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# taz.de -- Linker Flügel gegen Realos: Grüne suchen neue Spitze
> Anja Piel, Annalena Baerbock, Robert Habeck: Auf dem Parteitag Ende
> Januar wird es zur Kampfabstimmung über die neuen Spitzengrünen kommen.
Bild: Wer macht das Rennen? In knapp drei Wochen wird abgestimmt
Berlin taz | Drei Wochen vor dem Parteitag in Hannover ist klar, dass die
Grünen ihre Parteispitze komplett erneuern: Grünen-Chefin Simone Peter hat
am Montag angekündigt, [1][nicht mehr für das Amt zu kandidieren].
Gleichzeitig bewarb sich die niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel um
den Parteivorsitz. Beide Frauen gehören zum linken Flügel der Grünen.
Peter begründete ihren Rückzug auch mit Piels Kandidatur. „Mir ist wichtig,
dass die verschiedenen Meinungen, Richtungen, Strömungen in der
Parteispitze weiterhin vertreten sind“, sagte Peter. Sie wolle sich einer
Erneuerung an der Spitze der Partei nicht verschließen. „Jetzt gibt es ein
breites Angebot für die Parteispitze.“
Traditionell ist das grüne Führungsduo doppelt quotiert. Es gibt eine Frau
und einen Mann und einen Vertreter des linken und des realpolitischen
Flügels. Bisher hatten lediglich zwei Realos Kandidaturen angekündigt:
Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck und die
Klimaschutzexpertin Annalena Baerbock aus Brandenburg.
Seit Wochen diskutieren die Grünen deshalb, ob Personalpolitik nach
Flügelproporz noch zeitgemäß ist. Führende Realos, etwa Baden-Württembergs
Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder Parteichef Cem Özdemir,
[2][erklärten das Flügeldenken für veraltet], Linksgrüne wie Peter hielten
dagegen.
## Steuererhöhungen sind bei Realos verpönt
Piel setzt in ihrer Bewerbung offensiv linke Akzente. „Glauben wir daran,
dass wir mit unseren Ideen von Umverteilung und Gerechtigkeit eine linke
Alternative sind?“, fragt sie etwa. Umverteilung, also: Steuererhöhungen,
ist bei vielen Realos verpönt.
Piel gilt als bodenständig und integrativ – die charismatischste Rednerin
ist sie allerdings nicht. Sie verantwortete als Spitzenkandidatin eine
klare Niederlage bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Herbst. Die
Grünen sackten von 13,7 Prozent im Jahr 2013 auf 8,7 Prozent ab – und
flogen aus der Regierung.
Dass Simone Peter sich zurückzieht, ist indes keine Überraschung. Noch im
Sommer hatte sie zwar eine erneute Kandidatur angekündigt. Seit Baerbocks
Bewerbung betonte sie aber stets, einer Erneuerung nicht im Wege stehen zu
wollen. Peter gilt – auch unter Linksgrünen – als wenig erfolgreiche
Parteivorsitzende. „Simone hätte gegen Annalena Baerbock keine Chance
gehabt“, sagt eine Grünen-Strategin. Ein anderer: „Sie fiel in die
Kategorie: Dead Man Walking.“
Die interne Kritik: Peter habe als Chefin wenige Akzente gesetzt, teils
strategisch unklug agiert und sie sei in den Medien vor allem durch
vernichtende Porträts aufgefallen, zuletzt im Spiegel. Aufsehen erregte
Peter Anfang 2017, als sie die Polizei dafür kritisierte, in der
Silvesternacht 1.000 Männer allein wegen ihres angeblich nordafrikanischen
Aussehens festgesetzt zu haben. Die Bild-Zeitung diffamierte Peter damals
als „grün-fundamentalistisch-realitätsfremde Intensivschwätzerin“. Aus d…
verunsicherten Ökopartei, die es sich mit dem flüchtlingskritischen
Mainstream nicht verscherzen wollte, kam kein Widerspruch – sondern harsche
Kritik an der eigenen Chefin.
## Andere linke Frauen sollen intern abgewunken haben
Piel und Peter waren nach taz-Informationen vor ihren Entscheidungen in
engem Austausch. Einiges spricht dafür, dass Piels Kandidatur Simone Peter
einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglichte – schließlich hatte sie immer
auf die Präsenz des linken Flügels gepocht. Andere linke Frauen aus der
Fraktion haben dem Vernehmen nach zuvor intern abgewunken. Weil Piel nun
ihren Hut mit Habeck und Baerbock in den Ring wirft, wird es auf dem
Parteitag Ende Januar in Hannover zu einer Kampfabstimmung kommen.
Führende linke Grüne begrüßten Anja Piels Kandidatur: „Starkes Signal“,
twitterte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. „Ich freue mich über die
Kandidatur von Anja. Denn sie steht für ein klares Profil der Grünen als
Partei der Gerechtigkeit“, sagte auch Fraktionschef Anton Hofreiter der
Rheinischen Post.
Auch Parteichef Cem Özdemir hat angekündigt, nicht noch einmal für sein Amt
zu kandidieren. Özdemir, einer der beliebtesten Politiker in Deutschland,
wird in Zukunft ohne wichtige Funktion auskommen müssen. Der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung sagte er, dass er sich nicht zur Wahl als
Fraktionsvorsitzender stellen wolle. „Ich habe erkennbar keine Mehrheit“,
sagte Özdemir. „Das muss ich akzeptieren.“ Er hätte gegen Hofreiter
antreten müssen, der mit seiner Kofraktionschefin Katrin Göring-Eckardt
wieder kandidiert. Hofreiter ist bei den Abgeordneten beliebt, er gilt als
integrierend und kann auf die Stimmen der Linken und Zentristen setzen.
Özdemir gilt vielen als Hardcore-Realo, der sich zum Fürsprecher der
Kretschmann-Linie machte – und so spaltete, statt zu einen.
8 Jan 2018
## LINKS
[1] /Kandidatur-fuer-Gruenen-Vorsitz/!5475246
[2] /Innerparteiliche-Konflikte-der-Gruenen/!5468034
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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Realos
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