Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Slowenisch-kroatischer Grenzstreit: Fischen unter Polizeischutz
> Der Streit zwischen Slowenien und Kroatien um einige Quadratkilometer
> Territorialgewässer eskaliert. Das Zusammenleben ist in Gefahr.
Bild: Die Bucht von Piran, Archivbild aus dem Jahr 2007
Piran taz | Etwas holprig ist der Weg zum Hafen von Savudrija, dem südlich
der Bucht von Piran gelegenen kroatischen Fischerdorf. Drei Fischer klauben
an der Hafenmole den Fang der letzten Nacht aus den Netzen ihres Kutters,
den sie im Schutze kroatischer Polizeiboote aus der Bucht von Piran gezogen
haben.
Sie wissen nicht, wie es mit ihnen weitergehen soll. Denn das Nachbarland
Slowenien will ihnen in Zukunft den Weg in die Bucht verwehren, in der sie
und ihre Vorfahren schon seit Menschengedenken gefischt haben. Zwar blieben
die slowenischen Polizeiboote am letzten Samstag auf Distanz, als sie ihre
Netze einholten. Doch an diesem Tag, dem 30. Dezember, lief die Frist ab,
die der Ständige Schiedshof in Den Haag (PCA) gesetzt hatte. Nach der
Entscheidung vom vergangenen Juli erhielten die Slowenen das Recht, mehr
als zwei Drittel der Bucht als ihr Hoheitsgebiet anzusehen.
„Was wird jetzt aus uns?“ Danieli Kolec ist Sprecher der kroatischen
Fischer der Region. Der knapp 50-jährige Mann ist tief enttäuscht. Auch von
Europa. „Wir Kroaten werden jetzt als Ultranationalisten hingestellt. So
fällt es Slowenien leichter, den fragwürdigen und von uns nicht anerkannten
Schiedsspruch dieses Gerichts in die Tat umzusetzen.“
Dass eine slowenische Diplomatin einem am Schiedsspruch beteiligen
slowenischen Richter habe Anweisungen geben können, sei schon Skandal
genug. Dass aber Slowenien schon vor 2012 die damalige kroatische
Ministerpräsidentin Jadranka Kozor mit einem Veto gegen den EU-Beitritt
des Landes gezwungen habe, einen Schiedsspruch in der nun existierenden
Richtung zu akzeptieren, sei eine Erpressung, ereifert er sich.
## Nationalistischer Eifer
Kroatische Polizisten stehen an der Hafenmole herum. Doch sie schweigen.
Kaum vorstellbar ist aber, dass kroatische Polizeiboote die Fischer über
lange Zeit auf ihren Fahrten begleiten werden. Oder doch? Wird es mit den
Slowenen zu Zusammenstößen kommen? Was, wenn EU-und Nato-Partner aneinander
geraten, und der Konflikt außer Kontrolle gerät?
Das fragen sich Journalisten auf beiden Seiten. Auch das Team des
kroatischen Fernsehens, das an Ort und Stelle dreht. Auch ihnen ist
bewusst, dass nationalistische Eiferer vieles anrichten können.
