# taz.de -- Ostfriese Veith über seinen plötzlichen Ruhm: „Es ist brutal, w… | |
> Keno Veith landete mit einem Trecker-Video einen Erfolg im Netz. Ein | |
> Interview über Vorurteile und die Entscheidung, kein Opfer zu sein. | |
Bild: Keno Veith und sein Trecker: Seit 20 Jahren ist er als Lohnarbeiter unter… | |
taz: Herr Veith, wieso können Sie nicht mehr unbehelligt am Straßenrand | |
pinkeln? | |
Keno Veith: Die Sache fing so an: Alle meine Arbeitskollegen waren zum | |
Mittag gefahren und ich steckte mit meinem Trecker im Acker fest. Aus | |
Langeweile habe zum Handy gegriffen, just for fun ein Video von mir und | |
meinem Trecker gemacht und [1][das auf meine Facebook-Seite gestellt]. Nur | |
dieses Mal eben auf Plattdeutsch. | |
Sie haben sich vorher schon bei der Arbeit auf dem Feld gefilmt? | |
Ab und an. Aber lass es da 100 Likes für ein Video gewesen sein, das war | |
dann schon richtig viel. Das Video auf Plattdeutsch ist millionenfach | |
geklickt worden. Ich glaube, es waren schon nach 14 Tagen 1,8 Millionen | |
Klicks. Und das war noch, bevor ich in der NDR-Talkshow war. | |
Und was passiert jetzt, wenn Sie auf die Straße gehen? | |
Ich werde oft erkannt, von allen Altersklassen. Ja und dann war ich eben | |
neulich mit dem Auto unterwegs und dachte, Mist, Du musst eben pinkeln. Ich | |
bin aus dem Auto und es kamen da echt Leute auf mich zu. Da habe ich so | |
getan, als müsste ich an meinem Auto irgendwas nachgucken. Oder neulich, da | |
wollte ich mir einen Gürtel kaufen. Ich also zum Klamottenladen gefahren, | |
mit dem Auto wirklich stumpf vor der Tür geparkt, schnell rein, Gürtel | |
gekauft und wieder raus. Und selbst das hatte jemand mitgekriegt und auf | |
meiner Fanpage mitgeteilt. | |
Wie ist das denn? | |
Ich kann da gut mit um. Ich bin ja einfach nur ich und wenn ich andere | |
damit begeistern kann, ist das doch gut. Einige sagen, ich komme als | |
Botschafter rüber und zeige, dass das Plattdeutsche nicht nur was für Alte | |
ist. | |
Sie haben sich das Plattdeutsche selbst beigebracht? | |
Ja, genau. Ich bin seit 20 Jahren im Lohnbetrieb tätig und komme von Hof zu | |
Hof und durch viele Ortschaften. Und da ist das Plattdeutsche überall | |
anders, deshalb klingt meins auch ganz anders wie zum Beispiel von | |
jemandem, der das von seinen Eltern beigebracht kriegt. Manchmal fehlen mir | |
Worte und darum schwanke ich so zwischen Hochdeutsch und Plattdeutsch, aber | |
das ist mir auch total egal. Ich lerne eben jeden Tag dazu. Ich habe auch | |
keine Ahnung, wo die Reise hingeht. Ich habe ja meinen Job und das andere | |
ist so nebenbei. | |
Nebenbei ist gut, seitdem Sie das Video hochgeladen haben, sind Sie ja | |
Vollzeit als „Ostfriesen-T“ oder „De Schwatten Ostfrees Jung“ unterwegs… | |
Es ist brutal, was da abgeht. Film, Fernsehen, Serien, Dokumentationen, was | |
da für Anfragen kommen! Das ist Wahnsinn. | |
Und was machen Sie jetzt? | |
Ich warte erst mal ab, ganz entspannt. Ich meine, klar, irgendwie schon | |
geil! Aber ich sage, man muss das mit Vorsicht genießen. Ich will auch | |
nicht in irgendeine Schublade. Ich hatte auch Angebote, winkend durch | |
Diskos zu ziehen oder so. Das hab ich alles abgelehnt. | |
In welche Schublade werden Sie denn gesteckt? | |
Viele denken, das ich jetzt mit dem Hype das große Geld machen will. | |
Sie verkaufen ja auch T-Shirts mit ihrem Konterfei drauf. | |
Ja, aber das kam nicht von mir, sondern die Leute wollen das haben. Ich | |
komme mir immer noch total normal vor, aber wenn Du so viele Anfragen | |
kriegst, denkst du irgendwann, ach komm, mach doch einfach. Ich bin aber | |
Realist: So schnell, wie es jetzt hoch geht, so schnell kann es auch wieder | |
weg sein. | |
