# taz.de -- Allein im Kinderheim: Getrennt an Weihnachten | |
> Ein Gericht bestätigt das Umgangsverbot zwischen Linos und seiner Mutter | |
> Helene, weil diese die Heim-Unterbringung ablehnt. | |
Bild: Linos' Mutter rennt selbst an Weihnachten beim Jugendamt immer wieder geg… | |
HAMBURG taz | Keine schöne Post vor dem Fest. Der 13-jährige Linos* und | |
seine Mutter Helene* dürfen sich auch über Weihnachten nicht sehen. Der | |
Antrag auf Aufhebung des Umgangssauschlusses, so entschied jetzt das | |
Gericht in Cloppenburg, wird abgewiesen. | |
Der Junge lebt seit zwei Jahren in Heimen (taz berichtete), inzwischen | |
schon im dritten, im Oldenburgischen. Das Hamburger Jugendamt und sein | |
Vater sind dafür. Linos selber möchte dort nicht leben und lieber nach | |
Hamburg zurück, zur Mutter oder wenigstens dort in eine Wohngruppe. Auf | |
jeden Fall möchte er Kontakt zur Mutter haben, die er seit Weihnachten 2016 | |
nicht sehen durfte. | |
Interessant ist die Begründung der Richter, die der Marschrichtung des | |
Jugendamtes folgt: Eine Aufhebung des Umgangsverbots, das im Juli ein | |
Gericht in Schleswig verfügt hatte, sei nicht möglich. Denn die Mutter habe | |
ihre Einstellung nicht geändert und lehne die Fremdunterbringung ab. | |
Nach Schilderung des Amtes hat der Junge ein aggressives Auftreten, das auf | |
das Verhalten der Mutter, die ihn großzog, zurück gehe. In der | |
intensivpädagogischen Wohngruppe, die offenbar mit einem Punktsystem | |
arbeitet, habe er sich nun stabilisiert. So habe er seit Langem keine rote | |
Bewertung für Regelbrüche erhalten und sich dadurch Privilegien, wie etwa | |
Medienzeit oder die Besuche eines Fußballtreffs, erarbeiten können. | |
Frühere Kontakte zu seiner Mutter hätten dazu geführt, dass der Junge an | |
den Hilfsprogrammen der jeweiligen Einrichtung nicht mehr mitgewirkt habe. | |
Solche verhaltensmodifizierenden Methoden sind fachlich umstritten. „Wenn | |
man normale Rechte von Kindern als Privileg bezeichnet, ist das schwarze | |
Pädagogik reinsten Wassers“, sagt der emeritierte Professor für Soziale | |
Arbeit Timm Kunstreich. Es sei unglaublich, das Durchsetzen solcher | |
Prinzipien über das Recht des Kindes auf Kontakt zur Mutter zu stellen. | |
„Ich finde es unmenschlich, dass man hier grundlos einem Kind die Mutter | |
nimmt, gerade auch zu Weihnachten“, sagt Helene selbst. „Nur weil ich gegen | |
die Fremdunterbringung bin, wird das Kind von mir isoliert.“ Enttäuscht sei | |
sie auch, weil der Richter ihren Sohn in der Verhandlung als freundlich und | |
offen geschildert habe, und nun die Defizit-orientierte Sichtweise des | |
Jugendamts übernehme. | |
Ihr Anwalt Rudolf von Bracken rät, gegen den Beschluss Beschwerde | |
einzulegen. „Er ist verfassungswidrig und verstößt gegen das Grundrecht der | |
Mutter und des Kindes auf Umgang.“ Spätestens Ende Januar, wenn der alte | |
Beschluss aus Schleswig abläuft, müsse es zudem eine neue Umgangsregelung | |
geben. Das Gericht riskiere nun einen regellosen Zustand. Auch dies sei | |
verfassungswidrig und führe zu Zeitverlust für Mutter und Sohn. Es gehe um | |
Verwaltungsinteressen: „Er soll in der dritten Einrichtung ,ankommen'. Das | |
ist aber nicht Interesse des Kindes.“ | |
Indes hat die Hamburger Sozialbehörde sich über den Fall unterrichten | |
lassen und sich hinter das Jugendamt gestellt. „Strukturelle Mängel im | |
Handeln des Jugendamtes sind nicht erkennbar“, sagt Sprecher Marcel | |
Schweitzer. | |
Das stellt Sabine Boeddinghaus nicht zufrieden. „Die Mutter wird bestraft, | |
weil sie eine Meinung hat“, empört sich die Bürgerschaftsabgeordnete der | |
Linken. Die Beteiligten hätten nicht verstanden, was es heißt, den | |
Kindeswillen zu berücksichtigen. | |
(*Name geändert) | |
22 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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