Der Grenzübergang ist acht Kilometer entfernt. Die Straße führt durch
Olivenhaine und Weinberge, die Silhouette der Altstadt von Piran überragt
die andere Seite der Bucht. Die Grenze liegt direkt an der schon in
Jugoslawien gültigen Demarkationslinie zwischen den Teilrepubliken. „Damals
hat niemand über die Fischereirechte in der Bucht nachgedacht“, sagt Joze
S., ein Lehrer aus Piran, der hier am Rande des Nationalparks und
Vogelschutzgebietes mit seinem Hund spazieren geht. „Wir sind hier in
Istrien, wir sind mehrsprachig, italienisch, slowenisch oder kroatisch. Auf
beiden Seiten der Grenze herrscht die gleiche Mentalität. So ein Konflikt
zwischen zwei Nationalstaaten beeinträchtigt doch nur unser Zusammenleben
hier in der Region.“
## Bucht von Piran gemeinsam verwalten
Im slowenischen Hafen von Koper sind an diesem Nachmittag vor dem
Silvesterabend die Menschen entspannt. Anders als in den kroatischen
Städten weiter südlich sind hier Feuerwerkskörper verpönt. Im Geschäft der
Fischereikooperative werden die nicht verkauften Überreste von der Theke
geräumt. Die, die hier arbeiten, sind selbst Fischer. Sie sehen den
Konflikt als nicht so ernst an wie ihren kroatischen Kollegen. „Das Gericht
hat gesprochen, wir sollten uns daran halten.“
Die slowenischen Fischer haben leicht reden. Nachdem die Fischbestände in
der Adria dramatisch abgenommen haben, sind sie jetzt wenigstens die
kroatische Konkurrenz los. „Es gibt zwar nur je 15 Fischereifamilien auf
beiden Seiten“, sagt ein Mitarbeiter, „doch jeder kämpft ums Überleben.“
Könne man sich nicht auf einen ernsthaften Kompromiss einigen, wie ihn der
Sprecher der kroatischen Fischer vorschlägt? Danieli Kolec will die Bucht
von Piran gemeinsam verwalten. Beide Staaten hätten dann in dieser
neutralen Zone Zutritt, um Schmuggel und andere kriminelle Aktivitäten zu
unterbinden. Die slowenischen Fischer in Koper jedoch bleiben skeptisch.
„Außerdem können wir nichts entscheiden. Bald gibt es wieder Wahlen in
Slowenien, manche Politiker nutzen den Konflikt für ihre eigene Kampagne.“
## Europaregion Istrien
Auch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb herrscht Aufregung. „Kroatien ist
erbost über die unnachgiebige Haltung der Slowenen und Slowenien über das
unbotmäßige Verhalten der Kroaten“, lästert der kroatische Verleger Nenad
Popovic, der in Istrien wohnt. Kaum acht Kilometer von Koper entfernt liegt
die mit einer Autobahn verbundene italienische Hafenstadt Triest. Koper und
Triest sind fast eine Stadt geworden.
Istrien ist eine Europaregion, die mit der Qualität ihrer Weine und der
berühmten Küche wieder ein Anziehungspunkt für Millionen Touristen aus ganz
Europa geworden ist. Ein eigentlich leicht lösbarer Konflikt zwischen zwei
Nationalstaaten könnte aber das Zusammenleben der Menschen in dieser
multinationalen Region nachhaltig stören.
1 Jan 2018
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kroatien
Slowenien
Grenzkonflikt
Melania Trump
Janez Jansa
Slowenien
Kroatien
Slowenien
Slowenien
Reiseland Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regierungsbildung in Slowenien: Start mit pro-europäischem Credo
Der neue Premier Marjan Šarec steht einer Regierung aus fünf Parteien vor.
Ob er für Europa ein verlässlicher Partner ist, muss sich zeigen.
Parlamentswahl in Slowenien: Die Rechte gewinnt
Die Rechtskonservativen um Ex-Premier Janez Janša sind die Sieger der Wahl
in Slowenien. Doch an der Regierung werden sie nicht beteiligt sein.
Slowenischer Ministerpräsident Cerar: Überraschender Rücktritt
Nur wenige Monate vor den regulären Wahlen verlässt Miro Cerar sein Amt.
Der unerwartete Schritt erspart dem Politiker schwierige Entscheidungen.
Kroatien-Krimireihe in der ARD: So geht Exjugoslawien
Spannend, toll gespielt und nah dran am echten Kroatien: In der ARD jagt
die Mordkommission Split Verbrecher an der blauen Adria.
Schiedsgericht zu Grenzstreit in der Adria: Eine Bucht für Slowenien
Kroatien erkennt den Schlichtungsprozess nicht an. Ein jahrzehntelanger
Konflikt zwischen Kroatien und Slowenien geht damit in die nächste Runde.
Abschottung in Slowenien: Am Zank-Zaun
Die Barriere an der Schengen-Grenze zwischen Kroatien und Slowenien ist
fertig. Nun regelt auch noch ein Gesetz, dass Flüchtlinge draußen bleiben.
Adria-Rundreise: Das Illy-Meer
Bis in die Neuzeit war die Adria ein venezianisches Meer, dann ging es
epochenweise bergab. Und heute? Eine Umrundung in fünf Etappen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.