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# taz.de -- „Feine Sahne“ über den Verfassungsschutz: „Das ist eine Schw…
> Die Band Feine Sahne Fischfilet macht mit ihrer Musik Mut gegen Rechts.
> Jetzt steht die nächste Tour an. Ein Gespräch über Wut, den NSU und
> Zusammenhalt.
Bild: „Hier geht noch was“, sagt die Band Feine Sahne Fischfilet
taz: Herr Gorkow, Herr Bobzin und Herr North, im April kommt eine Doku über
Feine Sahne Fischfilet in die Kinos („Wildes Herz“), gerade ist Ihre neue
Platte „Sturm und Dreck“ erschienen. Wie hängen diese beiden Projekte
zusammen?
Jan „Monchi“ Gorkow: Charly Hübner hat mich angequatscht, wir haben als
Band gesagt: „Machen wir“, und er hat uns dann einfach die letzten drei
Jahre begleitet. „Sturm und Dreck“ ist der Soundtrack dazu. Im Grunde war
es wie in dem Song „Alles auf Rausch“ auf dem neuen Album: Genau in dieser
Zeit, wo für uns eins nach dem anderen kam und es tatsächlich wie im Rausch
war, ist der Film entstanden.
Die Tour „Noch nicht komplett im Arsch“, bei der Sie im Spätsommer 2016
durch Mecklenburg-Vorpommern getourt sind, um vor den Landtagswahlen gegen
den dortigen Rechtsruck mobil zu machen, war sehr beeindruckend. Viele
Menschen fragen sich, wie sie rechten Tendenzen effektiv entgegentreten
können.
Gorkow: Wir haben das Privileg, viele Leute erreichen zu können. Für uns
war klar, dass wir da was machen wollen. Und so sind wir auf die Dörfer
gefahren und haben diese Aktion gerissen. Wir haben nicht den Anspruch, mit
unserer Musik die Welt zu verändern. Die ganzen Aktionen, die wir in
kleinen Orten mit ganz vielen Menschen zusammen gemacht haben, hatten zum
Ziel, dass bei den Leuten ankommt: Hier geht noch was. Es gibt was Anderes
als diesen Rechtsruck. Und wir haben da nicht das Rad neu erfunden, sondern
wir haben gegrillt mit den Leuten, wir haben Fußballspiele gemacht, wir
haben Konzerte gespielt – das kann jede andere Band auch.
Bei Konzerten für Optimismus und Zusammenhalt zu sorgen ist die eine Sache.
Nur scheint sich dieses Gefühl im politischen Alltag oft zu verlieren, und
die Gruppen vereinzeln sich wieder.
Gorkow: Ja, schade.
Max Bobzin: Ich sehe es nicht als unsere Aufgabe an, daran etwas zu ändern.
Wir können nur von außen einen Anstoß geben, den Rest müssen die Leute dann
selber machen. Da muss man dann halt auch mal über seinen eigenen Schatten
springen. Auch meine politischen Vorstellungen entsprechen schon längst
nicht mehr dem, wovon ich mal geträumt habe.
Gorkow: Wir können nur das machen, was wir können. Darauf haben wir Bock.
Und jeder muss halt selber in seinem eigenen Mikrokosmos irgendwie
existieren. Dann soll er das machen, aber dann soll er mir damit nicht auf
den Sack gehen.
Bobzin: Wir sind gesellschaftlich gesehen nicht an dem Punkt, wo wir uns
über Kleinigkeiten streiten können. Wir sind an einem dramatisch anderen
Punkt.
Jacobus North: Genau das ist es auch, weshalb ich glaube, dass das Album
auch wieder ein bisschen wütender geworden ist. Ich hab das vor allem als
ein Wachrütteln gesehen.
Was war zuerst da, die politische Motivation oder die Musik?
Gorkow: Also, ganz zu Anfang war Feine Sahne einfach dazu da, um Musik zu
machen. Da ging’s auf jeden Fall nicht um Politik, sondern scheißegal. Wir
haben die ganze Zeit über Titten und Muschis gesungen und übers Saufen.
North: Da reden wir nicht drüber.
Gorkow (lacht): Anfangs war uns das total latte. Aber wenn du immer in so
Dörfern wie Demmin gespielt hast und erst mal übers Saufen und Ficken
singst, dann finden das halt auch Nazis geil. Als wir das dann gecheckt
haben, dachten wir uns, da müssen wir uns positionieren.
Bobzin: Politische Musik ist jetzt vielleicht nicht unser Gründungsmythos,
ich würde aber sagen, dass das schon zeitnah miteinander einherging.
Gorkow: Eigentlich kommen die Themen auf uns zu. Bei „Angst frisst Seele
auf“ beispielsweise geht es um eine Band namens „Erschießungskommando“, …
ein Lied geschrieben hat über eine Freundin von mir, Katharina König-Preuß,
die im thüringischen NSU-Untersuchungsausschuss sitzt. In deren Lied geht
es drei Minuten lang nur darum, wie sie ermordet wird. In unserem Song
lauten dann die Textzeilen „Wenn alle mutlos sind, dann halt dich an mir
fest und schlag zurück“. Für mich ist das ein hochpolitisches Lied.
