# taz.de -- Studie zu Kriminalität und Zuwanderung: Was misst die Kriminalstat… | |
> In Niedersachsen soll die Zahl der Straftaten durch Flüchtlinge stark | |
> gestiegen sein. Doch die Aussagekraft der Zahlen ist zweifelhaft. | |
Bild: Eine Interpretationshilfe für die Polizeiliche Kriminalstatistik | |
Worum geht's? | |
Der Kriminalwissenschaftler Christian Pfeiffer hat im Auftrag des | |
Bundesfamilienministeriums eine Studie zur Gewaltentwicklung in Deutschland | |
vorgestellt, die sich insbesondere mit Flüchtlingskriminalität in | |
Niedersachsen beschäftigt. Pfeiffers Studie zufolge ist zwischen 2014 und | |
2016 die Zahl der Gewalttaten in Niedersachsen gemäß Polizeilicher | |
Kriminalstatistik (PKS) um 10,4 Prozent gestiegen. Zu 92,1 Prozent sei | |
diese Zunahme Flüchtlingen zuzurechnen. | |
Was misst die Polizeiliche Kriminalstatistik? | |
Das Bundeskriminalamt und die entsprechenden Behörden in den Ländern | |
veröffentlichen jährlich Kriminalstatistiken. Diese messen jedoch nur die | |
Anzahl der erhobenen Strafanzeigen, nicht etwa rechtskräftige | |
Verurteilungen. Eine Zunahme der Gewaltkriminalität durch Flüchtlinge ist | |
anhand der PKS nicht zwingend nachzuweisen, wohl aber, dass sehr viele | |
Straftaten angezeigt wurden, bei denen Flüchtlinge verdächtigt wurden. | |
Was ist daran problematisch? | |
Die Autoren der Studie geben an, dass Gewaltdelikte von Flüchtlingen | |
mindestens doppelt so oft angezeigt würden wie von deutschen Tätern verübte | |
Gewaltdelikte. Dadurch erreichten Straftaten von Migranten „eine | |
entsprechend erhöhte Sichtbarkeit“. Das verdiene Beachtung, weil die aus | |
den schlichten Beschuldigtenzahlen entstehenden Fehleinschätzungen dazu | |
missbraucht werden könnten, Ängste vor Flüchtlingen sowie eine allgemeine | |
Ausländerfeindlichkeit zu schüren. „Medien und Politik sollten deshalb | |
stets auf diesen Verzerrungsfaktor hinweisen“, empfiehlt die Studie. | |
Wie kommen die Verzerrungen zustande? | |
Eine Schülerbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts | |
Niedersachsen ergab 2015, dass Opfer häufig solche Täter anzeigen, die sie | |
nicht persönlich kennen, weil Fremde eher als Bedrohung empfunden würden. | |
Im persönlichen Umfeld hingegen zögerten Opfer mit einer Anzeige, unter | |
anderem deshalb, weil sie Angst davor hätten, vom Täter unter Druck gesetzt | |
zu werden. Aufgrund der Sprachbarriere könnten sich geflüchtete Täter und | |
deutsche Opfer auch oft nicht verständigen. In der aktuellen Studie heißt | |
es dazu: „Das reduziert die Chancen beträchtlich, dass es nach der Tat zu | |
einer Verständigung darüber kommt, den Vorgang auf irgendeine Weise intern | |
zu regeln.“ | |
Wie aussagekräftig sind die PKS-Kriterien? | |
Die Erfassung der Herkunft von Tatverdächtigen zeigt, dass | |
Strafverfolgungsbehörden dieses Merkmal für relevant halten und eine | |
gewisse Andersartigkeit nichtdeutscher Straftäter zumindest vermuten. | |
Sozioökonomische Aspekte werden jedoch nicht erhoben. Eine Differenzierung | |
von Tatverdächtigen aufgrund von Bildung, Einkommen und Arbeitssituation | |
findet nicht statt. Migranten und vor allem Flüchtlinge leiden aber | |
häufiger unter Armut sowie Arbeitslosigkeit und leben im Gegensatz zu | |
Deutschen ohne Einwanderungsgeschichte vermehrt in prekären Milieus. | |
Studien [1][deuten darauf hin], dass soziale Randständigkeit | |
Gewaltkriminalität befördert. Über die möglichen Ursachen von Gewalt sagt | |
die Polizeiliche Kriminalstatistik jedoch nichts aus. | |
3 Jan 2018 | |
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[1] https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Gutachten_Kriminalita… | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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