| # taz.de -- Gold aus Fairtrade-Minen: Gold schürfen geht auch anders | |
| > Das Geschäft mit dem Edelmetall sei „dreckig“, sagt Guya Merkle. Die | |
| > Schmuckherstellerin will zeigen, dass es auch anders geht. | |
| Bild: Fast alle Goldminen zerstören die Umwelt | |
| Die Geschichte vom neuen Gold beginnt mit einem Tod. Und mit Flugangst. | |
| Guya Merkle sitzt in einem kleinen Büro, Wände grau getüncht, Holzfußboden. | |
| Es sind keine 30 Quadratmeter in einem Altbau an der Potsdamer Straße, | |
| einer neuen Berliner Szenemeile mit Galerien und edlen Modelabels. Daneben: | |
| Wettbüros, Imbissstuben, Neonlicht. Dazwischen: Merkle, die mit dem Luxus | |
| ringt. | |
| Die 31-Jährige will zeigen, dass sich Gold anders als üblich produzieren | |
| lässt. „Bislang ist Gold ein dreckiges Geschäft“, sagt sie. Sie ist die | |
| erste Schmuckdesignerin weltweit, die ihre gesamte Kollektion und nicht nur | |
| ein paar Teile aus fairem Gold herstellt. Ringe für 300 Euro, aber auch | |
| Ketten für bis zu 40.000 Euro. Zu ihren Kunden gehören ganz normale Leute | |
| aus großen und kleinen Städten. Und Stars. | |
| Merkle selbst – schwarze Hose, grauer Pullover über blauer Bluse, | |
| unauffällige Ohrringe – ist keine, die protzt. Die Firma erbte sie von | |
| ihrem Vater Eddy. Der starb plötzlich. Da war sie 21, studierte | |
| Kommunikation und Management in Potsdam. Sie musste entscheiden, was aus | |
| der Vieri Haute Joaillerie werden sollte, die der Großvater im | |
| baden-württembergischen Pforzheim gegründet und der Vater in den Schweizer | |
| Nobelort Crans-Montana verlegt hatte. | |
| Erst wollte sie verkaufen. Dann merkte sie, dass sie den Familienbesitz | |
| nicht einfach so weg geben konnte. Also machte sie es selbst, allerdings | |
| nicht gut. Also fing sie ganz von vorne an, ging nach London, lernte am | |
| Gemological Institute of America. Ein Crashkurs. „Sie haben uns sogar | |
| gezeigt, was zu tun ist, wenn man ausgeraubt wird.“ | |
| ## Skala des Schreckens | |
| Nur: Unter welchen Bedingungen Gold geschürft wird, darüber erfuhr Merkle | |
| wenig. Irgendwann wollte sie sich ein eigenes Bild machen, flog nach Peru. | |
| Trotz Flugangst. Das betont sie immer wieder – damit man versteht, wie | |
| Furcht erregend sie fand, was sie in der Mine sah. Vor der Reise galt für | |
| Merkle im Grunde die Formel: schlimm, ganz schlimm, fliegen. Sie nahm extra | |
| noch ein Coaching, trotzdem hielt sie den Flug nach Peru kaum aus. „An der | |
| Goldmine“, sagt Merkle, „fragte ich mich aber plötzlich, warum schreckt | |
| mich ein Flug?“ Sie fügte ihrer persönlichen Skala des Schreckens eine neue | |
| Kategorie hinzu: „Gold schürfen“. | |
| In dem Dorf an der Mine, abgelegen auf 3.000 Metern Höhe, gab es kein | |
| fließendes Wasser, keine Toiletten. Nur Wellblechhütten, eine Tankstelle, | |
| einen Laden. „Überall stank es nach Quecksilber, die giftige Substanz wurde | |
| bei der Goldgewinnung gebraucht“, sagt Merkle. „Mir sagte man: ‚Iss hier | |
| nichts!‘“ | |
| Merkle ließ sich in eine Mine führen, erschrak, weil die Luft so stickig | |
| war, erschrak, weil es Erschütterungen gab, als in der Nähe gesprengt | |
| wurde. | |
| Draußen schütteten Arbeiter Quecksilber zusammen mit Wasser in Lehmbecken, | |
| um aus dem Gestein Gold zu lösen. Die beiden Metalle gehen eine Verbindung | |
