# taz.de -- Rainald Grebe über Theodor Fontane: Taucher im Stechlinsee | |
> Ratzfatz geht das: Lustig, teils auch holzschnittartig ist Rainald Grebes | |
> Abend „fontane.200“ über Theodor Fontane geraten. | |
Bild: Tilla Kratochvil und Iris Becher machen den Kriegslärm, Florian Anderer … | |
Zinnsoldaten, zu zehnt auf ein Brettchen gesteckt, in Blau und Grau für | |
Preußen und Dänen. Der Schauspieler Florian Anderer will mit ihnen auf | |
einem Tisch die Schlacht auf der Düppeler Schanze nachstellen, entscheidend | |
im deutsch-dänischen Krieg 1864. Aber die Sache nervt ihn, er haut mit dem | |
Schieber zum Verschieben der Soldaten wie mit einer Peitsche in die Luft, | |
zischt seine Sätze. | |
Er spielt in diesem Moment Theodor Fontane, den Kriegsberichterstatter. | |
Mosert über die Requisiten, die er allein aufbauen muss, künstliche | |
Geräusche vergrößern die Anstrengung. Mertens berichtet von gefallenen | |
Lieutenants, Uniformen fallen vom Bühnenhimmel, er stellt sie auf, sie | |
sacken um. Es ist ein Kampf gegen das Material, ein Slapstick, in dem er | |
sich immer mehr verhaspelt. Zwischendurch blättert er rasend durch | |
Notizhefte, zitiert aus Theaterkritiken, die zu schreiben gehörte auch zu | |
Fontanes journalistischem Einsatzgebiet. | |
Was man nach dieser Szene sicher weiß: Als Journalist, in seinen Jahren als | |
Lohnschreiber für die Kreuzzeitung, war Theodor Fontane kein glücklicher | |
Mann. Was man fühlt, ist aber auch etwas von der Peinlichkeit für die | |
Schauspieler, sich in eine Schlacht hineinzudenken. Sich die Sprache des | |
Militärs anzueignen, preußische Soldaten aufzustellen. Der hölzerne | |
Schieber, mit dem Modellsoldaten bewegt werden wie Chips auf dem | |
Roulettetisch und der so wütend durch die Luft fährt, hat etwas von einem | |
Abstandshalter zum Gegenstand, so fern ist uns die Zeit. | |
Die Szene gehört zu dem Abend „fontane.200: Einblicke in die Vorbereitungen | |
des Jubiläums des 200. Geburtstages Theodor Fontanes im Jahr 2019“, den | |
Rainald Grebe in der Schaubühne inszeniert hat. Sein Lied „Brandenburg“ | |
übrigens singt er nicht. Aber er erzählt schon, mit diesem Lied in eine | |
Verbindung zu diesem Bundesland geraten zu sein, aus der er nicht mehr | |
rauskommt: Er gilt jetzt als Brandenburg-Spezialist. Und wird als solcher | |
praktisch verpflichtet, über Fontane nachzudenken. | |
## Romane in drei, vier Szenen | |
Die Miniaturisierung, das Schrumpfen ins Zinnsoldaten- und Puppenformat, | |
ist eines der Mittel dieses vielseitigen Abends. Durch die Kulisse eines | |
kleinen Papiertheaters schwimmen Fische, während man aus Fontanes „Der | |
Stechlin“ lesen hört. | |
Seine Romane werden in drei, vier Szenen mit Figuren nacherzählt, die wie | |
Kasperlepuppen aus der Versenkung auftauchen. Fontanes Ironie verkürzt sich | |
zur Karikatur. Ratzfatz geht das, und ratzfatz fällt auch das Urteil über | |
seine Frauenfiguren. Viele habe es zwar gegeben, das ja, auch individuell | |
gezeichnet, aber leider, leider in allen Gesprächen immer mit Männern, | |
Liebe und Standesunterschieden beschäftigt. Das trägt Tilla Kratochwil vor, | |
die zuvor aus den Briefen von Fontanes Frau las. Auf Dauer doch etwas sehr | |
eingeengt in Haushaltsperspektiven. | |
Der Abend ist kurzweilig, die Blicke auf Fontanes Werke und sein Leben vor | |
allem in den langen Jahren, bevor er mit über sechzig zum erfolgreichen | |
Romanautor wurde, bilden spritzige Schnipsel. Manchmal tapst Grebe selbst | |
im Taucheranzug herum, auf der Suche nach dem Geheimnis des Stechlinsees. | |
Nicht als der hellste Fontane-Forscher stellt er sich dar, aber als der | |
verschrobenste. | |
Dazwischen sind Reportagefetzen von den Jubiläumsfeierlichkeiten | |
eingestreut. Etwas lustlos nach den Staumeldungen von einem Radiomoderator | |
vorgelesen, dem Fontane am Arsch vorbeigeht. Auf einer Leinwand sieht man | |
derweil endlose Landstraßen, Alleenbäume im Nebel. Aber so | |
holzschnittartig, wie die angepeilten Veranstaltungen klingen, so | |
holzschnittartig wirkt auch der Spott darüber. | |
## Popsongs als Gemütlichkeitstapete | |
Einmal gibt es O-Ton-Einspielungen, Umfragen zu Fontane. Da haut es einen | |
am Ende um, länger betont ein Politiker von der AfD, Andreas Kalbitz, dass | |
man die Werte von Fontane teile und viele Schnittmengen sehe: „Würde | |
Fontane heute leben, dann wäre er sicherlich AfD-Mitglied.“ Diese | |
Vereinnahmung des Dichters als Leitstern für Reaktionäre ist eine gruselige | |
Vorstellung. Aber sie bleibt unkommentiert. Das gehört zu den Schwächen der | |
Produktion, wo es haarig wird, bleibt sie achselzuckend stehen und weiß nun | |
auch nicht weiter. | |
Einiges wirkt auch wie eine Verlegenheitslösung. Die Popsongs, die gespielt | |
werden, scheinen bloße Gemütlichkeitstapete. Aber schließlich will der | |
Abend auch keine Jubiläumsfeier sein, sondern vom langen Anlauf auf ein | |
solches erzählen. Und da verläuft er sich denn gelegentlich in den | |
brandenburgischen Weiten. | |
16 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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