Bobzin: Mit den Geschichten werden auch die Themen immer größer. Bei „Dreck
der Zeit“ zum Beispiel geht es um Oury Jalloh, der von Polizisten
angezündet und ermordet wurde. Klar kann man auch sagen, Bullen sind
scheiße. Ich glaube, jeder weiß, wie wir dazu stehen. Aber darum geht’s
nicht. Man muss auch mal die Opfer in den Vordergrund rücken und nicht nur
Leute, die man scheiße findet. Die kriegen schon genug.
North: Man durfte ja auch jahrelang nicht sagen, dass der Verdacht besteht,
Oury Jalloh sei ermordet worden; das muss man sich mal vorstellen. Es gab
Demonstrationen in Dessau, und was da abgelaufen ist, das ist ein Skandal.
Da sind so viele Geschichten, die eigentlich mediale Skandale sein sollten.
Schockiert es Sie, zu sehen, wie stark manche Institutionen offensichtlich
von rechten Strukturen durchtränkt sind?
Gorkow: Der Verfassungsschutz ist eine Behörde, die einfach abgeschafft
gehört. Die hat den NSU mit aufgebaut, und das ist ja nur der eine Komplex.
Der Verfassungsschutz steht da in einer Tradition und wird so auch noch
weiter existieren. Ich hab mal ein dreimonatiges Praktikum zum NSU im
thüringischen Landtag gemacht, und allein, was ich da ansatzweise
mitbekommen habe, was diese staatliche Behörde in neonazistische Strukturen
reingesteckt hat an Geld, an Zeit, an Aufbauarbeit, an Arbeit, um diese
Verbrechen zu vertuschen – diese Behörde ist ’ne Schweinebehörde.
Werden Sie dieses Jahr wieder in einem Verfassungsschutzbericht auftauchen?
Gorkow: Nein. Seit zwei, drei Jahren tauchen wir da nicht mehr auf. Das ist
jetzt vielleicht noch ein Aufhänger für so Medien-Sachen, aber für uns ist
das scheißegal. Wir machen unser Ding.
Feine Sahne Fischfilet ist mittlerweile ziemlich populär. Wie ist das für
Sie?
North: Ich lese kein Internet und gucke nicht in die Zeitung.
Gorkow: Für uns ist da sehr viel Absurdes im Positiven wie im Negativen,
was wir erleben dürfen. Auf so großen Festivals spielen zu können, so eine
eigene riesige Tour zu spielen, das ist einfach absurd einerseits, aber
auch affengeil. Man kann das schwer beschreiben.
Bobzin: Die Leute haben ja immer Angst, dass die Popularität etwas mit
einem macht. Natürlich verändert einen das. Wir werden auch Fehler machen,
klar, aber wir werden auch noch in zehn Jahren mit den Leuten danach saufen
gehen. Ob wir es dann noch können, ist dann eher die Frage (lacht).
Gorkow: Es ist gut, dass wir uns sechs haben, damit wir, falls mal
irgendwer ’nen Höhenflug bekommt, uns gegenseitig runterholen. Aber es ist
auch geil, das Hoch zu genießen. Schließlich rackern wir auch ordentlich.
Herr Gorkow, Sie engagieren sich in der Initiative „MV für Kobane“, haben
auch selbst geholfen, Spenden in die kurdische Stadt zu transportieren. Wie
kam das?
Gorkow: Ich sympathisiere einfach mit allen progressiven Kräften, die sich
dem IS in den Weg stellen, weil ich die als Faschisten ansehe. Ich kannte
Leute, die in Kobane waren, und bin dann einfach hingefahren. Was mich dort
sehr beeindruckt hat, war der Umgang der Leute mit der Situation.
Zigtausend Leute flüchten, Menschen helfen sich gegenseitig, Leute stellen
sich dem IS in den Weg. Ich habe vor Leuten, die die Waffe in die Hand
nehmen, äußersten Respekt.
Waffen in die Hand?
Gorkow: Na ja, das hat ja auch was mit Bildung und allem zu tun. Waffen
sind ganz unterschiedliche Sachen. Aber der IS schlachtet Leute ab, den
wirst du nicht mit ’nem Buch besiegen können.
Bobzin: Auch, wenn Leute praktisch menschliche Sachen machen, ist das eine
Waffe. Das ist nicht unbedingt politisch, sondern das sind Leute, die
Menschlichkeit zeigen. Zusammenhalt ist auch manchmal etwas sehr Geiles.
Womit wir wieder beim Album wären.
Gorkow: Klar, bei „Wir haben immer noch uns“, da geht’s um Zusammenhalt.
Wir sind nicht alleine, hier geht noch was.
16 Jan 2018
## AUTOREN
Annika Glunz
## TAGS
Lesestück Interview
Verfassungsschutz
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Feine Sahne Fischfilet
Chemnitz
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Sicherheitsbehörden
Schwerpunkt Rassismus
Politisches Theater
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