| ein, die deutlich schwerer ist als alles andere. Sie sinkt ab, wird aus dem | |
| Becken geholt, dann erhitzt. Das Quecksilber verdampft. Das Rohgold bleibt | |
| zurück. Merkle: „Ich sah, wie die Arbeiter die giftigen Rauchschwaden | |
| einatmeten, sie hatten keinen Schutz.“ | |
| ## Zehn Prozent mehr für Fairtrade | |
| 20 Millionen Menschen arbeiteten weltweit unter diesen Bedingungen. Rund | |
| 100 Millionen leben davon. Die Arbeiter schufteten sieben Tage die Woche, | |
| mehr als acht Stunden am Tag. Oft ohne Helm, Handschuhe, Stiefel. Und ohne | |
| Vertrag und Sozialversicherung. „Das will ich nicht“ – so stieg Merkle | |
| wieder ins Flugzeug. | |
| Heute gehört Merkle zu einer kleinen, aber wachsenden Gruppe von | |
| Schmuckmachern, die Gold aus Minen beziehen, die nach Standards von | |
| Initiativen wie Fairmined oder Fairtrade arbeiten. Auf Fairtrade, dessen | |
| grün-schwarz-blaues Logo sich auch auf Bananen oder Kaffeepackungen findet, | |
| legen bundesweit etwa 30 Juweliere Wert. | |
| Der Verbraucher zahlt dafür rund zehn Prozent mehr. Laut Claudia Brück von | |
| Fairtrade Deutschland werden damit Schulen und Gesundheitseinrichtungen | |
| gefördert. „Die Arbeiter erhalten mehr Mitbestimmung, feste Verträge und | |
| höhere Einkommen als andere.“ Zudem würden Quecksilber oder andere | |
| Chemikalien möglichst wieder verwendet. | |
| In herkömmlichen Stollen arbeiteten oft Kinder, weil sie so eng sind. In | |
| Fairtrade-Minen nicht. Allerdings trägt bisher nur die peruanische | |
| Sutrami-Mine das Siegel. Sieben Abbaugebiete in Ostafrika sollen | |
| dazukommen. | |
| ## Ab 2020 nur noch Fairtrade bei Gucci | |
| „Allein 2016 wurden 3.100 Tonnen Gold auf den Markt gebracht. Eine Tonne | |
| hat einen Wert von rund 40 Millionen US-Dollar“, sagt der Münsteraner | |
| Geologe Thomas Siepelmeyer, der vor 20 Jahren das Unternehmen Fair Trade in | |
| Gems and Jewelry gründete. | |
| Der weltgrößte Goldminenkonzern ist die kanadische Barrick Gold | |
| Corporation. Sie machte 2016 einen Umsatz von 8,6 Milliarden US-Dollar. In | |
| den Minen dieser großen Firmen hilft den Arbeitern mehr Technik als dort, | |
| wo Merkle zu Besuch war. Siepelmeyer sagt aber für alle: „Die | |
| Naturzerstörung ist Irrsinn. Am Ende bleiben Mondlandschaften übrig. Dabei | |
| werden 80 Prozent des Golds einfach nur in den Safe gelegt.“ Als | |
| Geldanlage, gegen Krisen. Ginge es nach ihm würde der Goldbergbau ganz | |
| eingestellt: „Wir haben genug, man kann Altgold recyclen.“ | |
| Immerhin tut sich auch bei den Großen was: Der Schweizer Schmuckhersteller | |
| Chopard hat eine Linie aus Fair-Mined. Die italienische Luxus Gucci will ab | |
| 2020 nur noch Fairtrade-Gold verwenden. | |
| Merkle plant, mehr recyceltes Gold zu nutzen. Und Schürfern zu helfen, | |
| andere Jobs zu finden. Dafür hat sie die Stiftung Earthbeat Foundation | |
| gegründet. Erstes Projekt: Nahe der ugandischen Stadt Busitema lassen sich | |
| 90 Leute, meist Frauen, aus dem Goldbergbau zu Profi-Imker*innen umschulen. | |
| Merkle zeigt eine Flasche mit der ersten Honigernte. Vielleicht ist er bald | |
| auch hier zu kaufen. Ist ja irgendwie, sagt Merkle, „flüssiges Gold“. | |
| 21 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Gersmann | |
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