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# taz.de -- Soziologe zu Meinungskuratoren im Netz: „Facebook lässt sich nic…
> Algorithmen von Facebook & Co. legen fest, welche Netzinhalte „wertvoll“
> sind. Das Kartellrecht und das NetzDG sind dem nicht gewachsen, sagt
> Ulrich Dolata.
Bild: Bald nur noch Wohlfühl-Inhalte auf Facebook?
taz am wochenende: Herr Dolata, Facebook hat gerade angekündigt, seinen
Algorithmus so zu ändern, [1][dass Nutzer mehr Beiträge von Freunden zu
sehen bekommen] und weniger von Unternehmen, Medien und politischen
Gruppen. Damit sollen die Nutzer ihre Zeit „wertvoller“ auf Facebook
verbringen können. Auch Google erklärt gern, wie sie unser Leben „besser“
machen wollen. Das ist ja ganz netter Werbesprech, aber was verschweigen
uns die Unternehmen denn mit diesen Versprechen?
Ulrich Dolata: Erstens wissen wir nicht wirklich, wofür die Unternehmen
unsere Daten verwenden. Wir verlieren die Selbstbestimmung darüber.
Zweitens greifen Plattformen tief in unser Leben ein. Die Firma
entscheidet, welche Posts politisch inkorrekt oder sexuell anstößig sind
und deshalb gelöscht werden. Sie betätigt sich als Kurator des öffentlichen
Diskurses. Was früher dem öffentlichen Justizsystem oblag, erledigt nun
mindestens teilweise ein privater Konzern nach eigenen Regeln.
Gerade wird hitzig [2][über das NetzDG diskutiert], das strafbare Inhalte
in sozialen Medien verhindern und ahnden soll. Warum behandelt man Facebook
nicht wie Zeitungen – die dürfen ja auch keine strafbaren Inhalte
veröffentlichen?
Das ist eine irreführende Analogie. Im Gegensatz zur relativ begrenzten
Welt der alten Medien stellen die Internetkonzerne vergleichsweise wenig
Inhalt selbst her. Sie fungieren statt dessen als global agierende
Informationsbroker und filtern eine Unmenge von privaten Posts, Meldungen,
Nachrichten, Fotos und Filmen. Facebook, oder auch Google mit YouTube sind
deshalb keine klassischen Medienunternehmen und nur zum Teil für die
publizierten Inhalte verantwortlich.
Ist unsere Rechtsordnung diesen Geschäftsmodellen noch gewachsen?
In vieler Hinsicht derzeit nicht. Auch mit dem NetzDG, das Anfang des
Jahres in Kraft getreten ist, hat die Bundesregierung derartige
Entscheidungen teilweise in die Selbstregulierung der Unternehmen
delegiert. Die bestimmen nach wie vor darüber, welche Inhalte sie löschen
und welche nicht. Mit dem Gesetz erhält Facebook nun gewissermaßen
offiziell die Funktion eines Moderators der öffentlichen Meinungsbildung
und gleichzeitig die des Richters. Das Gewaltmonopol des Staats wird
teilweise privatisiert. Das finde nicht nur ich sehr bedenklich.
Ließe sich das anders regeln?
Vielleicht durch eine neue Aufsichts- und Regulierungsbehörde, die das
Internet im allgemeinen Interesse kontrolliert. Dort säßen dann anerkannte
und öffentlich bestellte Experten, die wissen, wie und was Facebook, Google
und Co. mit ihren Algorithmen steuern und beeinflussen können. Das wäre
auch deshalb gerechtfertigt, weil manche Internetunternehmen mittlerweile
eine monopolistische Macht errungen haben.
Gegen Monopole oder Oligopole – also Firmen, die den Markt dominieren –
gibt es das Kartellrecht. Funktioniert das hier nicht?
Facebook und Google sind im ökonomischen Sinn keine Monopole. Ihre Umsätze
und Gewinne finanzieren sie vornehmlich durch Werbung. In diesem Bereich
sind sie zwar wichtige Akteure, aber nicht marktbeherrschend.
Beispielsweise die TV-Sender oder die Printmedien bieten ihnen dort noch
starke Konkurrenz. Ihre Monopolstellung haben die Internetfirmen dagegen
woanders. Google wickelt in vielen Staaten rund 90 Prozent der Suchanfragen
im Internet ab. Und bei Facebook, sowie seinen Töchtern Whatsapp und
Instagram haben sich über 2 Milliarden Nutzer angemeldet. Hier gibt es
weltweit gibt keine ernsthaften Konkurrenten. Diese Leistungen sind aber
kostenlos. Streng genommen handelt es sich dabei deshalb nicht um Märkte –
und insofern auch nicht um Monopole.
Das ist eine Frage der Definition. Die Europäische Union kann das
Kartellrecht ändern.
In Deutschland ist bereits das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
entsprechend novelliert worden. Mittlerweile werden dort auch
Monopolstellungen bei unentgeltlich angebotenen Leistungen als Märkte
bewertet. Auf dieser Basis lässt sich prinzipiell nun auch gegen
entsprechende Angebote von Facebook oder Google vorgehen. Ich hege jedoch
Zweifel, ob das erfolgreich sein wird.
Wenn der Gesetzgeber es will, sind drastische Eingriffe möglich. In den USA
wurden beispielsweise der Ölkonzern Standard Oil und das
Telekom-Unternehmen AT&T zerschlagen. Sind das denn gute Beispiele?
Nein. Facebook bildet öffentliche Diskurse im Internet ab. Wie wollen Sie
einen solchen Konzern zerlegen? Man kann nicht Millionen Nutzer, deren
Namen mit Buchstaben von A bis K beginnen, in die eine Firma stecken, und
die Leute von L bis Z in eine zweite. Täte man es, wären die Vorzüge des
Social Networking und auch die dahinter stehenden Geschäftsmodelle tot.
Ebenso wenig hat es Sinn, Google zu verpflichten, den Suchalgorithmus
offenzulegen. Denn das würde dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Wie gesagt:
Ich halte eine stärkere öffentliche Regulierung und Kontrolle der
Unternehmen durch nationale und europäische Aufsichtsbehörden jedenfalls im
Moment für wesentlich sinnvoller als deren Zerschlagung oder Aufteilung.
Daran sollte die Politik mit Nachdruck arbeiten. Eine Atomaufsicht gibt es
ja schließlich auch.
22 Jan 2018
## LINKS
[1] /Neuer-Facebook-Algorithmus/!5476805
[2] /Kritik-am-Netzdurchsetzungsgesetz/!5474838
## AUTOREN
Hannes Koch
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