# taz.de -- Rainald Grebes neues Stück "Volksmusik": Des Müllers Lust | |
> Was sind die Volkslieder unserer Tage? Diese Frage untersucht der | |
> Liedermacher Rainald Grebe am Hamburger Thalia-Theater. | |
Bild: Lehrstunde in Hamburg: Rainald Grebe trifft Goethe. | |
Dem deutschen Volkslied geht es nicht gut: Es wird immer weniger gesungen, | |
das jedenfalls sagen Leute, die viel mit Liedern und Singen zu tun haben. | |
Das Volkslied wird auch immer weniger verkauft, das sagen Verlage, die | |
Liedersammlungen wie „Die Maultrommel“ herausgeben. | |
In anderen Ländern ist das anders: Dort singen die Menschen die Lieder | |
ihres Volkes, auch die jungen Leute und auch auf Partys, den ganzen Abend | |
lang. Das sagt Rainald Grebe, der viel in anderen Ländern unterwegs war, um | |
herauszufinden, wie es die anderen Völker mit ihren Volksliedern halten. | |
Grebe ist selbst Liedermacher, er schreibt Songs mit satirischen deutschen | |
Texten und hat schon diverse Kleinkunst- und Kabarettpreise abgeräumt. Nun | |
hat er eine Revue entwickelt, die das Volkslied und seine Probleme ernst | |
nimmt – auf kabarettistische Art und Weise. „Volksmusik“ heißt der Abend… | |
Hamburger Thalia-Theater, das sonst eher für ambitioniertes Regietheater | |
als für buntes Musikkabarett bekannt ist. | |
Der Ausgangspunkt ist eine Lagerfeuer-Party, auf der sich die Frage stellt, | |
was heutzutage Volkslieder sind und was nicht. Die zwei Wildecker Herzbuben | |
stehen etwas verloren im Hintergrund herum, räumen aber bald die Bühne: Es | |
soll um Volksmusik gehen, nicht um volkstümliche. | |
Grebe hat Menschen auf der Straße gebeten, ihnen ihre Lieblingsvolkslieder | |
vorzusingen, und spielt kurze Filme von diesen Begegnungen ein. Er hat | |
einen finnischen Schreichor besucht und jene Fans des Hamburger SV, die | |
jedes Wochenende im Stadion singen. Er veranstaltet ein „Der Mond ist | |
aufgegangen“-Karaoke mit dem Publikum und dirigiert so schräg, dass die | |
Leute aus dem Takt fallen. Und er hat am Hamburger Hauptbahnhof einen | |
Volkschor gecastet, aus Passanten, nach dem Zufallsprinzip. So ist der Chor | |
natürlich ein Multikulti-Chor geworden. Alle anstrengenden Fragen nach der | |
Identität des Volkes sind damit empirisch überzeugend beantwortet. | |
So reiht sich Szene an Szene, so folgen derbe Zoten auf eine Lehrstunde zur | |
Geschichte des Volksliedes (Goethe! Herder!) und ein | |
Volkschor-Schuhplattler folgt auf sensationelle Informationen zum | |
Hintergrund von „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Damit ist der | |
Theaterabend ebenso unberechenbar, vielfältig und chaotisch wie das, was er | |
unter die Lupe nimmt, nämlich das Volk und seine Lieder. | |
Die besten Szenen des Abends gehören dem Volkschor, die absurdesten | |
Liedzeilen kommen aus dem Liedgut des mallorquinischen „Ballermann“, die | |
poetischsten steuert Rainald Grebe selbst bei: „Da ist ein Loch im Himmel, | |
das geht nicht mehr zu.“ Es ist nicht alles gelungen an diesem Abend, aber | |
weil viel dabei ist, nehmen viele etwas mit. | |
27 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
Klaus Irler | |
## TAGS | |
Theodor Fontane | |
Gentrifizierung | |
Punk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rainald Grebe über Theodor Fontane: Taucher im Stechlinsee | |
Ratzfatz geht das: Lustig, teils auch holzschnittartig ist Rainald Grebes | |
Abend „fontane.200“ über Theodor Fontane geraten. | |
Neues Album der Band „Turbostaat“: In Eierlikörgefangenschaft | |
Auf die Band Turbostaat können sich sowohl die Antifa als auch der | |
Mainstream einigen. Ihr neues Album bietet Gentrifizierung zum Mitsingen. | |
Biografie der Punkband Slime: Symbol für Konflikte | |
Die Karriere der Hamburger Punkband Slime ist nun in einer Biografie | |
aufgeschrieben. Es ist auch die Geschichte der linken Szene, Hafenstraße | |
und St. Pauli. |