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# taz.de -- Positivbeispiel Schweden: Eine Finanzkrise überleben
> Wie Schweden vor 16 Jahren mit einer teilweisen Verstaatlichung der
> Kreditrisiken seine Banken rettete.
Bild: Ach, erfahrene Schweden...
STOCKHOLM taz In Schweden zeichnete sich bereits 1990 eine Finanzkrise ab:
Finanzierungsgesellschaften, auf kurzfristige Kredite für den Kauf
ausländischer Immobilien spezialisiert, gerieten infolge eines
internationalen Preisverfalls in immer größere Zahlungsschwierigkeiten und
meldeten schließlich Konkurs an. Die Krise pflanzte sich bei den Banken
fort. Im Herbst 1991 musste der staatlichen Nordbanken frisches
Aktienkapital zugeführt werden, damit diese nicht ihren
Kapitaldeckungsrahmen unterschritt. In den Folgemonaten bekamen bis auf
eine Ausnahme alle großen Banken ähnliche Probleme.
Am 24. September 1992 gab die Regierung ein öffentliches
Garantieversprechen für alle Banken und einen Teil der übrigen
Kreditinstitute ab: Die Garantie galt für alle Gläubiger dieser Institute
und war in der Höhe unbegrenzt. Die Bestandsgarantie sollte aber
ausdrücklich nicht für Aktionäre der fraglichen Banken gelten - praktisch
hatte diese Einschränkung dann kaum Auswirkungen.
Um die großzügige Garantie auch einlösen zu können, war die schwedische
Nationalbank gezwungen, sich umfassend im Ausland zu verschulden. Die
Staatsschulden verdoppelten sich binnen vier Jahren. Was wiederum die schon
vorher unter Spekulationsdruck geratene Währung weiter abschwächte. Das
wachsende staatliche Defizit wurde in der Folge vor allem über Kürzungen im
Sozialsystem ausgeglichen.
Hatte das Finanzministerium die erste Etappe der staatlichen Rettungsaktion
administriert, wurde am 1. Mai 1993 dafür eine im Volksmund "Bank-Akuten"
genannte eigene Behörde zuständig: der "Bankstödsnämnden" ("Amt zur
Bankenunterstützung"). Über den Bankstödsnämnden übernahm der schwedische
Staat "unsichere" Kredite in Höhe von 65 Milliarden Kronen. Diese wurden in
speziell errichteten staatseigenen Gesellschaften platziert, wo sie
unabhängig von den Banken waren, die diese einst ausgeliehen hatten. Diesen
sollte so eine Chance gegeben werden, sich ohne die Last der faulen Kredite
wieder zu erholen.
Der internationale Zinsrückgang und Konjunkturaufschwung erlaubten es wider
Erwarten, den größten Teil dieser Kredite schon bis Ende 1994 zu
regulieren. 1996 konnte der Staat sogar ein gegebenes Garantieversprechen
aufheben. Die Schlussrechnung für den Staat belief sich auf 30 bis 35
Milliarden Kronen.
Die schwedische Rettungsaktion war weitgreifend, aber überschaubar. Es ging
nur um einige wenige, ähnlich konstruierte Banken; die Kreditausfälle waren
im Voraus einigermaßen berechenbar. Den Großteil der komplizierten
Wertpapierkonstruktionen, zusammengesetzt aus einem Bündel
unterschiedlicher Schuldpapiere, die heute eine solche Einschätzung nahezu
unmöglich machen, gab es damals nicht. Lars Thunell, ehemals Chef von
Nordbanken und Securum, jetzt Leiter des Weltbank-Organs IFC, meint: "Die
jetzige Krise ist natürlich vielfach schlimmer, weil sie global ist." Aber
ein Grundprinzip der schwedischen Konstruktion der Krisenhilfe hält er für
übertragbar: "dass man ein Modell findet, das konkurrenzneutral ist und
nicht diejenigen rettet, die am meisten spekuliert haben".
Das nachträgliche Urteil über den schwedischen "Bank-Akuten" fällt
kontrovers aus. Vor allem gab es Kritik, dass der Staat zwar Garantien
gestellt hat, diese aber nicht mit Forderungen verband und die
Verantwortlichen für ihre teilweise kriminellen Kreditmachenschaften nie
zur Verantwortung gezogen wurden. Andererseits sieht man auch, dass die
Bilanz für den Steuerzahler langfristig gar nicht so schlecht ausgefallen
ist: Die aus der ehemaligen Nordbanken hervorgegangene Nordea ist heute
Nordeuropas größter Bankkonzern. Die Banken nicht zu retten, hätte
womöglich infolge einer wirtschaftlichen Depression für Schweden sonst mehr
gekostet.
Bis auf eine staatlich garantierte Einlagensicherung - ca. 25.000 Euro pro
Sparguthaben bei einer Bank - wurden keine gesetzlichen Konsequenzen aus
der Bankenkrise gezogen. Im Jahr 2000 wurde zwar ein Gesetzentwurf zur
staatlichen Kontrolle von in Schieflage geratenen Banken vorgelegt, wonach
in einem solchen Fall automatisch das Stimmrecht für alle Aktien einer
solchen Bank an eine spezielle Krisenbehörde übergehen würde. Diese könnte
dann anstelle des Managements in Eigenverantwortung entscheiden, ob eine
Rekonstruktion oder die Liquidierung des Unternehmens ansteht. Seit acht
Jahren liegt der Gesetzentwurf nun schon in der Schublade.
REINHARD WOLFF
7 Oct 2008
## AUTOREN
Reinhard Wolff
Reinhard Wolff
## TAGS
Finnland
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