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# taz.de -- Deutsche Rüstungsexporte: Ausgeweitet statt eingeschränkt
> Noch nie wurden so viele Rüstungsexporte genehmigt wie unter Schwarz-Rot.
> Auch nach der Bundestagswahl geht das lukrative Geschäft munter weiter.
Bild: Kieler Werft von ThyssenKrupp Marine Systems: Übergabe eines neuen deuts…
BERLIN taz | Es ist eine hübsche Formulierung: „Wir schränken die
Rüstungsexporte weiter ein“, heißt es in dem Sondierungspapier von Union
und SPD, das die Grundlage für ihre in Kürze beginnenden
Koalitionsverhandlungen ist. Der kleine Haken: Bevor etwas weiter
eingeschränkt werden kann, muss es überhaupt erst einmal zumindest etwas
eingeschränkt worden sein. Doch davon kann keine Rede sein.
Im Gegenteil: Unter Schwarz-Rot sind die deutschen Rüstungsexporte in der
vergangenen Legislaturperiode in Rekordhöhen gestiegen. Und das lukrative
Geschäft mit dem Tod geht auch seit der Bundestagswahl munter weiter. Das
belegen die Antworten des Bundeswirtschaftsministeriums auf zwei Kleine
Anfragen der Linksfraktion.
Danach genehmigte die Bundesregierung alleine im vierten Quartal des
vergangenen Jahres Rüstungsexporte in Höhe von mehr als 1,44 Milliarden
Euro. Der Löwenanteil von 922 Millionen Euro entfällt dabei auf Geschäfte
mit sogenannten Drittländern, also Ländern außerhalb von EU, Nato oder der
Gruppe der Nato-gleichgestellten Staaten wie Australien. Besonders pikant:
An der Spitze stehen mit Ägypten und Algerien zwei Staaten mit einer
überaus fragwürdigen Menschenrechtsbilanz.
Insgesamt lag die Summe der Einzelgenehmigungen in 2017 bei mehr als 6,24
Milliarden Euro. Das ist der dritthöchste je gemessene Wert – direkt nach
den beiden Rekordjahren 2016 (6,85 Milliarden) und 2015 (7,86 Milliarden).
Damit addieren sich die Genehmigungen der schwarz-roten Regierungsjahre
2014 bis 2017 auf rund 25 Milliarden Euro. Die Vorgängerregierung von Union
und FDP kam auf rund 21 Milliarden Euro. Unter der Ägide der beiden
SPD-WirtschaftsministerInnen Sigmar Gabriel und Brigitte Zypries sind die
Rüstungsexporte also nicht eingeschränkt, sondern ausgeweitet worden –
wobei vor allem die Genehmigungen an Drittstaaten deutlich anstiegen.
Gleichwohl behauptet das sozialdemokratisch geführte
Bundeswirtschaftsministerium nach wie vor unverdrossen: „Die
Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle
Rüstungsexportpolitik.“ Und nicht nur das: „Der Beachtung der
Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht
beigemessen“, so Staatssekretär Matthias Machnig.
An der Realität lässt sich das allerdings weniger ablesen. Denn dazu passt
nicht so ganz, dass im vergangenen Jahr ausgerechnet das Folterregime Abdel
Fattah al-Sisis in Ägypten auf Platz 2 der Rüstungsempfänger gelandet ist.
Das Land am Nil durfte sich über deutsche Waffentechnik in Höhe von mehr
als 708 Millionen Euro freuen – fast doppelt so viel wie im Vorjahr.
Nicht minder irritierend: Unter den Top 10 befinden sich mit Saudi-Arabien
(254 Millionen), den Vereinigten Arabischen Emiraten (214 Millionen) und
eben Ägypten gleich drei Länder, die am schmutzigen Krieg im Jemen
beteiligt sind.
Entsprechend harsch fällt das Urteil der Opposition aus. „Der SPD sind
Waffenverkäufe offenbar wichtiger als der Frieden“, sagte der
Linkspartei-Abgeordnete Stefan Liebich der taz. „Da kann Sigmar Gabriel
noch so viele Sonntagsreden halten, die Zahlen sprechen eine deutliche
Sprache.“ Anders als versprochen habe die Große Koalition „die Schleusen
nicht geschlossen, sondern weiter geöffnet“.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf der Großen Koalition vor, sowohl
die geltenden Rüstungsexportrichtlinien nicht ernst genommen als auch die
Öffentlichkeit getäuscht zu haben: „Wir brauchen dringend ein verbindliches
Rüstungsexportkontrollgesetz mit klaren menschenrechtlichen Kriterien,
damit deutsche Bundesregierungen sich nicht weiter mitschuldig machen, wenn
Konflikte in Spannungsgebieten eskalieren“, forderte er.
24 Jan 2018
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Brigitte Zypries
Sigmar Gabriel
Schwarz-rote Koalition
Rüstung
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Rüstungsexporte
Saudi-Arabien
Türkei
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