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# taz.de -- Annäherung von EU und Türkei: Atomkraft in Paris, Tee in Goslar
> Erdoğan besucht Macron, sein Außenminister flirtet mit Gabriel. Die
> Türkei und die EU wollen ihre politischen Beziehungen wiederbeleben.
Bild: Demonstrierte Einigkeit, doch die Frage der inhaftierten Journalisten spa…
Istanbul taz | Mit einer konzertierten Aktion haben der türkische
Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und Präsident Recep Tayyip Erdoğan am
Wochenende versucht, die seit knapp zwei Jahren nahezu eingefrorenen
Beziehungen zu Deutschland und der EU neu zu beleben. Während Çavuşoğlu
seinen angeblichen Freund Sigmar Gabriel in dessen Heimatstadt Goslar
besuchte, reiste Erdoğan zu einem Treffen mit dem französischen Präsidenten
Emmanuel Macron nach Paris.
Die greifbarsten Ergebnisse der beiden Treffen sind neben einem Verbessern
der Atmosphäre die deutsche Zusicherung, ein gemeinsames Wirtschaftsforum
wieder in Gang zu setzen und die bisherige Zurückhaltung bei
Rüstungsgeschäften zu überdenken. In Frankreich unterschrieb Erdoğan einen
Vertrag für den Kauf von 25 Airbus-Maschinen und eine Absichtserklärung,
gemeinsam mit Frankreich und Italien ein neues Raketenabwehrsystem zu
entwickeln, das in der Türkei in der Zukunft dann die umstrittenen
S-400-Raketen-Abwehr aus Russland ersetzen könnte.
Der Besuch von Çavuşoğlu in Goslar war wie ein privates Treffen inszeniert.
Der türkische Außenminister frühstückte mit türkischem Tee bei Sigmar
Gabriel und spazierte anschließend mit ihm durch die Stadt, um dann im
Kaisersaal eine gemeinsame Pressekonferenz zu geben. Çavuşoğlu betonte
mehrfach, sein Land wolle einen Neustart mit Deutschland, auch wenn es nach
wie vor viele Meinungsverschiedenheiten gebe. Gabriel versprach freundliche
Zuwendung und Gespräche auf Augenhöhe.
Die in der Türkei gefangenen deutschen Staatsbürger, vor allem der
Journalist [1][Deniz Yücel], wurden nicht erwähnt, Gabriel gab aber zu
verstehen, sie hätten unter vier Augen darüber gesprochen. Gabriel
bestritt, dass es einen Zusammenhang zwischen Rüstungslieferungen und der
möglichen Freilassung von Deniz Yücel gebe. Zuvor hatte er aber gesagt,
ohne dessen Freilassung wäre an Rüstungslieferungen nicht zu denken.
Gabriel kündigte an, die Gespräche mit der türkischen Seite fortzusetzen
und zu dem anstehenden 150-jährigen Jubiläum der Deutschen Schule in
Istanbul an den Bosporus zu reisen.
## Erdoğan wies den Frager barsch zurecht
In Paris ging es noch deutlicher als in Goslar vor allem um ein
Wiederbeleben der Geschäfte. Paris will den Türken Rüstungsgüter, Flugzeuge
und Atomkraftwerke verkaufen und deshalb auch die Perspektive der Türkei
mit der EU reaktivieren. Man müsse das Verhältnis neu denken, sagte Macron
und erwähnte, wie vor ihm auch schon Gabriel, das Verhältnis könne sich
langfristig an dem Vertrag orientieren, den die EU mit den Briten
aushandeln will. Zu der Liste inhaftierter Journalisten, die Macron Erdoğan
mit der Bitte übergeben hatte, eine Haftentlassung zu prüfen, sagte
Erdoğan, das seien alles Kriminelle oder Unterstützer von Terroristen.
Wie wenig sich Erdoğan um die europäischen Vorhaltungen über seinen Umgang
mit der Presse schert, machte er in Paris deutlich, als er einen
französischen Journalisten, der ihn während der Pressekonferenz nach den
geheimen Waffentransporten fragte, die die Zeitung Cumhuriyet und der
Journalist Can Dündar 2015 enthüllt hatten, scharf angriff. Er wies den
Frager barsch zurecht, er würde wie ein Gülen-Agent fragen und solle eher
darüber recherchieren, dass die USA 4.000 Laster voller Waffen ins
Kriegsgebiet gebracht hätten.
Trotz solcher Misstöne scheinen im Moment alle Seiten entschlossen, wieder
miteinander ins Geschäft zu kommen. Obwohl Erdoğan betonte, wie sehr er
über die EU enttäuscht sei, machte er den Vorschlag, die Konferenz der
muslimischen Länder und die EU sollten versuchen, eine Friedenslösung für
Palästina zu erarbeiten. Hintergrund ist die gemeinsame Ablehnung der
Politik von US-Präsident Donald Trump, der angekündigt hatte, die
US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen.
Erdoğan sieht an dieser Stelle und in der gemeinsamen Ablehnung der
Trump’schen Politik gegenüber Iran neue Anknüpfungspunkte. Während
Çavuşoğlu in Goslar mit Gabriel flirtete, machte Erdoğan in Paris deutlich,
dass er zumindestens im Moment Emmanuel Macron als die Stimme der EU
ansieht.
7 Jan 2018
## LINKS
[1] /Vor-Cavusoglus-Besuch-bei-Gabriel/!5474916
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
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