# taz.de -- Abschluss der CSU-Klausur in Seeon: Der Kloster-Rebell | |
> Bei seiner ersten Klausurtagung als Landesgruppenchef hat sich Alexander | |
> Dobrindt Großes vorgenommen: Aber er muss seine neue Rolle noch finden. | |
Bild: Alexander Dobrindt, Chef der Landesgruppe und Gastgeber in Seeon | |
Seeon taz | Der Schnee fehlt noch immer, aber zumindest sorgen Sonne und | |
weiß-blauer Himmel am Dreikönigstag für eine standesgemäße Kulisse in | |
Kloster Seeon. So wird die Pressekonferenz zum Abschluss der | |
CSU-Klausurtagung noch schnell nach draußen verlegt. Die meisten | |
Abgeordneten sind bereits abgereist, Alexander Dobrindt kommt über den Hof, | |
tritt vor die Kameras. Eine erfolgreiche Klausur sei es gewesen, resümiert | |
er, man habe eine notwendige Debatte über bürgerlich-konservative Werte | |
geführt. | |
In der Tat treibt Dobrindt eine tiefe Sorge um diese Werte um. Der Chef der | |
CSU-Landesgruppe sieht Deutschland seit den 68ern beherrscht von einer | |
linken Elite, einer Meinungsführerschaft, die sich die Schlüsselpositionen | |
in Kunst, Kultur, Medien und Politik gesichert habe. Gegen die will der | |
CSU-Politiker nun aufbegehren. | |
In einem „Manifest“ in der Welt hat er deshalb jetzt eine „konservative | |
Revolution“ gefordert, ein intellektueller Aufschlag zur Klausurtagung | |
seiner Landesgruppe in Kloster Seeon. In dem Text konstruiert er sogar noch | |
einen Zusammenhang zum Islamismus: „Linke Ideologien, sozialdemokratischer | |
Etatismus und grüner Verbotismus hatten ihre Zeit. Der neue Islamismus | |
attackiert Europas Freiheitsidee und Selbstverständnis und darf seine Zeit | |
gar nicht erst bekommen.“ | |
Der Schachzug ist einigermaßen durchsichtig: Dobrindt will die eigene | |
Partei, seiner Auffassung nach die einzig legitime Vertretung der | |
„bürgerlichen Mehrheit“, zum Opfer stilisieren. Somit, die Hoffnung, könn… | |
man bei den an die AfD verlorenen Wählern wieder punkten, jenen eben, die | |
mit dem Stimmzettel gegen die sogenannten Eliten aufbegehren wollten, jene | |
also, die sich ebenfalls vom Mainstream abgehängt fühlten. Als sei nicht | |
die CSU selbst seit 1968 in Bayern rund um die Uhr und in Deutschland | |
zumindest in 30 von 50 Jahren mit an der Macht gewesen. Aber Elite? Nein, | |
das seien die anderen. | |
## Alte Taktik | |
Dass sich die CSU als Speerspitze des Widerstands gegen die da oben in | |
Berlin gibt, auch wenn man selbst Teil derer ist, das kennt man schon. | |
Diese Haltung gehört seit Franz Josef Strauß zum christsozialen | |
Selbstverständnis. Doch die Thesen des Landesgruppenchef gehen weit darüber | |
hinaus und sind zum Teil doch recht abwegig. | |
So verwundert es kaum, dass Dobrindts Manifest nicht so wirklich | |
ernstgenommen wird. Selbst der Bayerische Rundfunk, der sich vermutlich | |
nicht Dobrindts „linker Meinungsvorherrschaft“ zugehörig sieht, wertet den | |
Vorstoß als „Revolutiönchen“ und spricht von Worthülsen, die Dobrindt ni… | |
mit konkreten Beispielen unterfüttern kann. Auf das Manifest angesprochen, | |
winden sich in Seeon auch Parteifreunde, antworten ausweichend, loben den | |
Pluralismus in der Partei, der eben ein breites Spektrum von Meinungen | |
zulasse. Man sei eben eine echte Volkspartei. | |
## Monothematische Amtsführung | |
Und in dieser sucht Dobrindt gerade seine künftige Rolle. Seeon ist seine | |
erste Klausurtagung als Gastgeber. Nach seiner meist diplomatisch und im | |
Hintergrund agierenden Vorgängerin Gerda Hasselfeldt setzt der für markige | |
Sprüche bekannte Politiker nun merklich einen Kontrapunkt. Seit 2002 sitzt | |
