# taz.de -- Mehr ökonomische Blidung, bitte !: Geld ist gut, Wissen besser | |
> Die Finanzkrise ist da, und mit ihr ein Heulen und Zähneklappern. Was | |
> nämlich zurzeit im Bankensektor geschieht und wo das ganze Geld hin ist, | |
> versteht kaum jemand. Leider. | |
Bild: Wissen kann goldwert sein. | |
Hier bricht etwas zusammen, dort grassiert die Angst, und der Staat, selbst | |
großer Schuldner, schnürt Rettungspakete für angeschlagene Banken und | |
Finanzinstitute. Wieder einmal ist die Deutungshoheit über das, was | |
passiert, und wie man den Kurs ändern könnte, in Expertenkreise gelangt. | |
Der normale Bankkunde schaut mit Angst auf Konten und Depots, ungläubig, | |
unwissend und desillusioniert. Irgendwie meinte man es doch verstanden zu | |
haben, das mit den Finanzen, war aber dann doch nicht so. Die Mechanismen | |
des Finanzwesens erscheinen genau so rätselhaft wie die des hauseigenen | |
Faxgerätes. Irgendwie hat es immer funktioniert. Bis es kaputt war. | |
Während aber das Faxgerät relativ komplikationslos ersetzt werden konnte, | |
oder eben nicht, weil es einfach nicht mehr zeitgemäß war, und dann | |
ersatzlos abgeschafft wurde, bildet das, was das Finanzwesen ausmacht, | |
immer noch die Grundlage eines ständigen Tauschs, den jeder von uns | |
eingeht. Es geht um Geld, das fast jeder, wenn auch in variierenden Mengen, | |
besitzt oder schuldet. Dieses Geld wird, zwecks Mehrung, in verschiedenen | |
Instrumenten, auch vom Endverbraucher, benutzt. Instrumente, von denen man | |
als Laie kaum erahnen kann, wie weit sie sich entwickelt haben und wie sie | |
funktionieren. Das Faxgerät also kann, wegen des geringen Schadens, den ein | |
defektes verursacht, leicht in Expertenhände gegeben werden. Bei | |
Finanzinstrumenten aber, so lehrt die derzeitige Krise, sollte man wegen | |
des großen Schadens, den ein Ausfall für die Lebensplanung bedeutet, ein | |
wenig mehr Kompetenz besitzen. Wenn die Krise eine Sache deutlich gemacht | |
hat, dann ist es die, dass der Finanzanalphabetismus ausgemerzt werden | |
muss. Wer ein Depot besitzt, sollte auch in Grundzügen wissen, wie das | |
funktioniert. Ein religiöser Glaube, die Hoffnung, dass schon alles wieder | |
gut wird, ist genauso fehlplatziert wie eine neuerliche Geldphobie. Wenn | |
wir jeden Tag mit Geld zu tun haben, dann sollten wir uns auch damit | |
beschäftigen. Zumindest ansatzweise. | |
So wäre denn auch zu lernen, dass die Anlage in Aktien nicht immer im | |
Desaster enden muss. Tut sie zwar gerade, was den Blick düster färbt, aber | |
im Grunde, so lehren die Wirtschaftswissenschaftler, sind die Erträge eines | |
Aktienportfolios, auf die Ewigkeit gerechnet, gleich null. Die Verluste | |
aber auch. Doch, wie sagte schon der Ökonom John Maynard Keynes: "Letzten | |
Endes sind wir alle tot." Vor dem Eintreten des Todesfalles aber empfiehlt | |
sich eine sinnvolle Anlagestrategie. | |
Und das ist die Lehre, die neben den Verbrauchern auch der Staat aus der | |
Krise ziehen sollte: vom Bürger keine private Vorsorge fordern, sondern ihm | |
gleichzeitig, am besten noch zu Schulzeiten, das Rüstzeug geben, seine | |
eigenen Finanzdinge sinnvoll zu regeln und so nicht in die Hände von | |
Anlageberatern und Bankschalterhubern zu geraten. Es muss nicht jeder | |
Wirtschaft studieren. Doch wie jeder in der Schule die Möglichkeit erhält, | |
die Grundlagen in den Fächern Deutsch, Geschichte oder Mathematik zu | |
erlernen, sollten schon Schüler eine Einführung in ihre finanzielle | |
Lebensplanung erhalten. Bevor der erste Handyvertrag abgeschlossen oder das | |
Konfirmationsgeld verprasst wurde. Die nun viel beschworene Angst ist | |
nämlich auch ein Resultat der Unwissenheit. Zwar auch des | |
Vertrauensverlustes, doch das Vertrauen in die Geldanlage war oft eher ein | |
Resultat der Faulheit. | |
Was jetzt nötig ist, das ist kein Expertentum für jedermann. Im Übrigen | |
wissen Experten, wie die Krise zeigt, ja auch häufig nicht, was sie tun. | |
Oder sie dürfen es, wie jüngst im Fall des Berliner Professors Harald | |
Uhlig, nicht sagen. Der hatte sich in seinem Blog auf der Website des | |
Handelsblatts über die Nerven der Anleger gewundert. Der Eintrag wurde | |
gelöscht, und Uhlig stellte sein Blog daraufhin ein. Der Aktienmärkte, | |
Märkte für Derivate und anderes sind eben keine vorhersehbaren Größen, | |
sondern zum Teil wird gezockt wie im Kasino. | |
David Miles, Professor für Finanzökonomie am Imperial College in London, | |
warnte schon in einer Studie von 2004, dass Kreditkunden in Großbritannien | |
nur ein schwaches Verständnis von Hypotheken und Zinsen hätten, ein | |
Zustand, der auch in anderen europäischen Ländern vorherrscht, ebenso in | |
amerikanischen, asiatischen und afrikanischen. | |
Zum Thema Geld zu schweigen und sich in Unwissenheit zu halten, das mag dem | |
einen vornehm vorkommen, dem andern mag die Einarbeitung in die Materie | |
lästig sein - diese beiden mögen mit dem Sparbuch glücklich werden. Wer | |
aber weiterhin sein Geld auf andere Art und Weise anlegt, der wird sich | |
trotz Heulens und Zähneklapperns mit dem Finanzwesen beschäftigen müssen. | |
Es ist schließlich das eigene Geld, das verloren werden könnte. Erinnert | |
sei an den ersten Satz des "Traktats über Währungsreform", in dem Keynes | |
1923 den Tod prophezeit: "Geld ist nur so wichtig wie das, was davon | |
gekauft werden kann." | |
7 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Natalie Tenberg | |
Natalie Tenberg | |
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Gold | |
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