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# taz.de -- Polizeiakademie Berlin: Chance für Neuanfang
> Eigentlich wollten Jochen Sindberg und Boris Meckelburg an der
> Polizeiakademie einen Philosophiewechsel einleiten. Nun gehen sie
> freiwillig. Fehlersuche dauert an.
Bild: Polizeianfänger bei der Vereidigung
Seit Monaten steht die Polizeiakademie unter öffentlichem Beschuss – nun
wird die Führungsebene ausgetauscht. Der Leiter Jochen Sindberg und dessen
Stellvertreter Boris Meckelburg hätten um ihre Versetzung gebeten,
bestätigte Polizeisprecher Winfried Wenzel am Mittwoch gegenüber der taz
entsprechende Medienberichte.
Ganz so plötzlich, wie es wirkt, kommt die Nachricht indes nicht. Schon im
November, als die Debatte über die Polizeiakademie auf den Höhepunkt
zusteuerte, hatte die Berliner Zeitung von einer bevorstehenden Ablösung
Sindbergs berichtet. Die Pressestelle der Polizei hatte das seinerzeit
dementiert. Am Mittwoch räumte Wenzel ein, die Entscheidung, dass Sindberg
geht, sei „nicht gestern oder vorgestern gefallen“. Auf ein Datum wollte er
sich aber nicht festlegen lassen. Auch der Name einer möglichen
Nachfolgerin wird seit Wochen gehandelt: Tanja Knapp, derzeit Leiterin des
Abschnitts 53 in Kreuzberg. Dazu Wenzel: Jede und jede könne sich auf den
ausgeschriebenen Posten bewerben.
Der frühere Kriminalpolizist Sindberg gilt als Intimus von
Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers, die am 1. März
Generalstaatsanwältin wird. Sindbergs Auftrag war, die Polizeischule
umzustrukturieren. Ende 2016 trat die Reform in Kraft. Die Schule, in der
der mittlere Dienst ausgebildet wird, heißt seither Akademie.
Nicht nur um die gestiegenen Schülerzahlen besser zu bewältigen, sei die
Reform erforderlich gewesen, sagte Sindberg im Dezember bei einer Anhörung
im Innenausschuss. Es sei auch darum gegangen, einen „Philosophiewechsel“
einzuleiten. „Früher“, so Sindberg, „war das eine Lehrstätte von
Hierarchie.“ Disziplin sei sehr wichtig. Aber mit „Unterwerfungspädagogik�…
könnten keine mündigen, verantwortungsbewussten Polizisten geformt werden.
Der Umbau der Schule bedeutete ein dickes Brett zu bohren. Ob es für
Sindberg und seinen Stellvertreter Meckelburg zu dick war oder ob es ihnen
an notwendigem Fingerspitzengefühl mangelte, darüber gibt es
unterschiedliche Lesarten. Fakt ist: Die Aktion rächte sich. Befeuert durch
anonyme Berichte sah sich die Polizeiakademie ab Oktober 2017 mit einer
Lawine von Presseberichten, gespickt mit Anschuldigungen, konfrontiert.
Polizeischülern aus Einwandererfamilien wurden pauschal Disziplinlosigkeit
und Lernunwille unterstellt, von Gewaltvorfällen war die Rede und davon,
dass die Schule von kriminellen Clans unterwandert werde. Nichts davon
wurde bewiesen. In drei Sitzungen beschäftigte sich der Innenausschuss mit
dem Thema, Personalratsvertreter wurden angehört, die Polizeiführung legte
einen Bericht vor. Hängen geblieben ist aber, dass bei der Reform nicht
alles zum Besten lief. Vor allem bei den Lehrkräften ist die
Unzufriedenheit groß. Nicht nur weil sie sich gestiegenen Anforderungen
ausgesetzt und überlastet fühlen.
Ende Januar hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, einen unabhängigen
Experten mit der Untersuchung von Fehlentwicklungen zu beauftragen. Geprüft
werden soll unter anderem, ob es genug Lehrkräfte gibt, ob die Fächer
Deutsch, Geschichte, politische Bildung, Recht und Ethik in dem veränderten
Stundenplan ausreichend vermittelt werden. Ob Themen wie der
Nahostkonflikt, Islamismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus genügend
behandelt werden. Und: ob möglichen Disziplinlosigkeiten in geeigneter
Weise begegnet wird.
Hinter dem letzten Punkt verbirgt sich ein grundsätzlicher Konflikt. An der
Polizeiakademie gibt es noch Ausbilder alter Schule, die auf Befehl und
Gehorsam rekurrieren. Ein Beispiel: Antreten zum Morgenappell – seit der
Reform abgeschafft. Beistand bekommen die Kritiker von der Gewerkschaft der
Polizei (GdP). Dass die Polizeiausbildung in gewissen Teilen
paramilitärisch sei, „muss so sein,“ meint GdP-Sprecher Benjamin Jendro.
„Wir bilden schließlich keine Frisöre aus.“
Durch die Reform sei eine gewisse Bindung zu den Auszubildenden verloren
gegangen, hatte der Vize-Schulleiter Meckelburg im November im
taz-Interview eingeräumt. Da war er noch optimistisch – nun hat auch er
hingeschmissen. „Das könnte eine Chance für einen Neuanfang sein“, sagte
Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken. Der innenpolitische Sprecher
der Grünen, Benedikt Lux, sieht das ähnlich. Nachdem Lehrkräfte,
Polizeikollegen und Öffentlichkeit immer nur Skandal und Verrat gerufen
hätten, „wird so vielleicht der Weg für eine sachliche Diskussion frei“.
GdP-Sprecher Jendro beschrieb den Mehrgewinn so: Die Polizeiausbildung
müsse auf modernen Stand kommen, „aber nicht alles, was früher gut war, ist
heute schlecht“.
14 Feb 2018
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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