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# taz.de -- Berliner Polizeiakademie: Untersuchen statt aussitzen
> Die Polizeiakademie soll nun ein unabhängiger Experte unter die Lupe
> nehmen, beschließt der Innenausschuss am Montag. Die Diskussion um die
> Reform geht weiter.
Bild: Feierliche Vereidigung bei der Berliner Polizei im November
Eigentlich sollten sie Selbstverständlichkeiten sein, die Sätze, die
Polizeipräsident Klaus Kandt an diesem Montagmorgen im Innenausschuss des
Abgeordnetenhauses gleich zu Beginn ausspricht: Nicht jeder Polizeianwärter
mit arabischem oder türkischem Namen sei verdächtig. Auch Bewerber aus
einschlägig bekannten Familien dürften nicht vorverurteilt werden. Die
Herkunft könne kein Grund für eine Ablehnung an der Berliner
Polizeiakademie sein.
Dass der Polizeipräsident solche Selbstverständlichkeiten betont, liegt an
der aufgeregt geführten Debatte über die Zustände an der Polizeiakademie,
die in dieser Sitzung des Innenausschusses erneut aufgerollt wird. Ende
Oktober hatte Kandt eine anonyme Sprachnachricht eines Ausbilders erhalten,
der Lernverweigerung, Hass und Gewalt in einer Klasse mit einem hohen
Anteil von SchülerInnen mit Migrationshintergrund beklagte. In der Folge
war von grundsätzlichem Disziplinmangel und sogar von einer vorsätzlichen
Unterwanderung der Schule durch „kriminelle Clans“ die Rede gewesen: Alle
möglichen Vorwürfe von Drogenhandel bis zu ungepflegtem Äußeren wurden von
„anonymen Insidern“ erhoben.
## Kein Disziplinproblem
Beweise für die Stichhaltigkeit dieser Vorwürfe gibt es nicht. Ein
Sonderbericht der Polizeiführung im Dezember stellte zwar fest, dass es
Fälle gravierenden Fehlverhaltens einzelner Schüler gebe, sah aber kein
generelles Problem mit Disziplin. „Es gibt keinerlei Erkenntnisse, dass
sich Gruppen der organisierten Kriminalität das Ziel gesetzt haben, die
Polizei zu unterwandern“, weist Kandt am Montag auch die zweite inhaltliche
Stoßrichtung der Vorwürfe zurück.
Die Diskussion am Montag macht erneut deutlich, dass es sich bei dem Streit
vor allem um einen Konflikt verschiedener pädagogischer Ansätze und
Generationen handelt. Die Ausbildung auf dem im Zentrum der Debatte
stehenden Campus in Ruhleben, auf dem PolizistInnen für den mittleren
Dienst ausgebildet werden, wird seit 2016 umfassend reformiert. Auch der
neue Name Polizeiakademie hängt mit dieser Reform zusammen, die Jochen
Sindberg, Leiter der Schule, am Montag als „Mammutprojekt“ bezeichnet.
Eine Behandlung der Schüler auf Augenhöhe, mehr Praxiselemente, die
Gruppenführer heißen nun Klassenlehrer, und man verzichtet auf veraltete
Disziplinierungsmaßnahmen wie das morgendliche Antreten: So umreißen die
Verantwortlichen die Ziele der Reform. „Mir haben Gruppenführer, die als
Ausbilder an ihre alte Schule zurückgekehrt sind, erzählt, wie schockiert
sie davon sind, dass sich da in dreißig Jahren nichts geändert hatte“,
beschreibt Sindberg die Ausgangssituation.
Mit der Reform aber sind nicht alle glücklich. Denn zum einen hat sie zu
einer gestiegenen Arbeitsbelastung der Ausbilder geführt, die jetzt im
Durchschnitt mehr Unterrichtseinheiten durchführen müssen. Zum anderen
kommt der Philosophiewechsel nicht überall an, wie auch am Montag im
Innenausschuss erneut deutlich wird: Dass das morgendliche Antreten als
veraltete Maßnahme abgetan werde, mache ihn „sehr unruhig“, betont
CDU-Innenpolitiker Burkhard Dregger. Polizeipräsident Kandt sagte am
Montag auch, die „sehr polarisierende Debatte“ habe einen negativen Effekt
in der Behörde gehabt, nicht zuletzt auch unter den SchülerInnen. „Die
Unterstellungen, die hier im Raum standen, auch in der
Presseberichterstattung, haben für Verunsicherung gesorgt.“ Es sei der
Polizei ein wichtiges Anliegen, den SchülerInnen gegenüber klarzustellen,
dass jeder von ihnen einzeln in den Blick genommen werde und es „keine
Pauschalverurteilungen“ aufgrund von Herkunft oder Familienzugehörigkeit
gebe.
FDP und AfD hatten gefordert, mit der Situation an der Polizeiakademie
müsse sich ein Untersuchungsausschuss beschäftigen. Insbesondere der
FDP-Politiker Marcel Luthe erhob am Montag Vorwürfe gegen die
Polizeiführung. Dafür wurde er vom als Scharfmacher bekannten CDU-Mann Kurt
Wansner kritisiert, der dafür wiederum Applaus von den Regierungsfraktionen
bekam – eine seltene Konstellation.
In einem gemeinsamen Antrag verständigten sich die Regierungsfraktionen
sowie die CDU auf die Beauftragung eines unabhängigen externen Experten,
der die Zustände an der Polizeiakademie untersuchen soll. Innensenator
Andreas Geisel (SPD) betonte, das Ziel müsse „ein geordnetes und sachliches
Verfahren“ sein. „So, wie die Diskussion in den letzten Monaten gelaufen
ist, war es nicht unbedingt ein Erfolgsmodell für die Polizei.“
8 Jan 2018
## AUTOREN
Malene Gürgen
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Polizei Berlin
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