# taz.de -- Monokultur auf der grünen Insel: Irlands fiese Fichten | |
> Um schnelles Geld zu machen, pflanzen Förster in Irland massenhaft | |
> nordamerikanische Sitka-Fichten. Und sie verwenden jede Menge | |
> Insektizide. | |
Bild: Machen fast alles andere platt: Sitka-Fichten | |
Irland wird zu einem großen Nadelwald: Der Staatskonzern Coillte verfolgt | |
ein gigantisches Aufforstungsprogramm und pflanzt fast nur Sitka-Fichten | |
an, die an der nordamerikanischen Pazifikküste heimisch sind und die | |
irischen Hochmoore zerstören. Allein in diesem Jahr werden etwa 6.000 | |
Hektar neu aufgeforstet. In ganz Irland sind bereits rund 3.500 | |
Quadratkilometer von der Sitka-Fichte bedeckt. | |
Dem Staatskonzern gehören sieben Prozent der Fläche Irlands. Doch nicht nur | |
der Staat, auch private Eigentümer haben die Fichte entdeckt, um die | |
irischen Moore in Geld zu verwandeln. Dabei können sie auf europäische | |
Gelder hoffen: 2017 beschloss die Europäische Investment Bank, über 200 | |
Millionen Euro in die irische Forstwirtschaft zu investieren. Innerhalb von | |
zehn Jahren sollen die Sitka-Forste 17 Prozent der Landesfläche bedecken. | |
Derzeit sind es elf Prozent. | |
Umweltschützer sind entsetzt. Denn die heimische Artenvielfalt wird | |
zerstört. Geologen nennen Irland „die Suppenschüssel“, weil es in der Mit… | |
flach und an den Rändern bergig ist. Vor allem diese gebirgigen | |
Küstenregionen sind biologisch sehr wertvoll: Hochmoore finden sich dort | |
genauso wie Heidegebiete, die durch die Schafzucht entstanden sind. Seltene | |
Arten sind dort zuhause wie etwa die fleischfressende Pflanze Sonnentau, | |
Orchideen oder das Moorschneehuhn. Diese dünn besiedelten Paradiese werden | |
nun rücksichtslos mit den Sitka-Monokulturen bepflanzt. | |
## Auf kostenintensive Durchforstung wird verzichtet | |
Diese Baumplantagen sind keine normalen Wälder, sondern dienen allein der | |
industriellen Holzgewinnung. Um die Profite zu maximieren, wird auf die | |
kostenintensive Durchforstung verzichtet. Ohne Luft und Licht haben aber | |
andere Arten keine Chance, auf den Sitka-Flächen heimisch zu werden. Die | |
Bäume stehen viel zu dicht beieinander, was wiederum den Borkenkäfer | |
begünstigt. Um diesen zu bekämpfen, wird massenhaft das Insektengift | |
Cypermethrin eingesetzt. | |
Cypermethrin wird vom Forest Stewartship Councel (FSC) als „hochriskant“ | |
eingeschätzt wird. Trotzdem erhalten die irischen Sitka-Wälder vom FSC das | |
Label „nachhaltige Forstwirtschaft“. Denn im März 2016 erteilte FSC dem | |
Staatskonzern Coillte zum dritten Mal in Folge eine Ausnahmegenehmigung, | |
Cypermethrin für weitere fünf Jahre zu verwenden. | |
Der irische Umweltaktivist Andrew St. Ledger von der Woodland League | |
fordert seit Jahren, auf dieses Gift zu verzichten. In seinen Augen ist das | |
FSC-Siegel kein Öko-Siegel, sondern eine „Grünwaschanlage“, um die | |
„Öffentlichkeit zum Narren zu halten“. Zudem wird nicht nur Cypermethrin | |
eingesetzt, sondern auch der Unkrautvernichter Glyphosat. Er soll die | |
Heidevegetation abtöten, damit die Sitka-Setzlinge schnell und | |
konkurrenzlos wachsen können. | |
## Sitka-Fichten liefern schlechtes Holz | |
In den ländlichen Regionen versorgen sich die meisten Bewohner aus privaten | |
Brunnen, und sie fürchten, dass das Cypermethrin ihr Wasser verseuchen | |
könnte. Doch die irische Regierung schaltet auf stur. Vom | |
Landwirtschaftsministerium kam nur ein Brief, die Forste seien ohne | |
Cypermethrin „nicht überlebensfähig“. Das Ministerium konnte zudem mit | |
einem Gutachten aufwarten, das Entwarnung zu versprechen schien: | |
Cypermethrin sei in forstnahen Gewässern „nicht nachweisbar.“ Allerdings | |
wurde die Studie von Coillte selbst erstellt. Unabhängige Expertisen gibt | |
es nicht. | |
Die Sitka-Fichten liefern so schlechtes Holz, dass es nur für Pressspan | |
oder Papier taugt. Oft knicken die Bäume um, noch bevor sie ausgewachsen | |
sind: Durch den Klimawandel nehmen die Stürme in Irland zu, und den | |
Windstößen haben die Sitka-Plantagen wenig entgegenzusetzen. Im Jahr 2015 | |
stürzten in einer einzigen Stunde über eine Million Bäume durch einen Orkan | |
um. | |
Andrew St. Ledger empfiehlt daher, dass Irland zu den heimischen | |
Eichenwäldern zurückkehren sollte, die noch im 17. Jahrhundert weite Teile | |
der Insel bedeckten. Denn an Harthölzern besteht Bedarf: Irland ist, an der | |
Einwohnerzahl gemessen, der größte Importeur von Harthölzern in der EU. Sie | |
stammen meist aus dem tropischen Regenwald. | |
3 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Timm Koch | |
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