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# taz.de -- Kolumne German Angst: Geflüchtete? Geile Soft Skills!
> In Cottbus regiert die rechte APO. Dabei wäre es doch einfach,
> geflüchtete Menschen positiv rüberzubringen: Als teamfähig und
> stressresistent!
Bild: Nazis fordern, Politik liefert. So geht Demokratie in Brandenburg
„Schnauze voll!“ steht auf den Schildern. Viele Hundert Cottbusser
demonstrierten so gegen Geflüchtete in ihrer Stadt. Dem Brandenburger
Innenministerium war ihr Wunsch Befehl. Es verkündete einen
Flüchtlingsstopp. Schön, wenn eine APO noch etwas bewegen kann.
Aber haben die Cottbusser wirklich etwas gegen alle Geflüchteten?
Vielleicht sind ja nur die falschen gekommen, nämlich – hört man ihnen zu �…
Arbeitsscheue, Asoziale, Kriminelle?
Eine ehrliche Haut, das ist die, in der der Wille zur Arbeit steckt.
Deutsche Tugenden wie Fleiß und Ordnung. Hört sich an wie von der Müllhalde
der Geschichte. Heißt aber heute nur anders: Soft Skills, die Rekrutierung
der gesamten Erfahrungswelt zur Optimierung des eigenen Marktwerts. In der
freien Wirtschaft hat man diesen Gedanken weitergesponnen. Wenn Menschen
hier Menschen in Not nicht als Menschen akzeptieren wollen, verkaufen wir
sie ihnen als Arbeitskräfte!
Es ist aber so eine Sache mit dem Kapitalismus. Nichts kann er allein, und
darum muss es immer Deppen geben, die sich mit frischen Ideen in seinen
Dienst stellen.
## Kapitalismus kann nichts allein
In diesem Fall war es die Agentur Social Bee. Mit Plakaten, auf denen
Geflüchtete aus Eritrea, Syrien oder der Türkei abgebildet sind, wirbt sie
für deren Einstellung. Aber nicht, weil es eine gute Sache wäre, Menschen
unabhängig zu machen – noch immer werden die Hürden im Bürokratiedschungel
von „ungesichertem“ Aufenthalt bis Arbeitsverbot besonders hoch gesetzt.
Nein. Weil sie geile Soft Skills haben! Unter jedem Plakat steht ein Spruch
wie „Ich bin stressresistent – Auf der Flucht wurde ich verhaftet und
mehrere Tage verhört“ oder „Ich bin zielorientiert – Auf der Flucht war …
drei Monate lang zu Fuß unterwegs“. Das ist doch mal praktisch gedacht, und
man kann sich den Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit vorstellen: „Sie
haben es in einem überladenen Gummiboot über das Mittelmeer geschafft, ohne
zu ertrinken? Dann sind Sie ja teamfähig und stressresistent!“
So wird es sicher gehen: Kapitalismus sticht strukturellen Rassismus.
Ganz egal wie „provokativ“ oder „witzig“ die Kampagne gemeint ist: Sie
zeigt, was in den letzten Monaten in Deutschland geschehen ist. Sie spricht
einige an, die dem Weg der Kanzlerin seit 2014 gefolgt sind: von rhetorisch
moderat (= gegen die Schließung der Grenzen) bis fundamental gegen die
Einwanderung und das Asylrecht (= Schließung der Grenzen jenseits
Deutschlands, in der Türkei und Libyen). Der Diskurs über massenhafte
Flucht und Einwanderung ist komplett nach rechts gerutscht, hin zu
Zahlenspielen und Obergrenzen – ein Menschenrecht auf Asyl hat keinen Platz
mehr.
Und das ist das Fatale an dieser Kampagne. Es ist ganz sicher nicht die
Aufgabe von Asylsuchenden, „unsere Gesellschaft (zu) bereichern“, wie es
einer der Social-Bee-Gründer sagt. Das Recht auf Asyl ist deshalb ein
Menschenrecht und universell, weil es die Unterscheidung zwischen nützlich
und unnütz nicht kennt.
31 Jan 2018
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
Cottbus
Geflüchtete
Kapitalismus
Hartz IV
Schwerpunkt AfD
Lesestück Recherche und Reportage
Cottbus
Oury Jalloh
Ex-Jugoslawien
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