Was hat es mit dem Namen „Ostfriesen-T“ auf sich, unter dem Sie Ihren Blog | |
schreiben? | |
Mr. T aus der US-Serie A-Team begleitet mich schon meine ganze Kindheit und | |
ich gucke die Serie heute noch jeden Sonntag. Als ich klein war, hat eine | |
Bekannte meiner Mutter immer Mr. T zu mir gesagt. | |
Heute sehen Sie dem Schauspieler Mr. T, der mit seiner Rolle als Bosco | |
Albert „B. A.“ Baracus berühmt wurde, recht ähnlich: der Iro, die dicken | |
Ketten, die vielen Muskeln. | |
Ich hatte auch früher schon einen Iro, auf meinem Führerscheinfoto zum | |
Beispiel. Und vor drei Monaten dachte ich mir, ach, lass Dir mal wieder | |
einen Iro wachsen. Vorher hatte ich lange Glatze, weil man schon komisch | |
angeguckt wird mit so einem Iro. Aber ich dachte mir, ach, ihr könnt mich | |
alle mal am Arsch lecken. Das ist mein Leben. Und wenn ich jetzt aufgrund | |
meines Aussehens beurteilt werde, damit habe ich ja sowieso mein ganzes | |
Leben schon zu tun, dann ist das eben so. | |
Sie sagen von sich: Ich bin ein waschechter Ostfriese, nur anders verpackt. | |
Was ist denn diese andere Verpackung? | |
Ich bin dunkel. Das ist alles. Es gibt keinen anderen Unterschied, ich ja | |
hier in Wittmund geboren. | |
Wann ist Ihnen das aufgefallen? | |
Was? Dass ich dunkel bin? | |
Ja, ich meine, irgendwann müssen Sie doch gemerkt haben, dass Sie anders | |
aussehen. | |
Also meine Kindheit war nicht immer leicht und es gab Momente, in denen ich | |
gesagt habe, ach, ich wäre gerne weiß. | |
Was waren das für Momente? | |
Ach, alle hatten eine Freundin und mich mochte keine. Es gab Sprüche wie: | |
„Oh, Du färbst ja gar nicht ab.“ Oder: Ich gehe in einen Laden rein und | |
werde angeguckt. Ich bin schwarz und da denken die Leute automatisch, der | |
klaut bestimmt was. Ist wirklich so, ich habe viel mit Vorurteilen zu tun. | |
Die Leute wissen ja nicht, aus welchem Elternhaus ich komme. Es steht ja | |
nirgends auf meiner Stirn geschrieben, dass mein Vater Ingenieur ist und | |
meine Mutter Köchin. Die sehen nur, wie Du aussiehst und fertig. Da habe | |
ich viel in mich reingefressen früher. Aber ich hatte meinen besten Freund | |
aus dem Dorf, der stand immer hinter mir. Da war es leichter, mich mal zu | |
öffnen. | |
Sie sind in dem 600-Einwohner-Ort Asel in Niedersachsen aufgewachsen. Sind | |
Sie dort auch angeeckt? | |
Nein, in Asel-City war alles gut, da wusste jeder, wo ich hingehöre. Ich | |
bin da bei meinen Großeltern auf dem Betrieb groß geworden, das ist Dorf. | |
Das war ein kleiner Hof, oder? | |
Ja, wir hatten da vielleicht 30 Kühe. Das war Nebenerwerb, mein Opa hat ja | |
noch bei der Stadt gearbeitet. | |
Und Ihre Eltern? | |
Mein Vater ist Agraringenieur und arbeitet heute beim Landkreis. Früher war | |
er beim Deutschen Entwicklungsdienst in Kamerun und hat da meine Mutter | |
kennengelernt. Sie sind zusammen nach Ostfriesland gekommen, ich bin 1981 | |
in Wittmund geboren, aber meine Eltern sind eine Weile wieder nach Kamerun | |
zurückgegangen. Ich habe dort das Klima aber nicht vertragen, bin zurück zu | |
meinen Großeltern und dort erst mal ohne meine Eltern aufgewachsen. Bis | |
mein Vater dahinten fertig war. Heute leben meine Eltern auch wieder hier | |
oben. | |
Problematisch wurde es also erst, als Sie zur Schule nach Wittmund mussten? | |
Ja, weil ich da mit den Kindern aus der Stadt in Kontakt kam. Und dann ging | |
es eben los. | |
Was ging los? | |
Prügeleien, man hat sich angespuckt, da gab es alles. Es gibt nur zwei | |
Möglichkeiten. Du bist Opfer oder Du wehrst Dich und teilst aus. Ich habe | |
mich für Letzteres entschieden. | |
Und deswegen mit dem Krafttraining angefangen? | |
Das kam erst mit 18. Mein bester Freund wollte ein bisschen abnehmen und | |
