# taz.de -- Förderung der Niederdeutschen Sprache: Blick ins Nichts | |
> Die Nord-Länder wollten das Niederdeutsche „stärken“, haben aber das | |
> entsprechende Bremer Institut trocken gelegt. Ersatz lässt auf sich | |
> warten. | |
Bild: Plötzlich der Notanker: Immobilie des Instituts für Niederdeutsche Spra… | |
BREMEN taz | Am 1. Januar 2018 soll „die Förderung der niederdeutschen | |
Sprache auf stabile Füße“ gestellt werden, so haben es die vier | |
norddeutschen Bundesländer im Oktober verkündet: Hamburg, Niedersachsen, | |
Schleswig-Holstein und Bremen gründen dafür ein „Länderzentrum für | |
Niederdeutsch“ als gemeinsame Gesellschaft. Es geht um „Schutz, Erhalt und | |
Weiterentwicklung der niederdeutschen Sprache“, und das soll „künftig | |
länderübergreifend koordiniert“ werden, „Verbände, Ehrenamtliche und | |
wissenschaftliche Institutionen“ sollen „eng eingebunden“ werden. | |
Nun ist der 1. Januar verstrichen und das Länderzentrum gibt es nicht. | |
Nicht einmal eine Internetseite gibt es, keine Mail-Adresse und keine | |
Telefonnummer, geschweige denn Büroräume oder einen Geschäftsführer. Klar | |
ist hingegen, worauf einmal der Geschäftsführer sitzen soll: Er soll, so | |
präzise steht es in der Liste der Ausstattung, einen „Drehsessel“ bekommen, | |
„Polster schwarz Crêpe“ und dieses Exemplar für 1.270,92 Euro hat die | |
besondere Qualifikation „24 Std“. Dieses „24 Std“ bedeutet bei Sitzmöb… | |
nach Auskunft der Möbelbranche: „Einsetzbar im 3-Schicht-Betrieb, 24 | |
Stunden täglich, für Personen bis 150 kg Körpergewicht.“ | |
Wenn man bei den Behörden in Hamburg, Kiel oder Hannover nachfragt, was | |
denn da schiefgegangen ist, so stößt man auf Umschreibungen der Auskunft, | |
man solle in Bremen nachfragen. Die „Koordination“ der vier Länder sei eben | |
schwierig, heißt es in Bremen. Was da so schwierig sein soll, wird nicht | |
erklärt. Und wieso die Förderung der Niederdeutschen Sprache bisher | |
„instabil“ war und mit einem norddeutschen Landesinstitut auf „stabile | |
Füße“ gestellt werden könnte – auch dafür keine Erläuterung. | |
Bis zum 31. Dezember 2017 stand die Förderung des Niederdeutschen nämlich | |
auf stabilen Füßen: Seit 40 Jahren leistete dies das Bremer Institut für | |
Niederdeutsche Sprache (INS). Es bekam die 271.000 Euro Fördergelder, die | |
die vier Bundesländer für die Niederdeutsch-Förderung weiterhin pro Jahr | |
ausgeben wollen. Fachliche Kritik an dem INS hat es nie gegeben. | |
Geschäftsführer Prof. Reinhard Golz hat sogar das Bundesverdienstkreuz für | |
seine Arbeit bekommen. | |
Das INS bearbeitet Nachfragen „aus der Bevölkerung“ nach dem | |
Niederdeutschen, hat Fortbildungen für Lehrer angeboten oder staatliche | |
Stellen unterstützt, wenn die ihre Informationen auch in Niederdeutsch | |
anbieten wollten. Das Institut hilft Studenten, die Abschlussarbeiten über | |
Niederdeutsch schreiben wollen, und es gab zwei Lehraufträge für | |
„Niederdeutsch“ an der Bremer Universität im Rahmen der Lehrerausbildung. | |
Das alles wird es am 1. Januar nicht mehr geben. „Das Geld dafür bekommt ja | |
dann das neue Länderinstitut“, sagt INS-Geschäftsführer Goltz etwas | |
ironisch. Das INS arbeitet weiter, will sich auf die wissenschaftliche | |
Arbeit konzentrieren und auf Drittmittel-Aufträge. Das INS verfügt über ein | |
kleines Vermögen als Rücklage – eine Immobilie im touristischen Zentrum der | |
Stadt und eine große, seit Jahren gewachsene Bibliothek. Nichts davon wird | |
das neue Länderinstitut haben. Für den Aufbau einer eigenen Bibliothek | |
steht im Haushaltsplan des Landesinstituts – kein Cent. | |
Fest steht aber: Irgendwo in Bremen soll das neue Länderinstitut Räume | |
anmieten, 80 Quadratmeter, 12.000 Euro im Jahr darf die Miete im Jahr | |
kosten. Was die Frage aufwirft, warum das alte Institut nicht weiter die | |
Förderung erhält. Außer der nicht weiter erläuterten der Floskel von den | |
„stabilen Füßen“ gibt es hinter vorgehaltener Hand nur den Hinweis, die | |
Finanzen seien im INS nicht transparent verwaltet worden. | |
Im Klartext: Das INS ist ein Verein und pocht auf seine Selbstständigkeit, | |
das passt den Behördenvertretern nicht. Als vor einigen Jahren die Stadt | |
Bremen von dem Institut 70.000 Euro zurückforderte, weil – seit 2008 – | |
überhöhte Personalkosten ausgezahlt worden sind, da ging das Institut vor | |
Gericht – das Verfahren schwebt heute noch. Die Stadt lehnt eine vom | |
Gericht vorgeschlagene Moderation ab. Das Problem: Die Finanzkontrolle der | |
Stadt moniert im Nachhinein Zahlungen, die sie über Jahre bei der | |
Genehmigung des Haushaltsabschlusses gebilligt hatte. | |
## Ein Schwall leerer Worte | |
Der erste Stein, der auf das INS geworfen wurde, kam aus Kiel. Dort wollte | |
man 2010 die 42.000 Euro, die das Land jedes Jahr beiträgt, schlicht | |
sparen. Bis die Landesregierung feststellte, dass das die Verpflichtungen | |
aus der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen | |
verletzten würde und dass zudem der Geschäftsführer des Bremer Instituts | |
beurlaubt ist von einer Professorenstelle an der Uni Kiel. Wenn | |
Schleswig-Holstein ihm wieder sein Gehalt zahlen müsste, würde allein das | |
schon teurer für Schleswig-Holstein. | |
Die Politik deckt den Konflikt mit einem Schwall leerer Worte zu. Die | |
Abteilungsleiterin im niedersächsischen Kulturministerium, Annette | |
Schwandner, sagte am 27. Dezember in einer Radiodiskussion, sie wünsche | |
eine „gute Kooperation nebeneinander“. Ziel sei es, „Mehrwert zu schaffen… | |
– offenbar durch das Streichen der Förderung. | |
1 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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