der Diplom-Soziologe im Bundestag. Gewählt wurde er im früheren Wahlkreis | |
von Franz Josef Strauß. | |
Als Generalsekretär managte er für die CSU erfolgreich den Bundes- und den | |
Landtagswahlkampf im Jahr 2013, spätestens seit damals kann er sich auf den | |
Rückhalt von Parteichef Horst Seehofer verlassen. Und das, obwohl seine | |
Bilanz als Verkehrsminister der letzten Legislaturperiode eher ernüchternd | |
ausfiel: Im Abgasskandal, der komplett in seine Amtszeit fiel, ging er erst | |
sehr spät ein wenig auf Distanz zu den Autobauern, lange Zeit wurde er | |
wegen seiner eher monothematischen Amtsführung als „Maut-Minister“ | |
verspottet. Dennoch wird sein Name inzwischen auch genannt, wenn es darum | |
geht, wer Seehofer als Parteichef nachfolgen oder die CSU für den Fall von | |
Neuwahlen als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führen könnte. | |
In seiner neuen Funktion fällt es Dobrindt nun wesentlich leichter, wieder | |
an seiner Tätigkeit als Generalsekretär anzuknüpfen. Der Zeitungsbeitrag | |
war dabei nur der Anfang, die gesamte Inszenierung seines ersten Seeons | |
trägt diese Handschrift. Unter den Gästen der Klausur bekommt Viktor Orbán | |
die meiste Aufmerksamkeit – ebenfalls mit einer Kampfansage an die | |
vermeintlichen Eliten: In Seeon findet der Rechtspopulist eine Plattform, | |
um über die Regierungen einiger EU-Staaten herzuziehen, die seiner Meinung | |
nach den Volkswillen ignorierten und die Flüchtlingsfrage zum | |
„Demokratieproblem“ machten. Gern hätte Dobrindt auch Sebastian Kurz in | |
Seeon als Gast begrüßt, den neuen österreichischen Bundeskanzler und | |
Koalitionspartner der rechtspopulistischen FPÖ, doch dieser sagte aus | |
Termingründen ab. | |
## Good cop, bad cop? | |
Zum Abschluss am Samstag kommt schließlich noch Sachsens Ministerpräsident | |
Michael Kretschmer, in dem Dobrindt ebenfalls einen Mitstreiter im Kampf | |
gegen die linken Eliten sehen dürfte. Kretschmer gehörte im Herbst 2016 | |
gemeinsam mit Dobrindt zu einer bayerisch-sächsischen Männerrunde, die | |
einen „Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur“ vorstellten. | |
Nun will es der Kalender jedoch auch, dass diese Klausurtagung den Boden | |
bereiten soll für die Sondierungsgespräche mit der SPD. Auch hier ist es | |
wieder Dobrindt, der sich als härtester Knochen gibt. Während sein | |
Parteichef verkündet, er werde „persönlich alles dafür tun, dass diese | |
Koalition zustande kommt“, unterstreicht Dobrindt, er wolle keine Koalition | |
„mit einer SPD, die nur in der sozialistischen Mottenkiste kramt“. | |
Good cop, bad cop? Ein solches Zusammenspiel zwischen Seehofer und Dobrindt | |
vermeinten viele schon bei den Jamaika-Verhandlungen zu erkennen. In einem | |
fünfseitigen Forderungskatalog zu Sicherheit und Migration verlangt | |
Dobrindts Landesgruppe dann unter anderem Leistungskürzungen für | |
Asylbewerber, standardmäßige Untersuchungen zur Altersfeststellung junger | |
Flüchtlinge, konsequentere Abschiebungen, Beschränkungen beim | |
Familiennachzug und die bekannte Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro | |
Jahr. Dobrindt selbst geht auch hier noch einen Schritt weiter und befand, | |
man könne Familienzusammenführungen auch in Syrien organisieren. | |
Den potenziellen Koalitionspartner angesichts des neuen Revoluzzers in den | |
Reihen der CSU zu besänftigen, wird nun Seehofers Aufgabe sein. Der | |
CSU-Chef reist denn auch schon am Freitag ab. „Ich muss früher in Berlin | |
sein, damit das Ganze funktioniert.“ | |
6 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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