| # taz.de -- Historische Mitte Berlins: Ein Kronjuwel der Plattenbaukunst | |
| > Das Nikolaiviertel wurde unter Denkmalschutz gestellt – als | |
| > prominentestes Beispiel einer veränderten DDR-Baupolitik in den | |
| > 1980er-Jahren. | |
| Bild: Das Nikolaiviertel rund um die Nikolaikirche, direkt gegenüber die Schlo… | |
| Eins kann auf jeden Fall niemand bestreiten: Im Nikolaiviertel fühlt sich | |
| diese Stadt irgendwie anders an als sonst. Überhaupt nicht zugig. Fast ein | |
| wenig gemütlich. Ein bisschen wie eine Fußgängerzone in einer westdeutschen | |
| Kleinstadt, inklusive engen Gässchen. Wären nur nicht diese seltsam | |
| unbeholfenen Betongiebel aus Plattenbau, die entfernt an die Ritterburgen | |
| von Playmobil erinnern. | |
| DDR-Architekt Günter Stahn ließ sie anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins | |
| 1987 bauen. Und collagierte sie mit einer Reihe rekonstruierter | |
| Bürgerhäuser. Er hatte den Auftrag, historisierend ein Viertel mit 800 | |
| Wohnungen zu bauen, und zwar auf dem ältesten Siedlungsgebiet rund um die | |
| älteste Kirche der Stadt. | |
| Damals standen im Nikolaiviertel gerade mal noch fünf Häuser. Der Rest war | |
| im Zweiten Weltkrieg zerstört oder kurz darauf abgerissen worden. An Stelle | |
| des Nikolaiviertels plante die DDR Ende der 1950er Jahre eine Erweiterung | |
| der Spree zu einem weitläufigen Hafenbecken für Ausflugsdampfer. | |
| Genau aus diesem Grund ist das Nikolaiviertel nun unter Denkmalschutz | |
| gestellt worden. Es sei, so das offizielle Statement der Senatsverwaltung | |
| für Kultur und Europa, „das prominenteste Beispiel einer veränderten | |
| DDR-Baupolitik in den 1980er Jahren“. Wie im Westen besann man sich auch in | |
| der DDR plötzlich auf die Vorteile gewachsener Stadtstrukturen. Andere, die | |
| in den 1960er und 1970er Jahren entstanden sind, funktionieren ja bis heute | |
| eher weniger – man denke an die Platten in Marzahn oder die | |
| Karl-Marx-Allee, aber auch ans Märkische Viertel und die Gropiusstadt. | |
| ## Simulation von Alt | |
| Niemand muss sich darüber streiten, ob das gewagte Hybrid aus Neu und Alt – | |
| oder vielmehr die Simulation von Alt – im Nikolaiviertel wirklich | |
| ästhetisch gelungen ist. Fast rührend aus heutiger Perspektive auch, dass | |
| sämtliche der rekonstruierten Bürgerhäuser nie dort standen, wo sie heute | |
| sind: Das Ephraim-Palais, für das immerhin eingelagerte Originalteile | |
| verwendet wurden, stand ursprünglich zwölf Meter weiter südlich. | |
| Das Gasthaus Zum Nussbaum, in dem einst Heinrich Zille und Claire Waldoff | |
| ein und aus gingen, ist die Kopie eines Originals, das vermutlich 1571 auf | |
| der Fischerinsel gebaut worden war. | |
| Und bei der Gerichtslaube handelt es sich um die Kopie eines Anbaus des | |
| alten Berliner Rathauses an der Spandauer Straße, Ecke Rathausstraße. Das | |
| Original steht im Park von Babelsberg. | |
| Bei aller berechtigter Kritik: Wer an einem lauschigen Sommernachmittag auf | |
| dem Weg vom Alex zum Potsdamer Platz eine Pause braucht vom großen Summen, | |
| der ist nicht schlecht beraten, diese im Nikolaiviertel zu verbringen. Denn | |
| anders als viele Ecken in der alten Mitte Berlins funktioniert das | |
| Nikolaiviertel wenigstens. Man kann im Schatten sitzen, Spatzen füttern, | |
| spazieren gehen. Das ist hier im Umkreis von einigen Kilometern eine | |
| Rarität. | |
| 21 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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