# taz.de -- Biografie der Punkband Slime: Symbol für Konflikte | |
> Die Karriere der Hamburger Punkband Slime ist nun in einer Biografie | |
> aufgeschrieben. Es ist auch die Geschichte der linken Szene, Hafenstraße | |
> und St. Pauli. | |
Bild: „Wir wollten keine verschissene Avantgarde-Kacke hören“, wird Slime-… | |
Man würde vielleicht nicht unbedingt auf die Idee kommen, Heinrich Heines | |
„Die schlesischen Weber“ mit der Punkband Slime in Verbindung zu bringen. | |
Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) aber hatten im Jahre 2000 | |
diesen gescheiten Einfall. Da erklärten sie das wahrscheinlich bekannteste | |
Lied der Band, „Deutschland muss sterben“, offiziell zu „Kunst im Sinne d… | |
Grundrechts“. | |
Im Gerichtssaal wurde Heines Gedicht verlesen, Slime zu dessen legitimen | |
(legalen!) Erben erklärt. Der Demoveranstalter, der den Slime-Song auf | |
einer Kundgebung abgespielt hatte und ein Strafverfahren am Hals hatte, war | |
bis zu diesem Urteil durch alle Instanzen gezogen. Bis er vor dem BVG Recht | |
bekam. | |
Diese Anekdote aus Daniel Rysers Bandbiografie „Slime – Deutschland muss | |
sterben“ erzählt viel über die Bedeutung von Slime. Ihr druckvoller Punk | |
mit anarchistischen Texten ist seit jeher als Politikum mehr von | |
öffentlichem Interesse gewesen als die musikalischen Qualitäten – denn das | |
Rad haben Slime mit mal bluesigem, mal folkigem Punk nicht neu erfunden. | |
Aber Slime ist ein Symbol – als Band, die vor allem im linksradikalen | |
Spektrum gefeiert wurde – derart vieler politische Konflikte innerhalb und | |
außerhalb der Linken, dass sie inzwischen als zeithistorisches Phänomen | |
interessant sind. Der Schweizer Journalist Daniel Ryser legt nun eine | |
Monografie über diese „Jukebox der linken Szene“ vor. | |
Neben allen (Ex-)Bandmitgliedern kommen vor allem Protagonisten der | |
Hamburger Punkszene zu Wort. Für Rocko Schamoni etwa waren Slime der | |
„verlängerte Arm der RAF im Punkrock“. Politisch steht die Band auch für | |
befremdlich anmutenden Antiimperialismus und einfältigen Antiamerikanismus. | |
## Reflektierter wurds erst 1984 | |
Ryser zeichnet den Werdegang Slimes vom ersten Auftritt 1979 im Hamburger | |
Jugendzentrum Kiwittsmoor an nach. Als „Slime“ und „Yankees raus“, die | |
ersten beiden Alben, Anfang der Achtziger erscheinen, besteht das | |
Repertoire vor allem aus Antifa- und Streetpunkhymnen mit simplen | |
Schwarz-Weiß-Texten: „Bullenschweine“ (der Song landet 2011 auf dem Index), | |
oder „Legal, illegal, scheißegal“. Reflektierter wird es erst mit dem Album | |
„Alle gegen alle“, erschienen 1984. | |
Die Auseinandersetzungen innerhalb der Hamburger Szene kulminieren schon | |
auf dem „Geräusche für die 80er“-Festival, veranstaltet von Alfred Hilsbe… | |
1979: Proletarische Punkbands wie die Buttocks stehen dort den | |
avancierteren Postpunk-Acts gegenüber, es kommt zu Schlägereien. „Wir | |
wollten keine verschissene Avantgarde-Kacke hören“, wird Slime-Gitarrist | |
Michael „Elf“ Mayer im Buch zitiert, der als Zuschauer dort ist. „In | |
München gab es keine strikte Trennung zwischen den Jugendkulturen“, sagt | |
Ted Gaier von den Goldenen Zitronen an anderer Stelle. | |
## Nachdenklich oder populistisch | |
Slime lösen sich 1984 zum ersten Mal auf. Grund war der Richtungsstreit | |
zwischen Schlagzeuger/Texter Stephan Mahler und Gitarrist Christian Mevs | |
auf der einen und Mayer und Sänger Dirk „Dicken“ Jora auf der anderen | |
Seite. Mahler schreibt die nachdenklicheren Texte, während Jora vor allem | |
populistische Slogans beisteuert. | |
Der Konflikt um die besetzten Häuser in der Hafenstraße, in denen Jora eine | |
Weile wohnt, wird ebenso geschildert wie der Anteil von Dicken an der | |
Entstehung der linken Fußball-Fankultur des FC St. Pauli. | |
Die Bandbiografie ist nicht ohne Schwächen. So beschreibt Autor Ryser im | |
ersten Teil eher die gesamte damalige Hamburger Szene um das Krawall 2000 | |
am Fischmarkt. Stärker ist der Text, wenn er den Musikern nahe kommt. Etwa | |
Mevs oder Mahler – allen voran aber Sänger Jora. Denn an Dicken reiben sich | |
alle. Über diesen Konflikt wird im Buch das gesamte inhaltliche Problem von | |
Slime verhandelt. Etwa, wie man antikapitalistische Kritik nach Ende des | |
Kalten Kriegs neu definieren muss. Oder das Musikalische, wie sich Punk ins | |
21. Jahrhundert transportieren lässt. | |
2012 kehrten Slime übrigens mit dem Album „Sich fügen heißt lügen“ zur�… | |
Es enthält vertonte Gedichte des Dichters Erich Mühsam. Musikalisch wirkt | |
es wie ein überflüssiger Aufguss. Das Lied „Deutschland muss sterben“ abe… | |
welches den „Soldatenabschied“ nach Heinrich Lersch („Deutschland muß | |
leben, auch wenn wir sterben müssen“) elegant konterkariert, wird in | |
Erinnerung bleiben. Vielleicht sogar so lange wie Heine. | |
## Daniel Ryser: „Slime – Deutschland muss sterben“. Heyne Verlag, Münch… | |
2013, 288 Seiten, 19,90 Euro | |
## Lesetour mit Slime-Unplugged: 3. 4. Wiesbaden, 4. 4. Bielefeld, 5. 4. | |
Hagen, 6. 4. Osnabrück, 7. 4. Hamburg, wird fortgesetzt. | |
3 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
Jens Uthoff | |
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