# taz.de -- Türkischer Minister über Deniz Yücel: Prozess soll „beschleuni… | |
> Der türkische Außenminister kritisiert, dass Yücel noch nicht angeklagt | |
> wurde. Das Land versucht, die Beziehungen nach Europa zu verbessern. | |
Bild: Ist das ein Hoffnungszeichen für Deniz Yücel? | |
ISTANBUL taz | Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat der | |
Nachrichtenagentur dpa ein Interview gegeben, in dem erstmals seit seiner | |
Verhaftung im Februar angedeutet wird, dass sich für den inhaftierten | |
Journalisten Deniz Yücel etwas bewegen könnte. Çavuşoğlu sagte, die | |
türkische Regierung sei nicht glücklich darüber, dass eine Anklage gegen | |
den Korrespondenten der Welt immer noch nicht vorliege und dass die | |
Regierung „die Justiz ermutigt habe, den Prozess zu beschleunigen“. | |
Eine ähnliche Ansage hatte der Außenminister im Herbst gegenüber dem | |
Spiegel zu dem damals ebenfalls in U-Haft sitzenden deutschen | |
Menschenrechtler Peter Steudtner gemacht. Wenig später wurde die Anklage | |
gegen Steudtner und andere türkische Menschenrechtler vorgelegt – und kurz | |
darauf begann der Prozess, der bekanntlich mit Steudtners Entlassung aus | |
der U-Haft und seiner Ausreise nach Deutschland endete. Und das, obwohl er | |
weiterhin angeklagt ist und der Prozess in seiner Abwesenheit weiterläuft. | |
Bezüglich Yücel machte Çavuşoğlu eine weitere wichtige Bemerkung: Der hat | |
nämlich beim europäischen Menschenrechtsgerichtshof eine Beschwerde gegen | |
seine U-Haft eingereicht. Es wird erwartet, dass das Gericht in Straßburg | |
demnächst darüber entscheidet. Auf die Frage, ob die Regierung denn auch | |
eine Entscheidung, die die Aufhebung der U-Haft verlangt, umsetzen würde, | |
sagte Çavuşoğlu: „Wir haben die Entscheidungen aus Straßburg immer | |
umgesetzt.“ Und: Er erwarte, dass das auch in diesem Fall so sein würde. | |
Erst vor zwei Wochen wurde die ebenfalls in der Türkei inhaftierte deutsche | |
Journalistin Meşale Tolu nach sieben Monaten aus der U-Haft entlassen. Zwei | |
weitere, bis dahin namentlich nicht bekannte deutsche oder deutschtürkische | |
Gefangene wurden ebenfalls entlassen und abgeschoben. Dazu kommt, dass der | |
deutsche Soziologe Sharo Garip, der wegen eines laufenden Verfahrens die | |
Türkei zwei Jahre lang nicht verlassen durfte, Ende Dezember eine | |
Ausreiseerlaubnis erhielt. | |
## Einladung zum Plausch am Strand | |
Das alles ist natürlich kein Zufall, sondern Ausdruck der Bemühungen der | |
türkischen Regierung, die Beziehungen zu Deutschland und zur EU insgesamt | |
wieder etwas zu verbessern. Dieser Prozess läuft seit der Freilassung von | |
Peter Steudtner Ende Oktober, an der auch der ehemalige Bundeskanzler | |
Schröder beteiligt gewesen sein soll. Seitdem häufen sich die Signale, dass | |
die türkische Regierung aus der anhaltenden Konfrontation aussteigen will. | |
Çavuşoğlu lud den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel zu einem | |
Privatbesuch in seine Heimatstadt Antalya ein, und beide trafen sich dort | |
zu einem Plausch am Strand. Jetzt hat der türkische Außenminister | |
angekündigt, dass er eine Einladung von Gabriel in dessen Heimatstadt | |
Goslar angenommen hat und noch im Januar noch Deutschland kommen wird. Auch | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat kürzlich zu türkischen Journalisten | |
gesagt, er habe keine Probleme mit Deutschland und betrachte den | |
Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und die Kanzlerin Angela Merkel | |
als „seine Freunde“. | |
Hintergrund dieser türkischen Charmeoffensive dürfte sein, dass die | |
Spannungen mit der Bundesrepublik und der Europäische Union die | |
wirtschaftlichen Beziehungen belasten und vor allem die Anzahl der | |
Touristen, die in der Türkei Urlaub machen, stark zurückgegangen ist. Da | |
die türkische Wirtschaft schwächelt und die Erdoğan Regierung auch große | |
Probleme mit den USA hat, ist eine Annäherung an Europa offenbar geboten. | |
## Wird der Druck auf die Türkei geringer? | |
Die Reaktionen in Deutschland sind bislang noch sehr verhalten. Merkel | |
sprach nach der Freilassung von Tolu von einer teilweise guten Nachricht. | |
Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Bundesregierung sich vor einer | |
Freilassung von Yücel nicht substanziell bewegen wird. Insbesondere das | |
deutsche Veto gegen eine Ausweitung der Zollunion zwischen der EU und der | |
Türkei bleibt mindestens so lange bestehen, bis der Journalist freigekommen | |
ist. | |
So erfreulich eine Freilassung von Deniz Yücel wäre, steht doch zu | |
befürchten, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern die EU insgesamt | |
ihren Druck auf die Türkei wegen der harten Repression gegen die gesamte | |
Opposition verringern wird. Nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie | |
werden die rund 150 türkischen Journalisten die in ihrem Land weiterhin in | |
Haft sind, in Deutschland dann wohl weitgehend vergessen werden. | |
1 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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