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# taz.de -- Schnellstmögliche Aufklärung?: Polizeiausbilder außer Kontrolle
> Die Polizeischule in Eutin sorgt für Wirbel: Ein Ausbilder soll eine
> Polizeischülerin gegen deren Willen geküsst haben. Er ist befördert
> worden.
Bild: Polizeischule Eutin: Verhaften will gelernt sein
HAMBURG taz | Schon wieder ist ein Vertuschungsversuch an der
schleswig-holsteinischen Landespolizeischule in Eutin aufgeflogen: Im
Januar vergangenen Jahres habe ein Ausbilder eine noch minderjährige
Polizeianwärterin bei einer Party in der Kaserne sexuell belästigt, indem
er ihr einen Zungenkuss gegeben habe, berichtet der Fraktionschef der
Piratenpartei im Kieler Landtag, Patrick Breyer. „Es ist nicht nur so, dass
diese Anwärterin minderjährig gewesen, sondern dass dies auch gegen ihr
Einverständnis geschehen sein soll“, berichtet Breyer.
Dieser Vorfall war bei der Schulleitung und der Polizeiführung bekannt, es
wurde sogar ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Doch dieses Verfahren ist
nach Recherchen des NDR im Dezember mit einem Verweis eingestellt worden.
Der Beamte wurde in die Polizeidirektion Lübeck versetzt und – was wie
ein makaberer Witz klingt – gleichzeitig befördert. Nur wenige Monate
später holte der wegen ähnlicher Vorfälle mittlerweile strafversetzte Chef
der Polizeischule, Jürgen Funk, den Mann wieder zurück – angeblich wegen
Personalmangels und obwohl die Polizeischülerin noch immer ihre Ausbildung
in Eutin absolvierte.
Auch an der Polizeischule selbst hat der Umgang der Polizeiführung mit
dieser Personalie bei einigen Befremden ausgelöst. „Es gibt Ausbilder, die
eine hervorragende Arbeit leisten und sich solchen Scheiß nicht erlauben
und trotzdem nicht befördert werden“, sagt ein Insider.
Die CDU warf Innenminister Stefan Studt (SPD) „Führungsversagen“ vor. „Im
Umgang mit Disziplinarverfahren gebe es Handlungsbedarf“, sagte der
Landtagsbgeordnete Axel Bernstein. Denn die Entscheidungen in Eutin seien
in Absprache mit der zentralen Stelle im Innenministerium getroffen worden.
Das Kieler Innenministerium weist die Kritik zurück. „Wir haben eine
strukturelle und personelle Neuaufstellung veranlasst, die dazu führen
kann, dass neue Sachverhalte bekannt werden und alte Sachverhalte eventuell
neu betrachtet werden müssen“, verteidigte sich Minister Studt gegenüber
der taz.
Dies gelte auch für den jüngst bekannt gewordenen Fall. Es könne nicht
ausgeschlossen werden, dass auch hier durch laufende Ermittlungen weitere
Erkenntnisse ans Licht kommen könnten. Alle Vorwürfe müssten
schnellstmöglich und umfassend aufgeklärt werden, sagte der Minister. „Dazu
wird es auch externe Hilfe und Unterstützung geben.“
Schon auf eine Anfrage der Piratenpartei hin, hatte das Ministerium
eingeräumt, dass es in der Vergangenheit bei Abschluss- oder Bergfesten der
Ausbildungsgänge in sehr wenigen Einzelfällen Distanzunterschreitungen
zwischen Ausbildungspersonal und Auszubildenden gegeben habe. „Bei
derartigen Vorfällen handelt es sich um individuelles Geschehen, das
grundsätzlich im Rahmen von Verwaltungsermittlungen und
Disziplinarverfahren untersucht wird“, hieß es.
Offenbar aber mit geringer Intensität. Denn schon die Straf- und
Disziplinarverfahren aufgrund von Rassismus- und Sexismus-Vorwürfen gegen
Polizeianwärter waren im vergangenen Jahr im Sande verlaufen. Sie sollen
Polizeischülerinnen 2014 durch Po-Grapschen sowie verbal sexuell belästigt
und Kollegen aus Einwandererfamilien als „Kanaken“ beschimpft haben.
Die Akten waren kurzerhand geschreddert worden, bevor der Pirat Breyer die
Vorfälle just vor der Vereidigung der Polizeianwärter im Mai dieses Jahres
aufdeckte. Das hat zumindest dazu geführt, dass gegen zwei Jung-Polizisten
erneut ermittelt und einer aus dem Dienst entfernt wurde.
Im Innenministerium und bei der Polizeiführung müsse endlich eine
„Fehlerkultur“ eingeführt werden, die es erlaube, offen mit Missständen
umzugehen, die nötigen Konsequenzen zu ziehen und Hinweisgeber zu schützen,
fordert der Pirat Breyer: „Es muss Schluss sein mit der bis ganz oben
praktizierten Strategie des Verschweigens, Vertuschens, Vertagens und
Verfolgens von ‚Lecks‘.“
31 Aug 2016
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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Polizei Sachsen
Polizei Berlin
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Hamburg
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