# taz.de -- Mit Milde gegen Rassismus: Polizeianwärter jetzt sensibel | |
> Polizeianwärter haben KollegInnen sexistisch und rassistisch beleidigt. | |
> Statt Strafen bekamen die Täter jetzt „Beratungsgespräche“. | |
Bild: Wie man Angriffe von außen abwehrt, das wissen sie bei der Polizei | |
HAMBURG taz | „Frauen haben bei der Polizei nichts zu suchen“ und „mit | |
einem Kanaken will ich nicht in einer Dienststelle sein“: Sprüche wie diese | |
bekamen Polizeianwärterinnen des Ausbildungsjahrgangs 2014 an der | |
Landespolizeischule für Schleswig-Holstein in Eutin zu hören. Auch | |
sexistisches Gezüngel und ein Schieß-Spiel auf dem Handy, bei dem das Foto | |
einer Kollegin als Zielscheibe herhielt, mussten Jung-Polizistinnen von | |
männlichen Lehrgangsteilnehmern ertragen. Polizeianwärter mit türkischen | |
Wurzeln wurden mit abwertenden Worten bezeichnet, und in einer | |
Whats-App-Gruppe machte ein NPD-Plakat die Runde. | |
Die Beteiligten kamen ohne Strafe davon – ein Skandal, findet Patrick | |
Breyer, Piraten-Abgeordneter im Kieler Landtag, der die Vorfälle jetzt | |
öffentlich machte. Er kritisiert die Verantwortlichen im Polizeiapparat und | |
das Innenministerium, das in den verletzenden Sprüchen und anzüglichen | |
Gesten kein Dienstvergehen sieht. | |
„Wenn derartiges Verhalten nicht beanstandet wird, setzt das | |
Innenministerium das fatale Signal, dass Polizeibeamte in | |
Schleswig-Holstein sich sexistisch und rassistisch äußern dürfen – ohne | |
jedwede Konsequenz“, so Breyer. Er hatte sich mit einer Anfrage zu den | |
Vorfällen an das von Stefan Studt (SPD) geleitete Ministerium gewandt. Im | |
Antwortschreiben verweist das Ministerium auf die „umfassende straf-, | |
disziplinar- und beamtenrechtliche Prüfung“ der Vorfälle, die über ein Jahr | |
gedauert habe. Das habe zu einer „umfassenden Sensibilisierung geführt“, so | |
das Innenministerium. Die Beteiligten hätten „Förderungs- und | |
Beratungsgespräche“ erhalten. | |
Ob der Umgang richtig war, ist für Manfred Börner nicht ganz leicht zu | |
beantworten. „Ich bin extrem empfindlich, wenn es um Rassismus oder | |
Sexismus in den Reihen der Polizei geht“, so der Landesvorsitzende der | |
Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf taz-Anfrage. Dass die Bemerkungen und | |
Gesten nicht akzeptabel sind – keine Frage. Aber den Vorwurf der Piraten, | |
die Vorfälle seien vertuscht worden, weist Börner zurück: „Es ist sehr | |
offen auf allen Ebenen damit umgegangen worden.“ | |
Wie das Innenministerium mitteilt, hatten sich die betroffenen | |
Polizistinnen Ende 2014 schriftlich beschwert. Es folgten mündliche | |
Anhörungen, bei denen die Gleichstellungsbeauftragte dabei war. Im Februar | |
2015 ging das Material an die zuständige Kripo in Eutin. Im April übernahm | |
die Staatsanwaltschaft in Lübeck. | |
## Als „geringfügig“ eingestuft | |
„Doch die Vorfälle wurden offenbar als so geringfügig eingestuft, dass sie | |
auf keiner Ebene sanktioniert werden mussten“, sagt Börner. Nachdem die | |
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Oktober 2015 eingestellt hatte, | |
setzte die interne Disziplinar-Prüfung wieder ein, die bis zum Ende des | |
strafrechtlichen Vor-Verfahrens ausgesetzt gewesen war. „Die Vorwürfe | |
wurden von der Behördenleitung eingehend geprüft“, so ein Sprecher des | |
Innenministeriums. Aber auch jetzt lautete das Ergebnis: „Zureichende | |
Anhaltspunkte für Disziplinarmaßnahmen lagen nicht vor.“ | |
Aktuell wirbt die Landespolizei auf ihrer Homepage um AnwärterInnen, die | |
zum August anfangen können. Bei den Einstellungstests geht es neben Fitness | |
und Intelligenz auch um den Charakter. Denn, so die Landesregierung: Wer | |
eine sexistische oder rassistische Haltung mitbringe, sei für den Job | |
„grundsätzlich ungeeignet“. | |
9 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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