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# taz.de -- Polizei-Akademie Berlin: Polizisten älteren und neuen Datums
> Die Polizeiführung weist Vorwürfe an Polizeischüler mit
> Migrationshintergrund zurück. Der Innensenator spricht von einer
> „Kampagne“.
Bild: Eingang zum Campus der Polizei-Akademie in Ruhleben
Breitbeinig steht der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe im Foyer des Berliner
Parlaments. Vor ihm eine Batterie von Journalisten und Fersehkameras.
Luthe, der zusammen mit CDU und AFD eine Sondersitzung des Innenausschusses
zur Polizei-Akademie durchgesetzt hat, trägt dick auf: „Das Vertrauen in
die Polizei ist massiv erschüttert.“ Später in der Sitzung gehen er und der
CDU-Abgeordnete Burkard Dregger sogar noch weiter: Sie drohen einen
Untersuchungsausschuss an, wenn die Polizeiführung nicht reinen Tisch
mache.
Seit einer Woche stehen Polizeiauszubildende mit Migrationshintergrund
unter öffentlichem Beschuss. Von unhaltbaren Zuständen in der
Polizeiakademie in Ruhleben schreiben viele Medien. Die Crux: Die Berichte
fußen auf anonymen Quellen.
1.200 Polizei-Azubis sind dieses Jahr an der Schule aufgenommen worden,
eine Verdreifachung gegenüber 2008. 45 Prozent davon haben einen
Migrationshintergrund. Die anonymen Vorwürfe lassen sich so
zusammenfassen: Azubis mit Migrationshintergrund seien respektlos,
lernunwillig und behandelten Frauen abfällig. Auch seien unter den Schülern
Angehörige polizeibekannter arabischer Clans. Ergo: Die organisierte
Kriminalität unterwandere die Polizei.
Eine Quelle dieser Mutmaßungen war eine WhatsApp- Nachricht vom 24.
Oktober. Der Urheber, der als Hospitant zum Erste-Hilfe-Unterricht in einer
Polizeischulklasse eingesetzt war, ist inzwischen bekannt. Er hatte über
flegelhaftes Verhalten in der Klasse geklagt. Vergangenen Donnerstag
gelangte dann noch ein anonymer Brief mit weiteren Beschwerden an die
Öffentlichkeit. Und am Wochenende wurde in der Behörde ein Cartoon
verbreitet. Brief und Cartoon bezeichnete die Polizeiführung in einem
behördeninternen Rundschreiben als hasserfüllt und rassistisch.
„Haben wir es hier mit einer Kampagne zu tun?“ Es war Innensenator Andreas
Geisel (SPD), der diese Frage am Mittwoch zu Beginn der Sondersitzung
aufwarf. Die anonymen Anschuldigungen in dem Brief seien „eindeutig von
fremdenfeindlichen Ressentiments“ getragen. Er werde nicht zulassen, dass
angehenden Polizeikollegen in solch einem Tonfall begegnet werde, so der
Senator. Polizisten mit Migrationshintergrund spiegelten Berlins
Weltoffenheit und Vielfalt wider. Was die Vorwürfe angehe, sagte Geisel,
sie seien bislang nicht belegt. Die Polizeiführung sei beauftragt, in vier
Wochen einen lückenlosen Bericht vorzulegen.
Behauptungen über eine Unterwanderung seien „definitiv falsch“, sagte
Polizeipräsident Klaus Kandt. Weder in der Ausbildung noch in der Behörde
gebe es Angehörige arabischer Clans, erklärte die für Ausbildung zuständige
Vizepräsidentin Margarete Koppers. Die Maßstäbe für die Leumundsprüfung
seien sehr streng. Zum Vorwurf des flegelhaften Betragens sagte sie: „Wir
haben disziplinarische Probleme wie jede andere deutsche Schule auch.“ An
der Akademie, wo der mittlere Dienst ausgebildet wird, und an der
Hochschule für Rechtspflege – zuständig für den gehobenen Dienst – seien
2017 33 Disziplinarverfahren eingeleitet worden, etwa wegen Täuschung in
Prüfungen, Beleidigung, Körperverletzung oder Fernbleiben vom Dienst. Drei
Fälle seien abgeschlossen: Es gab einen Verweis und zwei Entlassungen.
Der stellvertretende Leiter der Akademie, Boris Meckelbourg, berichtet von
einer Lehrerkonferenz am Dienstag auf dem Campus in Ruhleben. Ob es
besondere Probleme mit den Migranten unter den Schülern gebe oder sie gar
Angst vor diesen hätten, seien die Lehrkräfte da gefragt worden. „Die
Antwort war unisono: Nein, die Migranten sind es nicht“, so Meckelbourg. In
jedem Kurs, der aus 20 bis 25 Schülern bestehe, gebe es Störenfriede. Das
sei aber nur ein kleiner Teil – „unabhängig vom Migrationshintergrund“. …
einem Anteil von 45 Prozent Migranten habe sich das Bild der Schülerschaft
natürlich verändert. Statt heller Haut und heller Augen, wie es früher war,
gebe es dort heute ein buntes Menschenbild. Es komme vor, dass das als
bedrohlich wahrgenommen werde, allen voran von Polizisten älteren Datums.
„Vor 32 Jahren durfte ein Schüler erst sprechen, wenn er gefragt wurde“, so
Meckelbourg. Die heutigen Azubis dagegen seien sehr selbstbewusst. Die
Lehrkräfte hätten ihm aber versichert, dass sie damit umgehen könnten.
Nächste Woche treffen sich auch die Akademieklassensprecher wegen der
Vorwürfe. „Sind wir hier eigentlich noch willkommen?“, sei er von Schülern
gefragt worden, berichtete Meckelbourg.
8 Nov 2017
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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