| # taz.de -- Die Wahrheit: Gnadenlose Zwangsabfüllung | |
| > Abwarten und dann Tee trinken: In Irland muss man einen angebotenen Tee | |
| > erst zweimal ablehnen. Alles klar? | |
| Irland gilt als lockeres und entspanntes Land. Von wegen. Im sozialen | |
| Umgang herrschen knallharte Regeln. Die Iren sind Weltmeister im | |
| Teetrinken. Doch hinter der Fassade der Gemütlichkeit steckt eine | |
| gnadenlose Zwangsabfüllung mit dem Heißgetränk. Geht man etwa zum Nachbarn, | |
| um ein Päckchen abzugeben, ist eine Tasse Tee fällig. Man kann versuchen, | |
| sie dankend abzulehnen, doch dann beginnt ein Kräftemessen der | |
| Willensstärke. Am Ende sind beide erschöpft, und man hat trotzdem die Tasse | |
| in der Hand. | |
| Als ich nach Irland zog, kannte ich das Ritual nicht. Ich bot Besuchern | |
| zwar stets Tee an, aber wenn sie ablehnten, war die Sache für mich | |
| erledigt. Erst viel später gestand mir ein Freund, dass er damals liebend | |
| gern Tee getrunken hätte. Doch die Regel besagt nun mal, dass man das | |
| Angebot zunächst zweimal ablehnen muss. Erst beim dritten Mal darf man es | |
| annehmen. | |
| Wenn man mit Freunden im Café ein Tässchen zu sich nimmt, geht am Ende | |
| unweigerlich der Streit los, wer bezahlen darf. Es kommt dabei zu | |
| regelrechten Rangeleien um die Rechnung. Sehr realistisch wurde das in der | |
| Fernsehserie „Father Ted“ dargestellt, als Mrs Doyle, die Haushälterin von | |
| drei Priestern, sich mit einer Freundin um die Rechnung balgt, bis beide zu | |
| Boden gehen und auf dem Polizeirevier landen. „Vielleicht kommen wir mit | |
| einer Geldstrafe davon“, meint die eine, worauf die andere insistiert, die | |
| mögliche Strafe zu zahlen. Und schon gehen die Handgreiflichkeiten von vorn | |
| los. | |
| Genauso wenig darf man im Pub ein Getränk ablehnen, sitzt man in einer | |
| Runde. Derjenige, der mit Bestellen dran ist, redet nämlich so lange auf | |
| einen ein, bis man doch ein weiteres Bier annimmt, selbst wenn man bereits | |
| voll wie eine Natter ist. Die einzigen akzeptablen Ausreden sind | |
| Antibiotika und Schwangerschaft. Am besten beides. | |
| Die Iren sind ein gastfreundliches Volk, aber manchmal hat die | |
| Gastfreundschaft eine Kehrseite, meint der Journalist Michael Freeman. Wenn | |
| ein Ire im Urlaub auf Mallorca zum Abschied die nette fünfköpfige deutsche | |
| Familie zu sich einlädt, rechnet er nicht damit, dass sie ein Jahr später | |
| plötzlich vor der irischen Haustür steht. Aus Höflichkeit beherbergt und | |
| bewirtet man sie für drei Wochen und flucht leise vor sich hin. | |
| Die Höflichkeit gebietet es auch, dem Busfahrer zu danken, steigt man aus. | |
| Die mittlere Tür bei Dublins Bussen wird deshalb nie geöffnet, denn sonst | |
| könnte man ja ohne Danksagung verschwinden. Die neuen Fahrgäste müssen so | |
| lange warten, bis alle vorn ausgestiegen und sich artig bedankt haben. | |
| Und schließlich darf man ein Telefongespräch nicht mit einem einfachen | |
| „Bye“ beenden. Es muss mindestens fünfmal wiederholt werden. Ich wünsche | |
| Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine schöne Woche. Bye-bye. Bye for now. | |
| Bye. Bye. | |
| 5 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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