| # taz.de -- Rechtspopulismus in Italien: Neofaschisten in Talkshows | |
| > „Wir sind keine Rassisten“, verkündet Simone Di Stefano von Casapound | |
| > Italia. Aber natürlich gelte: „Italien den Italienern.“ | |
| Bild: Rechtsaußen: Simone Di Stefano vom CPI | |
| Rom taz | Als Beppe Grillos Movimento5Stelle (M5S) im Jahr 2013 mit | |
| triumphalen 25 Prozent ins Parlament einzog, rissen sich sämtliche | |
| Talkshows Italiens um die Neuparlamentarier von der | |
| Anti-Establishment-Protestbewegung. Bloß: Es waren die Leuten aus der | |
| Fünf-Sterne-Truppe, die keinerlei Lust hatten, sich in die Studios zu | |
| setzen und dort mit Politikern anderer Parteien und Journalisten | |
| herumzuzanken. | |
| Schon aus diesem Grund fiel seinerzeit in Italien die Debatte über die | |
| Frage, ob die Medien „Populisten“ eine Bühne bieten dürfen, ob sie gar an | |
| deren Aufstieg Schuld tragen, völlig aus. Allzu offensichtlich war, dass | |
| das M5S nicht dank, sondern ohne die Medien seinen rasanten Aufstieg | |
| vollzogen hatte. Doch es gibt einen zweiten Grund, warum die Frage, wie mit | |
| „Anti-System-Kräften“ umzugehen sei, schlicht nicht gestellt wird: Sie ist | |
| nämlich längst beantwortet. Selbst Politiker, die sich zu rechtsradikalem | |
| Gedankengut bekennen (und damit ist nicht das M5S gemeint), kommen in den | |
| TV-Talks immer wieder zu Wort. | |
| Die Dämme brachen schon vor Jahren, in der Endphase der „Ersten Republik“ | |
| der Christdemokraten und Sozialisten, die unter der Last ihrer | |
| Korruptionsskandale zusammenbrach. Ausgerechnet der stramm linke Moderator | |
| Michele Santoro lud 1991 erstmals Gianfranco Fini, seinerzeit Chef der | |
| neofaschistischen Partei MSI, in seinen Talk „Samarcanda“ ein. Und Luciano | |
| Lama, Ex-Vorsitzender des von Kommunisten beherrschten Gewerkschaftsbundes | |
| CGIL, fand sich zur Konfrontation bereit. | |
| Damals war das noch ein Tabubruch. 1994 gewann Silvio Berlusconi mit seiner | |
| Forza Italia erstmals die Wahlen, im Bündnis mit der Lega Nord, die | |
| seinerzeit grob rassistisch vor allem gegen Süditaliener austeilte, und mit | |
| dem neofaschistischen MSI, das dann 1995 die Wende zum „Postfaschismus“ | |
| vollzog. Berlusconi selbst kontrollierte die drei größten Privatsender des | |
| Landes, die Regierung hatte Zugriff auf die drei TV-Wellen der staatlichen | |
| RAI – die Frage, ob man Populisten ein Bühne bieten dürfe, war damit ganz | |
| von selbst vom Tisch. | |
| Heute dürfen sich selbst die Neofaschisten von Casapound Italia (CPI) über | |
| Einladungen zu Fernsehdiskussionen freuen. Das gestiegene Interesse | |
| verdankt CPI der Tatsache, dass ihm 2016 in Bozen mit sechs Prozent, dann | |
| vor wenigen Wochen in Rom bei der Stadtbezirkswahl im Viertel Ostia mit | |
| jeweils neun Prozent erste politische Durchbrüche gelungen sind. Ganz zahm | |
| gibt sich dann jedes Mal der CPI-Frontmann Simone Di Stefano. „Wir sind | |
| keine Rassisten“, verkündet er, aber natürlich gelte: „Italien den | |
| Italienern.“ | |
| Und ihrerseits fanden diverse TV-Promis nichts dabei, mit | |
| Diskussionsveranstaltungen im Casapound-Parteisitz den Faschisten bei ihrer | |
| Imagepflege zu helfen. Enrico Mentana verteidigte sein Kommen gegen | |
| Kritiker mit den Worten, „nur Trottel entziehen sich der | |
| Auseinandersetzung“. | |
| Und der linke Corrado Formigli hatte den witzigen Einfall, während seiner | |
| Diskussion mit den Casapound-Faschisten kritisch anzumerken, sie hätten | |
| sich noch nicht klar genug vom Faschismus distanziert, mochte den Rechten | |
| allerdings nicht das Kompliment vorenthalten, anscheinend hätten sie „die | |
| Spielregeln der Demokratie akzeptiert“ – auch wenn Aktivisten aus deren | |
| Reihen mit schöner Regelmäßigkeit wegen Körperverletzung oder Bedrohung | |
| politischer Gegner verurteilt werden. | |
| 29 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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