Fianna Fáil dadurch in Aufruhr. Viele Abgeordnete betonten, dass er | |
| nicht für die Mehrheit der Parteimitglieder spreche. | |
| An den Wählern und Wählerinnen dürfte das diesmal vorgeschlagene Gesetz | |
| nicht scheitern. Laut einer Umfrage von Amnesty International sind gut 60 | |
| Prozent für die 12-Wochen-Regelung. | |
| 24 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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