| # taz.de -- Mythen über Edelmetall als Wertanlage: In Gold kann man nicht baden | |
| > Aus Angst vor Krisen kaufen Investoren wie verrückt Gold – und treiben | |
| > die Preise in die Höhe. Dabei ist der Wert des Metalls nur virtuell. | |
| Bild: Goldhype in Indien: Das Edelmetall wird dort als Hochzeitsschmuck getragen | |
| Kaum fliegt eine Atomrakete von Nordkorea über Japan, steigt schon der | |
| Goldpreis. Das Edelmetall gilt als „sicherer Hafen“, wenn es politisch | |
| ungemütlich wird. 1.322 US-Dollar kostete zuletzt eine Feinunze Gold. Seit | |
| Januar hat der Goldpreis um 15 Prozent zugelegt, und dies soll erst der | |
| Anfang einer Rallye sein – wenn es nach den Spekulanten geht. Sie setzen | |
| darauf, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un nicht der einzige | |
| Machthaber ist, der Schrecken verbreitet. | |
| Auch die chaotische Amtsführung von US-Präsident Donald Trump irritiert | |
| viele Investoren. Die Anlegerplattform Der Aktionär jubelte daher am | |
| Dienstag: „In den kommenden Wochen lässt sich mit Gold- und | |
| Silberminenaktien wohl eine Menge Geld verdienen. Gold ist zurück!“ Leider | |
| ist nicht auszuschließen, dass viele Deutsche dumm genug sein könnten, ihr | |
| Geld ins Gold zu stecken. Denn kaum ein Volk ist so verrückt nach Gold wie | |
| die Deutschen. In Europa hält man sich eigentlich eher zurück. Hierzulande | |
| aber wurden allein 2015 500 Tonnen Gold gekauft. Noch begeisterter sind nur | |
| die Inder und Chinesen, die jeweils 662,3 und 753,4 Tonnen erwarben. | |
| Der deutsche Sonderweg ist ein Erbe der Geschichte, denn noch immer sind | |
| viele Deutsche traumatisiert von den beiden Inflationen 1923 und 1948. In | |
| Umfragen geben 95 Prozent der deutschen Goldkäufer an, dass sie eine | |
| Geldentwertung fürchten. Auf den ersten Blick wirkt das Kalkül solide: | |
| Während die Zentralbanken ständig neues Geld „drucken“ können, ist Gold | |
| knapp. In der gesamten Menschheitsgeschichte wurden bisher nur rund 187.000 | |
| Tonnen gefördert. Würde das weltweit verfügbare Gold zu einem Würfel | |
| gepresst, hätte er eine Kantenlänge von nur etwas mehr als 21 Metern. Das | |
| Bild, das Dagobert Duck in unsere Hirne gebrannt hat, ist also falsch. | |
| Schon mangels Masse ist es unmöglich, in riesigen Goldvorräten zu baden. | |
| Doch dass Gold selten ist, muss noch nichts bedeuten. Objektiv herrscht | |
| nämlich trotzdem ein eklatantes Überangebot: 2016 wurden weltweit 3.236 | |
| Tonnen gefördert und weitere 1.308,5 Tonnen durchs Recycling gewonnen. Aber | |
| die Nachfrage sinkt – zumindest in der Industrie. Für Elektronik, Zahngold | |
| und andere Produkte wurden nur noch 322,5 Tonnen benötigt. Der Goldmarkt | |
| wäre also längst zusammengebrochen, wenn nicht wenigstens Inder, Chinesen, | |
| Türken und Araber daran festhalten würden, Goldschmuck als Statussymbol zu | |
| betrachten. Doch damit könnte es demnächst vorbei sein. In einer Studie des | |
| World Gold Councils heißt es alarmiert: „Vor allem junge Chinesen geben ihr | |
| Einkommen lieber für Erlebnisse wie Reisen aus als für materielle Dinge wie | |
| Schmuck.“ | |
| Zudem könnten selbst die asiatischen und muslimischen Goldkonsumenten den | |
| Preis nicht stabilisieren, wenn nicht diverse Notenbanken so freundlich | |
| wären, knapp ein Fünftel des globalen Goldes in ihren Kellern zu horten. | |
| Allein die USA haben 8.134 Tonnen eingelagert, an zweiter Stelle folgt dann | |
| schon die Bundesbank mit 3.384 Tonnen. Auf dem Papier haben diese | |
| Goldreserven zwar einen enormen Wert, doch faktisch sind sie unverkäuflich. | |
| Sobald nur eine große Notenbank anfinge, ihre Bestände aufzulösen, würde | |
| der Markt kollabieren und der Goldpreis ins Nichts rauschen. | |
| Es ist ironisch: Die Deutschen kaufen Gold, weil sie eine Inflation | |
| fürchten und der Geldpolitik der Zentralbanken misstrauen. Dabei sind es | |
| gerade diese Zentralbanken, die den Goldpreis stützen und damit den Mythos | |
| zu bestätigen scheinen, Gold hätte irgendeinen Wert an sich. Leider ist | |
| dieser Goldwahn nicht folgenlos. Fast alle Goldminen hinterlassen Giftmüll | |
| wie Zyanid, Quecksilber und Schwermetalle; viele zerstören Naturreservate | |
| oder vertreiben Ureinwohner. Gold glänzt nicht, es sieht nur so aus. | |
| 30 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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