fragte mich, ob ich mit zum Fitness komme. Ich hatte Untergewicht, war eher | |
drahtig, hab Selbstverteidigung gemacht, Karate, Kickboxen, bin Skateboard | |
gefahren, hab Basketball gespielt. Gute zwei Jahre haben wir zusammen | |
Fitness gemacht, dann hatte er sein Ziel erreicht und ich Blut geleckt. | |
So wie Ihr Körper aussieht, haben Sie bis heute nicht aufgehört. | |
Ja, ich bin Vollgas dabei! Meistens trainiere ich aber im Sommer wegen | |
meines Jobs wenig und von November bis April dann so drei Mal die Woche. | |
Das ist ein gutes Pensum, wenn man weiterkommen will. | |
Was ist denn das Ziel? Einen Meter Oberarmdurchmesser? | |
Momentan ist mein Ziel: Bankdrücken 200 Kilo. Ich bin bei 170 Kilo. Da oben | |
wird es aber immer schwieriger, da zählt jedes Kilo. | |
Können Sie diese körperliche Kraft auf der Arbeit brauchen? | |
Nö. Bei meiner Arbeit als Lohner brauchst Du den Kopf und Fingerfertigkeit. | |
Was genau machen Sie? | |
Wir machen als Lohner Dienstleistungen für die Landwirtschaft. Ich bin als | |
Lkw-Fahrer unterwegs. Gärsubstrate fahren. Oder Grassilage oder Mist. Oder | |
im Frühjahr mit dem Trecker unterwegs, Gülle fahren, Aussaat machen, | |
ackern. Wir machen die Feldbestellung, die Erntearbeit und die Transporte | |
für die Landwirte. Ich hab schon als Kind ins Poesiealbum geschrieben, dass | |
ich Lohner werden will. Ich bin ein Landei und will immer da wohnen, wo man | |
nackt ums Haus laufen kann. Das ist Heimat für mich und mehr brauche ich | |
auch nicht. Ich hab zum Beispiel letztes Jahr zum ersten Mal in meinem | |
Leben Urlaub gemacht. | |
Echt zum ersten Mal? Wo sind Sie hingefahren? | |
Fuerteventura. Das schreit nach mehr und ab jetzt wird Urlaub gemacht. | |
Fahren Sie nun auch mal nach Kamerun, da waren Sie nie wieder, oder? | |
Nee, stimmt, vielleicht mache ich das jetzt mal. Mal gucken. | |
Wie reagiert denn Ihr Umfeld auf Ihren plötzlichen Bekanntheitsgrad? | |
Es gibt die, die es mir gönnen und die Neider. Aber ich soll jetzt ja auch | |
für alles Mögliche herhalten. Zum Beispiel auch für Integration. | |
Als Beispiel für gelungene Integration? Da können Sie nichts mit anfangen? | |
Nee, natürlich nicht, ich bin ja hier geboren. Die Leute haben schon | |
komische Vorstellungen. Einige glauben auch, ich bin jetzt reich, weil ich | |
überall in den Medien und im Fernsehen auftauche. Und die glauben mir | |
nicht, dass das nicht stimmt. | |
Als waschechter Ostfriese kennen Sie Ostfriesenwitze, oder? | |
Ja, vom Hören. Aber ich bin ein ganz schlechter Witzeerzähler. | |
Wieso hat die ostfriesische Marine an einem einzigen Tag die gesamte | |
U-Boot-Flotte verloren? | |
Oh. Den hab ich noch nie gehört! | |
Es war Tag der offenen Tür. | |
Ok! | |
Warum haben die Ostfriesen ein langes und ein kurzes Bein? | |
Vom am Deich stehen! | |
Genau! Gab es eigentlich mal die Idee, den Hof Ihrer Großeltern zu | |
übernehmen? | |
Als sie vor ein paar Jahren gestorben sind, hatte ich schon die Idee, den | |
Hof zu kaufen. Aber das hat nicht geklappt. Es wäre mir aber schon wichtig | |
gewesen, dass die Hofstelle in der Familie bleibt. Ich bin da groß geworden | |
und jetzt wohnt da jemand anders, das ist schon komisch. Ich kenne da | |
einfach alles, damals den Koksmann und wie Opa mir gezeigt hat, wie man | |
unten den Ofen anheizt und so. Hattest Du den Ofen nicht richtig zugange, | |
war nur kaltes Wasser und kalte Heizung da. | |
Gibt es was, dass Sie sich für die nächste Zeit wünschen? | |
Besseres Wetter. | |
18 Dec 2017 | |
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## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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